Restaurant am Steinplatz – Aufsteiger des Jahres
Von Josefine Kammerer
6.12.2018
Ein würdiger Aufsteiger des Jahres 2018 in historischer Kulisse
Und weiter geht meine Gourmet Reise durch Berlins Küchen. Dieses Mal mit dem Aufsteiger des Jahres 2018, dem Restaurant am Steinplatz, welches im Rahmen der „Berliner Meisterköche 2018“ gekürt wurde. Nach der Wiedereröffnung der Hotellegende am Steinplatz macht nun der neue Küchenchef Nicholas Hahn auch dem dazugehörigen Restaurant einen Namen.
Dank einer Investition von rund EUR 32 Millionen eines mongolischen Investors wurde das Hotel am Steinplatz, gegenüber der Hochschule der Künste und unweit des Bahnhof Zoo, wieder zum Leben erweckt. Das 1907 im Jugendstil erbaute Haus ist neben den Hackeschen Höfen eines der letzten erhaltenen Werke des Architekten August Endell und diente früher der Unterbringung internationaler Stars und Adelsfamilien, bevor es zu einem Altersheim wurde und schließlich viele Jahre leer stand.
Das Restaurant liegt im Erdgeschoss des Hotels und besteht aus einem überschaubaren, in zwei Hälften geteiltes Esszimmer mit offener Show-Küche, sowie einer parallel zum Zimmer verlaufenden Terrasse. Leider gefiel mir die Innengestaltung nicht besonders, denn es ist ein unstimmiges Wirr aus verschiedenen Stilen, weder erfrischend jung und modern, noch klassisch schick oder modisch gemütlich.
Da es ein – vor allem finanzielles – Wagnis sein kann, ein Gourmet-Restaurant auszuprobieren, bietet ein Mittagstisch die optimale Gelegenheit zu einem ersten Annäherungsversuch.
Der Mittagstisch im Restaurant am Steinplatz überzeugte und war durch und durch stimmig. Er besteht aus einem wahlweise 2 bzw. 3-Gänge-Menü für EUR 20/25 (inklusive Tafelwasser und einer Kaffeespezialität), welches im 2-Wochentakt wechselt.
Getreu des Thanksgiving-Mottos am Tag des Besuches wurde das Menü von Fleisch- bzw. Truthahnspezialitäten dominiert und auch die mitverarbeiteten Früchte, Gemüsesorten und Gewürze entsprachen dem Thema bzw. der Saison. Zu jedem Gang gab es aber auch eine vegetarische Variante.
Das Beste kam zuerst: Maronenpüree, passend zur Jahreszeit, mit blanchierten Birnentranchen und leicht salzig gerösteten Haselnüssen, übergossen mit einem erfrischend fruchtig-süßem Birnenschaum. Ein sehr rundes und stimmiges Gericht, welches uns schon bei der Bestellung von der sonst eher unauffälligen Bedienung ans Herz gelegt wurde.
Außerdem probierten wir das Truthahnleberparfait auf einem Cranberrysoßen-Spiegel mit Gewürzpopcorn. Dies machte für Auge und Gaumen einiges her. Der bekanntlich intensive und eher dumpfe und schwere Lebergeschmack wurde spielerisch durch die fast schaumige Zubereitung des Parfaits leichter und auch durch die sauersüße Cranberrysoße ausgeglichen. Dazu verzierte das in einer kleinen Papiertüte mit modischem Zeitungsprint servierte Popcorn den Tellerrand. Und auch die Dritte zur Auswahl-stehende Vorspeise, „Blutwurstbrötchen – Kartoffel – Apfeldip“, auf dem Nachbartisch, machte neugierig.
Die Thanksgiving-Hauptspeise, die klassische Truthahnkeule, kam mit saisonalem, knusprig gebratenem Kürbis in Gewürzpanade, Kartoffel-Maispüree, einem buttrigen Karamellapfel und Schokoladen-Gravysoße. Als Ausgleich dazu wählten wir außerdem den in luftig-geschlagener Senfsoße badenden Schlemmerlachs mit frischer Kräuterkruste und Silberzwiebeln und einem Kartoffelbaumkuchen.
