Ai Weiwei and The Ghosts

THE GHOSTS - Schaubühne Berlin © Holger Jacobs

Ai Weiwei and The Ghosts

Von Holger Jacobs

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4.9.2015

Liebe Kulturfreunde,

 

der Abend der Generalprobe von „THE GHOSTS“ am 2. September war von China geprägt: Zunächst ging es in die Philharmonie Berlin, um bei der Auftaktveranstaltung des Internationalen Literaturfestivals dabei zu sein. Eingeladen waren der gerade erst aus China eingereiste weltbekannte Künstler Ai Weiwei (große Retrospektive letztes Jahr im Martin-Gropius-Bau) und der Literaturnobelpreisträger Liao Yiwu, der noch aus der Protestbewegung des Tian’anmen-Platzes in Peking aus dem Juni 1989 stammt. Nachdem Liao Yiwu mehrere Jahre im Gefängnis verbracht hatte, begann er Interviews mit seinen alten Mitstreitern der Widerstandsbewegung zu führen, woraus mehrere Bücher entstanden sind.

Ai Weiwei und Liao Yiwu in der Philharmonie Berlin, Internationales Literaturfestival Berlin © Holger Jacobs

Ai Weiwei und Liao Yiwu in der Philharmonie Berlin, Internationales Literaturfestival Berlin © Holger Jacobs

Ai Weiwei ist bekannt für seine politischen Themen die er in seiner Kunst verarbeitet. 2011 wurde er plötzlich von der Geheimpolizei abgeholt und verschwand für 81 Tage komplett von der Bildfläche. Sozusagen ein staatlich organisiertes Kidnapping. Nicht mal seine Familie wußte von seinem Aufenthaltsort.

 

Der Leiter des Literaturfestivals, Ulrich Schreiber, hatte beide zu einem Podiumsgespräch zusammengebracht. Leider konnte ich nicht lange der Veranstaltung beiwohnen, da um 21.00 Uhr die Generalprobe für “The Ghosts” angesetzt war, der ersten Premiere an der Schaubühne nach der Sommerpause. Wie ich aber später erfuhr, war der Abend nicht sehr ergiebig, da Ai Weiwei überaus vorsichtig antwortete, wohl um keinen Ärger mit seinem Geburtsland zu bekommen.

 

Dann ging es weiter zur Schaubühne Berlin mit dem neuen Stück von Constanza Macras, „THE GHOSTS“:

Wir wissen, dass Intendant Thomas Ostermeier schon immer einen Faible für den Tanz hatte, war doch von 2001 – 2005 die Choreographin Sasha Waltz seine künstlerische Leiterin der Schaubühne Berlin. Und nun wieder ein Tanzstück, kooperiert mit dem zeitgleich stattfindenden “Tanz im August” Festival.

 

Choreographin Constanza Macras, Argentinierin und seit 1996 in der Bundeshauptstadt, hat sich das Thema China gewählt. Sie beleuchtet die heutige Gesellschaft durch die Form der Akrobatik, die in China eine 2000-jährige Tradition hat. Zunächst nur am Hof des Kaisers, später auch für das gesamte Volk, wurden im alten China häufig akrobatische Vorführungen gezeigt. Nach dem Sturz des Kaiserreiches und der Machtübernahme durch Mao Tsedung wurde Akrobatik zur sozialistischen Kunstform erkoren. Die Akrobaten Truppen waren staatlich organisiert mit regelmäßigen Einkommen, Krankenversicherung und kostenloser Unterkunft. Während der Kulturrevolution Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre, verschlechterte sich die Situation der Akrobaten, weil sie plötzlich als revisionistisch und bürgerlich galten. Heute gibt es wieder viele Ausführende, die meisten sind aber gezwungen in Gruppen zusammen mit einem Zirkus durch das Land zu wandern oder in billigen Vergnügungsparks zu arbeiten. Darunter auch viele ehemalige Turn-Champions.

 

Das Geschäft ist hart und viele müssen bereits mit Mitte 20 Jüngeren den Vortritt lassen. Die Älteren versuchen irgendwie zu überleben und werden, einer alten chinesischen Philosophie folgend, zu Geistern, die durch die Gesellschaft schweben und ohne Unterstützung ein unsicheres Dasein fristen. Für Macras ist das eine Art Metapher für den Zustand des heutigen China, mit seinen großen Gewinnern in den Städten und den großen Verlierern auf dem Land. Mit dem Stück “The Ghosts” möchte Macras die Geister wieder zum Leben erwecken. Hierzu nahm sie fünf chinesische Akrobaten, einen chinesischen Musiker und vier Mitglieder ihrer Kompanie und erarbeitete ein Stück, welches theatralische, musikalische und tänzerische Elemente verbindet.

 

Für meinen Geschmack ist es etwas zu viel Akrobatik und etwas zu wenig Theater, aber für das Auge durchaus attraktiv anzuschauen. Besonders die letzte Akrobatik mit einem schwebenden Tisch (durfte leider nicht fotografiert werden) ist beeindruckend.

Nächste Vorstellungen am 5., 7., und 8. September jeweils um 21.00 Uhr.

THE GHOSTS - Constanza Macras - Schaubühne Berlin © Holger Jacobs

THE GHOSTS – Constanza Macras – Schaubühne Berlin © Holger Jacobs

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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