VALENTIN im Schauspielhaus Hamburg

Valentin - Schauspielhaus Hamburg Foto: Thomas Aurin

VALENTIN im Schauspielhaus Hamburg

 

von Julia Engelbrecht-Schnür

4.6.2017

Uraufführung von „Valentin“, dem neuen Stück von Herbert Fritsch am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, nach Texten von Karl Valentin am 28.5.2017.

Das Premierenpublikum im Schauspielhaus sorgt wie immer für gute Stimmung. Vor allem junge Zuschauer strömen am Sonntag bestens gelaunt und sonnengebräunt in das Theater an der Kirchenallee. Die Erwartung ist groß. Schließlich bringt Bühnen- und Komödienprofi Herbert Fritsch (u.a. Regie: „Die Schule der Frauen“ von Molière) das Werk des deutschen Sprachgenies Karl Valentin auf die Bühne – eine Uraufführung.

Alle freuen sich auf den grotesken Sprachwitz des bayerischen Komikers, Filmemachers und Sängers Valentin, der bereits 1897 als 15jähriger in Münchner Kneipen auftrat, nur vier Monate die Varieté Schule besuchte, 1926 ein millionenschweres Filmangebot aus Hollywood ablehnte, als der deutsche Charlie Chaplin galt und 1948 an einer Lungenentzündung starb.

Dass Herbert Frisch, der erfolgreiche Komödienmacher, der den diesjährigen Berliner Theaterpreis erhielt, eine freche Kabarett-Nummer aus dem Textfundus Valentins machen würde, damit war zu rechnen, und anfangs gestaltet sich das Bühnengeschehen vielversprechend. Eingerahmt von einer genialen Kulisse aus sich bewegenden Packpapier-Wänden, die der riesigen Bühne einen gelungenen Kleinkunst-Rahmen geben, versuchen die Schauspieler u.a. Bettina Stucky, Bastian Reiber und Josef Ostendorf, mit vollem Körpereinsatz und Mimik der Sprachkomik auf den Grund zu gehen.

Leider sind sie verdammt, es zu gründlich, zu besessen, zu brachial zu tun, sodass der geniale Wortwitz Valentins verpufft. Unermüdlich wiederholen sie Silben, schreien Worte, krächzten Konsonanten, zischen, stammeln und wimmern. Durch die Zerstückelung der wunderbaren Texte geht der Sinn verloren.

Noch glaubt der Zuschauer, dass sich das Angestrengte, das Überinszenierte bald legt, sobald ein gewisser Spielfluss entstehe, doch das Gegenteil ist der Fall, als nun ein Dutzend Trompeten, Posaunen und Saxophone (JazzHaus Ensemble und Steamboat Switzerland) das akustische Geschehen dominieren und sich bekannte Valentin-Sprüche wie „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ nur noch erahnen lassen.

Nach der ermüdend zähen, fast neurotischen Nummer mit der „Scheinwerfer-Reparatur“ verlassen die ersten sieben Zuschauer das Parkett und erleben nicht mehr die Wohltat der flüssig vorgetragenen „Aquarium-Geschichte“ ohne Bläserkrach und Geschrei. Mehr davon, hofft der Zuschauer, aber beim „Sonderbaren Appel“, verfällt Fritsch wieder in das Dilemma des verpufften Pointe, weil nicht zuletzt die Wiederholungen und zerhackten Satzgebilde die Leichtigkeit valentinscher Sprachvirtuosität zerreiben.

Auch Intendantin Karin Beier rutscht jetzt unruhig auf ihrem Logensessel hin und her. Die Mimik der erfolgreichen Hausherrin verrät, was Karl Valentin auch wusste:   Kunst ist schön, macht aber auch viel Arbeit.

Nächste Aufführungen am 17., 21. und 29. Juni 2017 um 20 Uhr.

Valentin
Deutsches Schauspielhaus Hamburg
Kirchenallee 39
20099 Hamburg

8 Bilder: „Valentin“, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Foto: Thomas Aurin

 

Author: Julia Engelbrecht-Schnür

Journalistin

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