Während ich mir bei in der Gravysoße zum Truthahngericht eine eher fruchtige, statt der Schokoladenote gewünscht hätte, da auch der Karamellapfel mehr süß als fruchtig war und dem dazu gereichten Püree ein wenig der Pepp fehlte, war der Lachs nicht nur perfekt zart rosa gegart, sondern die Mischung aus cremig luftiger Senfsoße, den frischen Kräutern und süßlichen Silberzwiebeln insgesamt sehr harmonisch. Auch die lockere, fast fluffige Konsistenz des Kartoffelbaumkuchens machte sich hervorragend, um die Soße aufzusaugen – ein idealer Soßenschwamm.
Zu guter Letzt bekamen wir noch einen Süßkartoffelkuchen mit Pumpernickelboden und Marshmallow Fluff sowie ein Orangen-Safraneis mit Baba al rum, Leinsamen und Vollmilchsabayone. Der feuchte und leicht matschige Süßkartoffelkuchen kombiniert mit dem trockenen, körnigeren und herzhaften Pumpernickelboden stellten ein stimmiges Duo dar, welches ganz nach Belieben durch das Hinzufügen von Marshmallowschaum versüßt werden konnte.
Auch das Eis ergab ein schönes Zusammenspiel aus herzhaften Safran, frischen und fruchtigen Orangenaroma und dem leicht nussigen Geschmack der Leinsamen. Hier diente der Baba al rum nicht nur als „Eisschwamm“, sondern fügte diesem noch eine feine, von mir persönlich sehr geliebte Rum-Note hinzu, welche für mich sogar noch einen Tick intensiver hätte ausfallen können, um als weiteren Ausgleich des starken und durchdringenden Safrangeschmacks zu dienen.
Der Lunch verschafft dem Einsteiger in die Gourmetküche nicht nur einen Eindruck, sondern bietet nahezu eine vollständige Gourmet-Erfahrung, auch wenn die Mittagsmenus nicht vom Küchenchef und Starkoch Nicolas Hahn selbst stammen, sondern von den Lunch-Chefs Oliver Fritz und Raul Arndt. Bei einem solchen Mittagstisch wird der Besucher am Abend sicherlich nicht enttäuscht sein. Vielleicht bieten die exklusiven Menüs zur Weihnachtszeit, am Silvesterabend und auch zu Jahresbeginn unter dem Motto „Newcomer“ bereits Gelegenheit dazu. Den Genuss des Mittagsmenus werde ich mir fortan jedenfalls hin und wieder gönnen wollen.
Restaurant am Steinplatz
Steinplatz 4, 10623 Berlin
Tel. 030 5544440
Unsere Bilderserie mit 5 Fotos des Lunch-Menus:
english text
Restaurant am Steinplatz – newcomer of the year
By Josefine Kammerer
06/06/2018
A worthy newcomer of the year 2018 in a historical setting.
My gourmet travel continues through Berlin’s kitchens. This time with the award wining newcomer of the year 2018, the Restaurant am Steinplatz, which was honored as such as part of the „Berlin Master Chefs 2018“. After the reopening of the hotel legend at Steinplatz, the new chef Nicolas Hahn now makes a name fore the restaurant.
Thanks to an investment of around EUR 32 million from a Mongolian investor, the Hotel am Steinplatz, opposite the University of the Arts and not far from Zoo train station, has been brought back to life. Built in 1907 in Art Nouveau style, it’s one of the last extant works of the architect August Endell together with the Hackeschen Höfe. It used to host international stars and aristocratic families before it became a nursing home and finally stood empty for many years.
The restaurant is located on the ground floor of the hotel and consists of a relatively small, dining room split in two with open show kitchen, and a closed terrace running parallel to the room into the patio. Unfortunately, I did not particularly like the interior design, as it is a undefinable mixed of different styles, neither refreshingly young and modern, nor classic chic or fashionably cozy.
