100 Jahre Schloss Elmau
Von Karin Jacobs-Zander
15.5.2016
Mit einem hochkarätig besetzten Festprogramm feiert Schloss Elmau vom 12. bis 29. Mai 2016 seinen 100. Geburtstag:
Lisa Batiashvili (Violine), Lynn Harrel (Cello), Christof Prégardien (Tenor), Paolo Fresu (Trompete), Thomas Quasthoff und Max Mutzke (Jazz), Anna Prohaska (Sopran) und Daniil Trifonov (Klavier) sind nur einige der vielen Künstler, die sich und der Elmau die Ehre geben.
Ein Geheimtipp in den bayerischen Bergen ist dieser Ort, der sich der Kultur verschrieben hat, ganz gewiss nicht mehr, seit Schloss Elmau durch den G7 Gipfel der ganz Großen und Mächtigen 2015 bis in den letzten Winkel der Welt berühmt wurde. Angela Merkel und Barack Obama auf der Wiese vor dem Schloss – dieses Foto ging durch die globale Medienwelt.
1916, als Europa gerade dabei war, sich und weite Teile der Welt in Schutt und Asche zu legen, gelang es dem evangelischen Theologen Johannes Müller durch die finanzielle Unterstützung der Gräfin Waldersee ein Schloss in bayerischer Weltabgelegenheit zu bauen. Dort, wo außer ein paar Bergbauern nur selten Menschen gesichtet wurden, schuf der Architekt Carlo Sattler ein einzigartiges Schloss, in dem sich Menschen, so die Idee von Johannes Müller, durch die Verbindung von Natur, Musik, Vorträgen und Gemeinschaftserlebnissen körperlich und seelisch erholen sollten.
1945 begann eine Zeit des Umbruchs. Die „erste Elmau“ war Geschichte. Nach einer Periode, in der das Haus als Sanatorium für „Displaced Persons“ und Überlebende der Shoa diente und die Zukunft des Schlosses äußerst ungewiss war, übernahmen zwei von Johannes Müllers Kindern die Leitung: seine Tochter Sieglinde Mesirca mit ihrem Mann Dr. Odoardo Mesirca genannt Ducci und sein Sohn Bernhard. Vieles blieb im Andenken an den Gründer Johannes Müller (†1949): Nach wie vor legte man Wert auf die „klassenlose Gästegesellschaft“, in der akademische Titel nicht genannt wurden und in der Künstler sich mit den Gästen, den Angestellten und den Helferinnen mischten.
Im Mittelpunkt des kulturellen Programms stand jetzt Kammermusik auf höchstem internationalen Niveau. Ausschlaggebend dafür waren vor allem die „Britisch – Deutschen Musikwochen“ zu Beginn jeden Jahres, maßgeblich von dem Dirigenten Hans Oppenheim beeinflusst und von Sieglinde Mesirca über Jahrzehnte erfolgreich weitergeführt. Jetzt kamen sie alle, die draußen in der Welt bejubelt wurden und so mancher Abend konnte sich mit großen Konzerten in den Weltmetropolen messen: Yehudi Menuhin, Wilhelm Kempff, Ludwig Hoelscher, Benjamin Britten, Peter Pears, Hermann Prey, Peter Schreier, das Amadeus-Quartett und viele andere. Auf der Britisch- Deutschen Musikwoche aufbauend machte Sieglinde Mesirca das Musikgeschehen auf Schloss Elmau ganzjährig zu einem Anziehungspunkt für Musikliebhaber.
Das war die „alte Elmau“ und ich gebe gern zu: ich habe sie geliebt, so wie wohl die meisten Gäste damals. Ja, mehr noch, dieser „alten Elmau“ verdanke ich bleibende Werte und lebenslange Freundschaften.
1997 begann eine neue Ära von Schloss Elmau mit der Übergabe der Leitung an die Enkel-Generation des Gründers. Bernhard Müllers Sohn Dietmar Müller-Elmau pachtete das Schloss, um es mit den Erlösen aus dem Verkauf seiner erfolgreichen Software-Firma „Fidelio“ zu sanieren und als „Cultural Hideaway“ inhaltlich neu zu definieren. Die Auseinandersetzung mit politischen Ideen, modernen Philosophen, gesellschaftskritischen Themen, gegenwärtiger Literatur und die Öffnung der Konzertprogramme hin zu zeitgenössischer Musik, vor allem zum Jazz, schließlich die Abschaffung der traditionellen Tanzabende bereiteten den Weg der Elmau in das 21. Jahrhundert vor.
2005 zerstörte ein Brand 2/3 des Schlosses. Diese Katastrophe schien das Ende der Elmau zu besiegeln.
Doch durch das mutige und entschlossene Handeln von Dietmar Müller-Elmau verwandelte sich das Geschehene in einen Glücksfall: aus den Ruinen des alten Schlosses entstand ein prächtiges, traumschönes Gebilde (Architekt Christoph Sattler, Enkel des ersten Architekten Carlo Sattler), das äußerlich dem alten Schloss sehr ähnelt, dessen Innenleben sich aber durch einen feinen, zurückhaltenden, niemals protzig wirkenden Luxus mit den elegantesten Hotels der Welt messen kann. Aus dem Leitspruch von Johannes Müller „Urlaub vom Ich“ wurde der Zuruf“ „Urlaub zum Ich“: Hier kann jeder nach seiner Facon glücklich werden. Geblieben und in seiner Qualität noch weiter entwickelt wurde das reichhaltige Konzertprogramm, das sich mit Literatur- und Philosophie- Wochen ablöst.
100 Jahre Schloss Elmau zeigen symbolisch an diesem Haus die Wandlungen des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens im vergangenen Jahrhundert, die Veränderung von der Zurückgezogenheit in deutsche Innerlichkeit zu einer weltoffenen, der Zukunft entgegen sehenden Lebenshaltung.
BREAKING NEWS: Mit dem Sänger Jonas Kaufmann und dem Journalisten Thomas Voigt werde ich am 1. Oktober 2016 auf Schloss Elmau ein Podiumsgespräch zum Thema „Wahrhaftigkeit auf der Opern- und Konzertbühne – geht das? “ Eure Karin Jacobs-Zander
Author: Karin Jacobs-Zander
Karin Jacobs-Zander, Dramaturgin und Autorin der Bücher „Lebenslotsen“ und „Wo München am schönsten ist“ aus dem Ellert & Richter Verlag, lebt in München als freie Journalistin