DREI MAL LEBEN im Berliner Ensemble

Drei Mal Leben - Berliner Ensemble - Photo: Bernd Uhlig

DREI MAL LEBEN im Berliner Ensemble

 

Von Friederike Danne

18.01.2020

Wertung: 🙂 🙂 🙂 (drei von fünf)

English text below

Die Neuinszenierung am Berliner Ensemble mit einem herausragenden August Diehl

Die französische Autorin Yasmina Reza ist bekannt als meisterhafte Erzählerin von Alltagserlebnissen zerrütteter Paare. Mit dem ´Gott des Gemetzels´ (im Spielplan des Berliner Ensembles seit mehr als 10 Jahren und unter der Regie Roman Polanskis 2011 auch als Film sehr erfolgreich) hat sie das mehr als bewiesen. Auch andere Ihrer Werke wie ´Kunst´ (Im Programm des BE seit 2017) und ´Bella Figura´ (in der Schaubühne 2015) punkteten mit ironischen Alltagsbetrachtungen.

Entsprechend gespannt ging ich in die Neuproduktion des mittlerweile fast 20 Jahre alten Stücks ´Drei Mal Leben` im Berliner Emsemble.

Der Plot ist kurz erzählt: Ehepaar 1, Sonia und Henri, sie Juristin, er Astrophysiker, verbringen einen genervten Abend im gemeinsamen Wohnzimmer, ständig unterbrochen von dem endlos nicht einschlafenden wollenden Sohn Arnaud. Unangekündigt kommen Besucher, Ehepaar 2, Ines und Hubert, die eigentlich für den Folgeabend eingeplant waren. Hubert ist ein karrierewichtiger profilneurotischer Art Vorgesetzter von Henri und Ines seine alkoholkranke beschäftigungslose Gattin. Beide Paare haben schon für sich genommen ein ziemliches Zerrüttungsstadium erreicht, was durch die Konfrontation miteinander keineswegs besser wird. Erschwerende kommt hinzu, dass statt des geplanten mehrgängigen Menüs nahezu nichts zu Essen im Haus ist, stattdessen aber sehr viel Wein getrunken wird.

Hieraus entwickelt Yasmina Reza drei völlig unterschiedlich verlaufende Versionen des Abend, startend vom Katastrophenszenario mit völliger Auflösung am Ende, über eine nur leicht verzweifelte Variante in der zweiten Version bis hin zur relativ friedlichen und leicht abgeklärten dritten Variante der Geschichte mit einem beinahe Happy End.

Als ich das Buch las, faszinierte mich am meisten die erzählerisch sehr plastisch transportierte Idee, wie sehr unser Lebensglück von unserer Selbstwahrnehmung abhängt und dass nahezu identische Erlebnisse je nach charakterlicher Verfassung  eben als unverschämtes Glück oder eben aber ungerechtes Unglück wahrgenommen werden.

Im BE sind die Paare brilliant besetzt, mit August Diehl (unter vielen anderen bekannt aus Inglorious Bastards) als eitler Fatzke und Macho Hubert, der seine mäuschen-hafte und ständig betrunkener werdende Gattin Ines (Judith Engel, vormals an der Schaubühne) ständig belehrt, wie sie die Welt eigentlich zu verstehen hätte, wenn sie denn nicht zu dumm wäre. Demgegenüber und anfangs leicht als Underdogs auftretenden aber nicht weniger eindrücklich sich gegenseitig mental zerfleischenden Emsemblemitgliedern Constanze Becker und Nico Holonics.

Regisseurin Andrea Breth hat  Erfahrung in der Inszenierung von Beziehungsdramen, schon in ihrer Zeit als Hausregisseurin an der Berliner SchaubĂĽhne, in den 90er Jahren (z.B. „Hedda Gabler“ von Ibsen) sowie zuletzt auch als Opernregisseurin ( „Medea“ an der Staatsoper unter den Linden 2018). Sie setzt auf ein sehr reduziertes BĂĽhnenbild mit nur vereinzelten Sofamöbeln und einem aus dem im Dunkeln bleibenden Off ständig quengelndem Kind. August Diehl alias Hubert lässt den Zuschauern vor allem in seinem Gesicht lesen, zu welchen AbgrĂĽnden von Nonchalance und Abwertung er seiner Ehefrau und seinem quasi Angestellten gegenĂĽber fähig ist. Genauso brillant selbstgefällig versucht er mit je nach Version abnehmendem Erfolg einen sehr aggressiven Flirt mit Sonia anzuzetteln. Unter zunehmendem Alkoholeinfluss nimmt die ZerrĂĽttung ihren Lauf.

