Gerhard Richter – 100 Werke für Berlin

Tante Marianne - Aladin - Gerhard Richter © kultur24.berlin

Gerhard Richter – 100 Werke für Berlin

 

Von Holger Jacobs

01.04.2023

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)

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Eine Dauerleihgabe von Einhundert Arbeiten des Künstlers Gerhard Richter an die Nationalgalerie

Anlässlich des zukünftigen Museums des 20. Jahrhunderts (die Eröffnung des umstrittenen Neubaus der Architekten HERZOG & DE MEURON am Kulturforum ist für 2026 vorgesehen) hat im Jahre 2021 GERHARD RICHTER angekündigt, 100 seiner Werke der Berliner Nationalgalerie als Dauerleihgabe zu überlassen.

Doch bereits ab heute können die Berlinerinnen und Berliner und alle kunstinteressierten Gäste aus der ganzen Welt einen Großteil dieses Konvoluts ansehen.

41 Bilder und Spiegel, sowie 20 sogenannte „Übermalte Fotografien“ und 31 Farbskizzen sind in der Ausstellung „100 Werke für Berlin“ im Grafischen Kabinett der Neuen Nationalgalerie zu bewundern. Gerade über die Ostertage 2023 ein wunderbarer Anlaufpunkt um sich großartige Kunst anzusehen.

Die Werke kommen aus allen Schaffensperioden von GERHARD RICHTR, seit er 1961 von der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt ist.

Darunter natürlich auch das berühmte „Tante Marianne“ (siehe Titelfoto) von 1965, welches seine Tante MARIANNE SCHÖNFELDER zeigt, die im Rahmen des Euthanasie-Programms „Aktion Brandt“, von nationalsozialistischen Ärzten noch im Jahre 1945 ermordet wurde. Wie GERHARD RICHTER später erfahren musste, war sogar sein eigener Schwiegervater, Heinrich Eufinger, der Vater seiner ersten Frau EMA, einer der Mitverantwortlichen für diese grausame Tat.
Für mich gehört „Tante Marianne“ deshalb zu den wichtigsten Arbeiten, die Gerhard Richter in seinem Leben gemacht hat – inhaltlich wie künstlerisch.

Der Regisseur FLORIAN VON DONNERSMARCK nahm diese Geschichte zum Anlass, daraus 2018 einen, wie ich finde, überaus interessanten Film zu machen: „Werk ohne Autor“.
Darin erzählt von Donnersmarck die zwar fiktive, aber doch sehr an das Leben von Richter angelehnte Geschichte des Künstlers Kurt Barnert (TOM SCHILLING), der kurz vor dem Mauerbau aus der DDR in die BRD flüchtet und Kunststudent an der Düsseldorfer Kunsthochschule unter JOSEPH BEUYS wird. Und der durch Zufall dahinter kommt, dass der Vater seiner Frau Ema (PAULA BEER), Prof. Carl Seeband (SEBASTIAN KOCH), zur Nazi-Zeit seine Tante Elisabeth (SASKIA ROSENDAHL) wegen angeblicher Schizophrenie in die Gaskammer geschickt hat.

Wer einen Einblick in das Leben und Werk GERHARD RICHTERS haben möchte, der sollte sich diesen Film unbedingt ansehen. Besonders die Zeit an der Kunsthochschule in Düsseldorf und die Suche nach einem individuellen, unverwechselbaren Stil, den man als Künstler natürlich haben muss, ist sowohl wahnsinnig komisch als auch sehr erhellend. Vor allem, wenn ein Künstler bemerkt, dass um einen herum keiner mehr malt, man selber aber nichts Anderes kann…?

Weitere wichtige Arbeiten aus GERHARD RICHTERS Gesamtwerk sind natürlich die „Abstrakten Bilder“, die seit 1976 entstanden sind.

Gerhard Richter mit einer seiner „Abstrakten Bilder“, 2017, Dresden, ph: Davis Pinzer

Nachdem GERHARD RICHTER sich zunächst Mitte den 60er Jahren darauf konzentriert hatte in Zeitungen gefundene Fotos abzumalen und in leicht verschwommener Art in verschiedenen Grautönen neu darzustellen, hatte er Ende der 60er Jahre begonnen sich intensiv mit Farbe auseinander zu setzen.
Zunächst malte er Farbpalletten, wie man sie in Kunstbedarfsläden findet. Dann vergrößerte er die Farbfelder und verlieh ihnen selbstgewählte Farben. Einer der letzten dieser Reihe aus dem Jahr 2007 ist „4900 Farben“ ist nun ein Teil der Leihgabe und zeigt in einem wandgroßen Format 4900 Farbfelder – und das gleich auf drei Leinwänden nebeneinander!

