Wiedereröffnung der Staatsoper Unter den Linden
Von Holger Jacobs
4.10.2017
Für die neue Staatsoper: 🙂 🙂 🙂 🙂 🙂 (fünf von fünf), für die Inszenierung „Szenen aus Goethes Faust“ von Jürgen Flimm: 🙂 🙂 🙂 (drei von fünf)
english text below
Es gibt sicher so ein paar Momente im Leben, die man nie vergisst. Um so einen Moment hat es sich gestern Abend gehandelt. Denn wann erlebt man schon die Eröffnung eines (fast) neuen Opernhauses? Wenn man Glück hat einmal in seinem Leben.
Viel geschrieben wurde bereits über den Opernbau, seine Geschichte, seine Architekten und über die Bauverzögerung; ich brauche es hier nicht noch einmal zu wiederholen. Alle Details dazu könnt Ihr in meinem ausführlichen Bericht vom 24. April 2017 noch einmal nachlesen. Gestern ging es ausschließlich um das Feiern eines gelungenen Unternehmens, um ein außergewöhnliches Ereignisses und um schlichtweg ein schönes Haus.
Schon das Ankommen war etwas Besonderes: Die ganze Straße Unter den Linden war gesperrt; es sollte wohl verhindert werden, dass die vielen Zaungäste nicht zu nahe an die hochrangigen Gäste herankommen. Denn gestern Abend war die gesamte Spitze des Deutschen Staates vertreten: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundeskanzlerin Angela Merkel und mehrere Minister. Und viel Prominenz aus Film und Fernsehen.
Ich erreichte gerade den roten Teppich, als Finanzminister Schäuble an mir vorbeigeschoben wurde und Innenminister Thomas de Maizière versuchte möglichst schnell an den Fotografen vorbeizukommen. Die beiden Co-Intendanten der Staatsoper, Matthias Schulz und Jürgen Flimm, begrüßten die Gäste persönlich. Herzliche Umarmungen gab es fast für jeden, besonders für Regiekollege Claus Peymann und Schauspieler Armin Müller-Stahl. Auch der Rockmusiker Marius Müller-Westernhagen bekam ein paar Streicheleinheiten ab. Er war mit seiner schönen Frau Lindiwe Suttle gekommen. Beide übrigens in einem tollen Outfit, sie ganz in Weiß, er ganz in Schwarz. Mit über 11 Millionen Tonträgern ist Westernhagen übrigens einer der erfolgreichsten Musiker der Nachkriegszeit.
Und plötzlich huschte auch Angela Merkel mit ihren Mann Joachim Sauer an mir vorbei, ein überaus freundliches Lächeln auf den Lippen. Und sie schien mir deutlich kleiner, als ich es vom Bildschirm her erwartet hätte. Ihr Mann war mir morgens bei einem Spaziergang im Montbijou Park als Jogger begegnet. Jetzt war er natürlich ganz fein in einen schwarzen Anzug gekleidet.
Der ganze Abend hatte etwas von einem Staatsakt.
Um so mehr, als plötzlich im großen Saal Frank-Walter Steinmeier auf die Bühne trat und die Eröffnungsrede hielt (siehe unser Video auf kultur24 TV). Sein Credo: Dass die Eröffnung ausgerechnet auf den Deutschen Nationalfeiertag gelegt wurde, zeige, welche Bedeutung die Kultur für unser Volk hat. Auch wenn es den Steuerzahler viel Geld kostet (ca. 200.000 Euro vom Bund, ca. 200 Millionen Euro von Land Berlin) würde es dennoch Sinn machen. Das kulturelle Erlebnis in einem Opernhaus wäre mit nichts zu vergleichen.
Auch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, durfte etwas sagen (den Inhalt habe ich leider wieder vergessen) und Kulturstaatsministerin Monika Grütters meinte sogar, Kultur könnte die AFD verhindern – Na ja…
Hatte ich eigentlich erzählt, dass ich bei dem BMW Empfang „Staatsoper für Alle“ am Samstag auf der Dachterrasse des Hotel de Rome den ehemaligen Kulturstaatsminister Michael Naumann kennengelernt hatte? Ein wahnsinnig sympathischer Mann. Er erzählte mir, wie er seine Karriere als kleiner Journalist begonnen hatte.