Die Dialoge sind brillant und auch gut ausagiert, die non verbalen Aktionen haben aber teilweise Längen und unterstützt durch die Kargheit der Inszenierung legt sich ein bleierner Schleier der Ausweglosigkeit auch über denn Zuschauer, so dass einem das Lachen oft im Halse stecken bleibt und das Quasi Happy End der dritten Version der Geschichte etwas überraschend eintritt.

Fazit: Faszinierendes Werk in einer etwas weniger faszinierenden Inszenierung

„DREI MAL LEBEN“ von Yasmine Reza
Berliner Ensemble
Regie: Andrea Breth, BĂĽhne: Raimund Orfeo Voigt, KostĂĽme: Francoise Clavel
Mit: Nico Holonics, August Diehl, Constanze Becker, Judith Engel

Nächste Vorstellungen: 25., 26. Januar, 14., 15. und 16. Februar 2020

7 Photos: Berliner Ensemble, DREI MAL LEBEN, Darsteller: Constanze Becker, Nico Holonics, Judith Engel, August Diehl, Photo: Bernd Uhlig

English text

Drei Mal Leben at Berliner Ensemble
By Friederike Danne
01/18/2020
Rating: 🙂 🙂 🙂 (three out of five)

The new production in the Berliner Ensemble with an outstanding August Diehl
The French author Yasmina Reza is known as a masterful narrator of everyday experiences of broken couples. With the ‚Carnage‘ (on the Berlin Ensemble’s schedule for more than 10 years and also very successful as a film under the direction of Roman Polanskis 2011), she has more than proven that. Other of her works such as ´Art´ (in the program of the BE since 2017) and ´Bella Figura´ (in the SchaubĂĽhne 2015) also scored with ironic everyday considerations.
So I went into the new production of the now almost 20-year-old piece ´Drei Mal Leben` in the Berlin Emsemble.
The plot is briefly told: couple 1, Sonia and Henri, she lawyer, he astrophysicist, spend an annoying evening in the common living room, constantly interrupted by the endlessly wanting son Arnaud.
Visitors, couple 2, Ines and Hubert, who were actually scheduled for the following evening, come unannounced. Hubert is a career-important profile-neurotic type superior of Henri and Ines his alcoholic unemployed wife.
Both pairs have already reached quite a stage of disintegration, which does not improve by the confrontation with each other. To make matters worse, there is almost nothing to eat in the house, but instead a lot of wine is drunk.
From this, Yasmina Reza developed three completely different versions of the evening, starting from the disaster scenario with complete resolution at the end, through a slightly desperate variant in the second version to the relatively peaceful and easily clarified third variant of the story with an almost happy ending.
When I read the book, what fascinated me most was the narrative, very vividly conveyed idea of ​​how much our happiness in life depends on our self-perception and that almost identical experiences are perceived as outrageous happiness or unjust misfortune.

In the BE, the couples are brilliantly cast, with August Diehl (known among many others from the movie by Quentin Tarantino „Inglorious Bastards“) as a vain rooster and Macho Hubert, who constantly instructs his drunken wife Ines (Judith Engel, formerly at the SchaubĂĽhne), how she should understand the world if she weren’t too stupid.
In contrast, and at the beginning slightly underdogs, but no less impressively mentally tearing each other apart, the Berliner Ensemble  members Constanze Becker and Nico Holonics.
Director Andrea Breth has experience in staging relationship dramas, already in her time as a house director at the Berlin SchaubĂĽhne, in the 90s (for example „Hedda Gabler“ by Ibsen) and most recently as an opera director („Medea“ at the Staatsoper unter den Linden in 2018).
She relies on a very reduced set design with only occasional sofa furniture and a child who is constantly complaining about the darkness in the off.
August Diehl alias Hubert lets the audience read, especially on his face, what abyss of nonchalance and devaluation he is capable of his wife and his quasi employee.
Just as brilliantly complacent, he tries to instigate a very aggressive flirt with Sonia, depending on the version. With increasing alcohol influence, the disruption takes its course.
The dialogues are brilliant and well acted out, but the non-verbal actions are sometimes lengthy and supported by the sparseness of the staging, a leaden veil of hopelessness also covers the audience, so that the laughter often gets stuck in the throat and the quasi happy ending of the third version of the story is somewhat surprising.
Conclusion: Fascinating work in a somewhat less fascinating staging
„DREI MAL LEBEN“ by Yasmine Reza
Berliner Ensemble
Director: Andrea Breth, stage design: Raimund Orfeo Voigt, costumes: Francoise Clavel
With: Nico Holonics, August Diehl, Constanze Becker, Judith Engel
Next performances: January 25th, 26th, February 14th, 15th and 16th, 2020

Author: Friederike Danne

Dr. Friederike Danne arbeitet als Kinderärztin im Krankenhaus Charité in Berlin.

Cookies help us deliver our services. By using our services, you agree to our use of cookies.