Since it may be a risk, especially a financial one, to try a gourmet restaurant, a lunch menu generally offers the perfect opportunity for a first trial.
The lunch at the restaurant on Steinplatz was very convincing. It consists of an optional 2 or 3-course menu for EUR 20/25 (including bottled water and a coffee specialty), changing every two weeks.
True to the Thanksgiving-Theme at the day of my visit, the menu was dominated by meat or rather turkey specialties and also the accompanying fruits, vegetables and spices corresponded to the theme and season. For each course, there was also a vegetarian option.
The best thing came first: chestnut puree, suitable for the season, with blanched pear and lightly salty roasted hazelnuts, topped with a refreshingly fruity-sweet pear foam. A very round and harmonic dish, which was already recommended to us by the otherwise relatively unobtrusive service. We also tried the parfait of turkey liver on a mirror of cranberry sauce with spiced popcorn. This was something for the eye and tastebuds. The well-known intensive and rather dull and heavy liver taste was playfully balanced out by the almost frothy preparation of the parfait and the sour sweet cranberry sauce. For the eye, the popcorn, served in a small paper bag with a fashionable newspaper print, decorated the plate. And also the third dish selectable as appetizer, „blood sausage rolls – potato – apple dip“, that was served on the neighboring table, made us curious.
The main course, the classic Thanksgiving turkey leg, came with crispy roasted pumpkin in spiced breadcrumbs, potato-corn puree, a buttery caramelized apple and a chocolate gravy. To compensate this, we also chose the „Schlemmer“-salmon with a crust made of fresh herb and silver onions and a potato cake, bathing in a airy-beaten mustard sauce.
While I would have preferred the gravy to the turkey dish to be rather fruity, instead of having the slightly bitter chocolate taste – as the caramel apple was also more sweet than fruity and the puree lacked the special something – the salmon was cooked not only to soft pink perfection, but the mixture of creamy airy mustard sauce, the fresh herbs and sweet(ish) onions were a perfect harmony. Also the loose and almost fluffy potato „Baumkuchen“ (a German cake made out of many layers) was excellent to absorb the sauce – an ideal sauce sponge.
Last but not least, we got a sweet potato cake with pumpernickel (nearly black and slightly bitter whole grain bread) bottom and marshmallow fluff and an orange-saffron ice cream with baba al rum, flaxseeds and milky zabaione. The moist and slightly mushy sweet potato cake combined with the dry, grainy and savory pumpernickel bottom was a harmonious duo, which could be sweetened by adding marshmallow foam at will. The ice cream also made a nice combination of savory saffron, fresh and fruity orange aroma and the slightly nutty taste of flaxseeds. Here, the Baba al rum served not only as an „ice cream sponge“, but added a fine, personally very beloved rum taste. It could have been even a bit more intensive, in order to further balance out the strong and penetrating saffron taste.
The lunch gives beginners to gourmet restaurants not only an impression, but offers almost a complete gourmet experience. You will not even notice that the lunch menu is not from the award-winning celebrity chef Nicolas Hahn himself, but designed by the lunch chefs Oliver Fritz und Raul Arndt. This lunch leaves no doubt that a visitor will certainly not be disappointed in the evening. Perhaps the exclusive menus for Christmas, New Year’s Eve or at the beginning of the new year under the theme „Newcomer“ may already provide an opportunity. In any case, if possible, I will definitely want to indulge in the pleasure of the lunch from time to time.
Author: Josefine Kammerer
Josefine Kammerer arbeitet bei einem Incubator von Unternehmen in Berlin und ist Besitzer des neuen israelischen Restaurants AVIV 030 in Berlin-Neukölln. Während eines Sabbatical besuchte sie eine Kochschule in Südamerika und betätigt sich in Berlin als Foodguide für das online Kulturmagazin kultur24.berlin.