Auch Noch-Intendant Jürgen Flimm sprach ein paar Worte, besonders bedankte er sich bei allen Beteiligten am Bau und natürlich bei Daniel Barenboim, ohne dessen Zutun die ganze Renovierung wohl in dieser Form nie stattgefunden hätte. Plötzlich brandete tosender Beifall auf und alle erhoben sich. Standing Ovations für den beliebtesten Musiker Berlins. Obwohl – Bareboim ist eben weit mehr als nur Musiker. Auch wenn andere Redner nur seinen Namen nannten, sofort klatschte das Publikum in die Hände – beeindruckend! Als ich ihn später bei der Premierenfeier sah, saß er zusammengesunken auf einem Sessel in einer Ecke des Raumes. Ich fürchte, er hat sich in letzter Zeit zu viel zugemutet. Er müsste mehr auf seine Gesundheit achten.
Kurz vor dem eigentlichen Beginn kam noch eine ältere Dame auf die Bühne, die in gebrochenem Deutsch einen Text aufsagte. Es soll angeblich eine ehemalige rumänische Sängerin gewesen sein, eine alte Freundin des Intendanten.
Endlich ging der Eiserne Vorhang auf und riesige hölzerne Statuen rechts und links der Bühne (vom Künstler Markus Lüpertz) starrten erhaben über die Menge hinweg. Das Spiel begann.
Ihr entschuldigt mich sicher, wenn mein Bericht sich dieses Mal mehr mit dem Drumherum des Abends als mit dem gegebenen Stück beschäftigt. Über die Oper „Szenen aus Goethes Faust“ gibt es auch nicht so viel zu erzählen. Das Drama von Johann Wolfgang von Goethe kennt eigentlich jeder. Komponist Robert Schumann hatte 1853 sieben Szenen daraus genommen und sie vertont. Das Libretto hält sich an den Originaltext.
Das klingt zunächst sehr aufregend, das Ergebnis ist aber leider nicht sehr überzeugend.
Während man noch vor der Pause die aus Faust Teil 1 stammenden Szenen sofort wiedererkannte, blieben nach der Pause die aus Teil 2 stammenden Szenen in ihren Zusammenhängen ziemlich unklar. Man hörte zwar den (Original-) Text, verstand aber nicht, was die Akteure auf der Bühne machten. Wobei noch hinzu kam, dass die Sprechrollen von Schauspielern, die Gesangsrollen aber von Sängern gespielt/ gesungen wurden. Es gab also jeweils 2 Mephisto, 2 Faust und 2 Gretchen auf der Bühne. Während die Sänger (Roman Trekel als Faust etwas schwach, René Pape als Mephisto und Elsa Dreisig als Gretchen aber stark) überwiegend überzeugten, so konnten dies die Schauspieler gar nicht.
Und ein weiteres Problem kam dazu: Die Mischung aus dem gesprochenem Text und dem Gesang funktioniert irgendwie nicht. Während die romantische Musik von Schumann den Hörer ins Fließen bringt, so unterbricht der Knittelvers des Goethe Textes jedes Mal hart das Geschehen. Der gesprochene Text und die Musik wollen irgendwie nicht zusammenpassen. Sie finden zu keiner Harmonie. Kein Wunder, dass das Stück fast nie gespielt wird.
Großes Lob dagegen für die Optik. Das Bühnenbild von Markus Lüpertz ist toll. Stark und übermächtig scheinen die beiden Riesen links und rechts der Bühne das Treiben der Menschen zu beobachten. Kräftig und stark auch die Farben der Wände und des Kubus, der in bestimmten Momenten als fiktiver Raum genutzt wird. Auch der Chor unter Martin Wright ist wie immer ohne Tadel.
Fazit:
Ein tolles Haus, wunderbar restauriert. Robert Schumanns Goethe/ Faust allerdings halte ich für weniger gelungen. Da das Haus nach dieser Woche erst einmal wieder zu gemacht wird, würde ich auf die Zeit im Dezember warten, wenn die schönen Stücke aus dem Repertoire im neuen Haus wieder aufgenommen werden.
Das wird sicher ein Fest!
Reopening of Staatsoper Unter den Linden
By Holger Jacobs
04/10/2017
There are surely a few moments in life that you will never forget. That was the last night. How often you participate in the opening of a (almost) new opera house? Be lucky if that happens once in your life.
Much has already been written about this opera house: the construction, its history, its architects and the construction delay; I do not need to repeat it here. You can read all the details in my detailed report of 24 April 2017. Yesterday it was exclusively about celebrating a successful company, an extraordinary event and simply a beautiful house.
