TANNHÄUSER an der Bayerischen Staatsoper

Tannhäuser - Bayerische Staatsoper © Wilfried Hösl

TANNHÄUSER an der Bayerischen Staatsoper

 

Von Karin Jacobs

11.06.2017

Premiere am 21. Mai 2017 – viel Regie-Schmarrn, Musik in Weltklasseformat und ein erstaunlicher Sänger.

Was für ein Glück die Bayerische Staatsoper mit ihrem Dirigenten doch hat! Mit Kirill Petrenko ist diese Oper musikalisch nicht mehr zu toppen. Von hauchzarten, durchsichtigen Klängen bis zur Gewalt der emotionalen Entladung entlockt Petrenko dem Werk seine Geheimnisse.

Handlung

Richard Wagners „Tannhäuser“ ist ein Mensch auf der Suche nach Lebenssinn und Liebeslust. Erfüllung sucht er mal in in purem Sex, mal in christlich grundierter Liebe , doch seine Begabung , Kompromisse einzugehen, ist gering entwickelt. Immer geht es ihm um alles oder nichts, was zur Katastrophe seines Lebens führen muss.

Geflohen aus dem Reich der Liebesgöttin Venus, deren Reize ihn anekeln, ausgeschlossen aus den Reihen seiner heimatlichen Gesellschaft, getrennt von seiner großen Liebe Elisabeth, verdammt von den Scheinheiligkeit des Papstes, gibt es für ihn schließlich nur noch Verzweiflung. Verachtet von allen, außer von der „heiligen“ Elisabeth, kann seine Erlösung nur von einer Macht kommen, die keiner menschlichen Moralvorstellung unterworfen ist.

Kritik

Rollendeckend im besten Sinn ist die Besetzung : Klaus Florian Vogt als Tannhäuser, Anja Harteros als Elisabeth und Christian Gerhaher als Wolfram von Eschenbach, Elena Pankratova als Venus, Georg Zeppenfeld als Landgraf.

Jeder für sich überzeugte. Doch ist das ein zusammen spielendes und musizierendes Ensemble? Jeder singt mehr oder weniger in seinem eigenen Stil vor sich hin und hat den Dirigenten als einzigen Anspielpartner.

Doch das hat einzig und allein die Regie von Romeo Castellucci zu verantworten, die sich auf das Arrangieren der Personen in teils attraktiver (2.Akt- hauchdünne , herrlich schwingende, auf zauber- hafte Weise im Winde wehende weiße Tücher als optischer Ausdruck von Zärtlichkeit und Erotik!, sehr gelungen) , meistens aber dem normalen Menschenverstand in seiner Sinnhaftigkeit unzugänglichen Bühnengestaltung beschränkte.

Über die Abartigkeit, die Venus als ekelerregenden überdimensionalen Fettkloß zu zeigen und die Regie- Verirrung, im 3. Akt neben Ekelszenen auch noch eine Brecht’sche Verfremdung einzubauen will ich mich nicht auslassen. Über Schmarrn kann man nicht diskutieren und ich weigere mich, die langatmigen Erklärungen des Regisseurs zu lesen! Personenregie gibt es nicht. Die Sänger hatten nur eine Chance: aus dem Fundus ihrer eigenen Emotionen die Rollen zu füllen, ähnlich einer konzertanten Aufführung. Leider taten sie es nur in kurzen Ausnahmemomenten.

Die Überraschung des Abends ist Klaus Florian Vogt, der Sänger der Titelrolle. Nein, er ist in seiner Ausdruckskraft kein gefallener, kein zerstörter Mensch, er bleibt von Anfang bis fast zum Ende einfach ein sympathischer Mann , der sich mal verirrt hat, dem aber Böses nicht nahe kommt.

Was er im Venusberg getrieben hat? Schwer vorstellbar. Und dennoch hat er mich beeindruckt. Er singt mit einer androgyn wirkenden, wenig grundierten, aber oft strahlenden Tenorstimme diese anspruchsvolle Partie mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit, als wäre es ein Kinderspiel. Nun gut, so wenig grundiert seine Stimme ist, so wenig tiefgründig wirkt auch sein emotionales Eindringen in die Rolle.

Man bleibt als Zuseher und -hörer immer ein wenig außerhalb stehen,wird nicht mit genommen. Bis er dann – und das war die eigentliche Überraschung!- in der „Romerzählung“ ganz andere Seiten zeigt. Jetzt – man möchte sage: endlich! – steigt er ein, lässt Gefühle zu, die man ihm nicht zugetraut hätte, und seine unbeschwerte Stimme wird kräftiger, markanter, verliert die weiche Jugendlichkeit.

Dabei gelingt es ihm bis zum letzten Ton anstrengungslos die Partie zu Ende zu bringen, ohne emotional oder stimmlich erschöpft zu sein. Schließlich steht er vor dem Vorhang, nimmt völlig entspannt den begeisterten Applaus entgegen und das ist es dann auch! Er hat halt gesungen- was soll schon sein ! Ein wirklich erstaunlicher Sänger.

Musikalische Leitung: Kirill Petrenk
Inszenierung, Bühne, Kostüme: Romeo Castellucci
Tannhäuser: Klaus Florian Vogt
Wolfram von Eschenbach: Christian Gerhaher
Elisabeth: Anja Harteros
Venus: Elena Pankratova
Landgraf: Georg Zeppenfeld

Bayerische Staatsoper
Max-Joseph-Platz 2
D – 80539 München

Nächste Vorstellung: 9. Juli 2017

Tannhäuser von Richard Wagner an der Bayerischen Staatsoper 2017, Foto: Wilfried Hösl

 

Author: Karin Jacobs-Zander

Karin Jacobs-Zander, Dramaturgin und Autorin der Bücher „Lebenslotsen“ und „Wo München am schönsten ist“ aus dem Ellert & Richter Verlag, lebt in München als freie Journalistin

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