Even the arrival was something special: the whole street Unter den Linden was locked; it should be prevented that the many spectators hidden behind the fences did not come too close to the high-ranking guests. For last night, the entire summit of the German state was represented: Federal President Frank-Walter Steinmeier, Bundestag President Norbert Lammert, Chancellor Angela Merkel, and several ministers. And much prominence from film and television.
I just reached the red carpet, when Finance Minister Schäuble past me and Interior Minister Thomas de Maizière tried to get past the photographer as soon as possible. The two co-directors of the Staatsoper, Matthias Schulz and Jürgen Flimm, greeted the guests personally. There were heartfelt embraces for everyone, especially for director Claus Peymann and actor Armin Müller-Stahl. The rock musician Marius Müller-Westernhagen also got a few strokes. He had come with his beautiful wife, Lindiwe Suttle. Both by the way in a great outfit, she all in white, he completely in black. With more than 11 million phonograms, Westernhagen is by the way one of the most successful musicians of the post-war period.
And suddenly Angela Merkel and her husband Joachim Sauer also passed me, a very friendly smile on their lips. And she seemed to me much smaller than I would have expected from the screen. Her husband had met me in the morning during a walk in Montbijou Park as a jogger. Now, of course, he was dressed nicely in a black suit.
The whole evening had something of a state act.
All the more so, as Frank-Walter Steinmeier suddenly appeared on the stage in the great hall and held the opening speech. His credo: The fact that the opening ceremony was put on the German National Day shows how important the culture is for the Germans. Even if the taxpayer costs a lot of money (about 200,000 euros from the federal government, about 200 million euros from Land Berlin) it would make sense. The cultural experience in an opera house can not be compared with anything (see also my video on my Youtube channel Kultur24 TV).
Also the mayor of Berlin, Michael Mueller was allowed to say something (I forgot unfortunately what he said) and Minister of Culture Monika Grütters even said culture could prevent the AFD Party – Well …
Did I actually say that I met the former Minister of Cultural Affairs Michael Naumann at the BMW reception „Staatsoper für Alle“ on Saturday on the roof terrace of the Hotel de Rome? A really sympathetic man. He told me how he had started his career as a small journalist.
Jürgen Flimm, the director of the event, also spoke a few words. He especially thanked all those involved in the building and, of course, Daniel Barenboim, without whom the whole renovation would have taken place in this form. Suddenly everyone stood up. Standing ovations for the most popular musician in Berlin. Although – Bareboim isn’t just a musicians. Even if other speakers called his name, the audience immediately clapped their hands – impressive! When I saw him after the premiere, he was sitting on an armchair in a corner of the room. I’m afraid he’s working too much lately. He should pay more attention to his health.
Shortly before the actual start, an elderly lady came to the stage, who spoke up a text in broken German. It is supposed to have been a former Romanian singer, who is an old friend of the director.
At last the Iron Curtain went up and huge wooden statues on the right and left of the stage looked over the crowd. The play began.
I am sure you will excuse me if my report is more concerned with ‚what is going on‘ of the evening than with the given play. There is not much to talk about the story of the opera „Scenes from Goethe’s Faust“. Everyone knows the drama of Johann Wolfgang von Goethe.
Composer Robert Schumann had taken seven scenes from it and put it into music. The text remained original.
This sounds very exciting, but the result is not very convincing.
While you recognized very easily the scenes from Faust Part 1, the scenes from Part 2 after the break remained quite unclear. You could hear the (original) lyrics, but did not understand what the actors did on the stage. There was also the fact that the speaking roles were played by actors, the singing roles were played / sung by singers. So far there were 2 Mephisto, 2 Faust and 2 Gretchen on the stage. While the singers (Roman Trekel as Faust somewhat weak, René Pape as Mephisto and Elsa Dreisig as Gretchen quite strong) convinced, the actors could not.
And another problem came: the mixture of the spoken text and the vocals somehow does not work. While the romantic music of Schumann brings the listener into the stream, the verse of the Goethe text breaks the story every time. The spoken text and the music somehow do not match. They find no harmony. No wonder that the play is almost never played.
Great „Bravo“ for the optics. The stage design by Markus Lüpertz is fantastic. Strong and powerful, the two giants on the left and right site of the stage seem to observe the impulses of the people. Strong also the colors of the walls and the cube, which in certain moments is used as a fictional space. Also the chorus under Martin Wright is as always without reproach.
Conclusion:
A great house, wonderfully restored. Robert Schumann’s Goethe / Faust, however, I consider less successful. Since the house is once again closed after this week, I would wait for the time in December, when the beautiful pieces from the repertoire are resumed in the new house.
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.