Besonders hervorheben möchte ich noch drei weitere Arbeiten aus dieser Ausstellung:

  1. Der „Birkenau-Zyklus“, der aus vier großformatigen, abstrakten Bilder besteht, die ursprünglich nach Fotografien gemalte Bilder des Konzentrationslagers Ausschwitz-Birkenau zeigen sollten. Doch letztlich entschied GERHARD RICHTER, diese realen Bilder zu übermalen und eine rein abstrakte Landschaft in Grau und Schwarz darzustellen. Diesen vier Bildern gegenüber ist in der Ausstellung ein 10 Meter langer Spiegel angebracht, in dem sich der Zuschauer spiegelt, während er die „Birkenau“-Bilder betrachtet – stark!
  2. Das Bild „Strip“ gleich am Anfang, welches einen 10 Meter langen digitalen Fotodruck aus Farbstreifen zeigt. Es ist Gerhard Richters kurzzeitige Hinwendung zum Computerzeitalter.
  3. Die „Übermalten Bilder“. Seit Mitte der 90er Jahre arbeitete Gerhard Richter neben seinen riesigen, wandgroßen Gemälden auch mit Klein- bis Kleinstformaten. Dabei nahm er fotografische Abzüge in der damals üblichen Größe 10 x 15 cm von privaten Fotos aus Urlaub, Spaziergängen und Freizeitgestaltung und begann sie teilweise zu übermalen. Daraus ist eine ganze Serie von 10 x 15 cm großen Arbeiten entstanden, die ein Mittelding sind zwischen Fotografie und Malerei.
    Ganz in der Tradition GERHARD RICHTERS!

„100 Werke für Berlin“
Neue Nationalgalerie am Kulturforum
Staatliche Museen zu Berlin
Vom 1. April 2023 bis zur Eröffnung des Museums des 20. Jahrhunderts 2026
Di – Mi 10 – 18 Uhr, Do – 20 Uhr, Fr – So 10 – 18 Uhr

Bilderserie mit 24 Fotos der Werke von Gerhard Richter in der Neuen Nationalgalerie:

„4900 Farben“, Gerhard Richter, Neue Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

english

 

Gerhard Richter – 100 works for Berlin

 

By Holger Jacobs


03/31/2023

Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 (four of five)

A permanent loan of one hundred works by the artist Gerhard Richter to the National Gallery

On the occasion of the future Museum of the 20th Century (the opening of the controversial new building by the architects HERZOG & DE MEURON at the Kulturforum is scheduled for 2026), GERHARD RICHTER announced in 2021 that he would give 100 of his works to the Berlin National Gallery on permanent loan.
But as of today, Berliners and all guests interested in art from all over the world can view a large part of this collection.

Gerhard Richter mit einer seiner „Abstrakten Bilder“, 2017, Dresden, ph: Davis Pinzer

41 pictures and mirrors, as well as 20 so-called „overpainted photographs“ and 31 color sketches can be admired in the exhibition „100 Works for Berlin“ in the Graphic Cabinet of the New National Gallery.
Especially over the Easter days 2023 a wonderful starting point to see great art.
The works come from all of GERHARD RICHTER’S creative periods since he moved from the former GDR to the Federal Republic in 1961.
Including, of course, the famous „Aunt Marianne“ from 1965, which shows his aunt Marianne Schönfelder, who was murdered by National Socialist doctors in 1945 as part of the „Operation Brandt“ euthanasia program.
As GERHARD RICHTER found out later, even his own father-in-law, Heinrich Eufinger, the father of his first wife EMA, was one of those responsible for this cruel act.
For me, „Aunt Marianne“ is therefore one of the most important works that GERHARD RICHTER made in his life – in terms of both content and art.

The movie director FLORIAN VON DONNERSMARCK took this story as an opportunity to make an extremely interesting film from it in 2018: „Werk ohne Autor“.
In the movie, von Donnersmarck tells the story of the artist Kurt Barnert (Tom Schilling), who flees from the GDR to the FRG shortly before the Wall is built and becomes an art student at the Düsseldorf Art Academy under Joseph Beuys.
And who accidentally discovers that the father of his wife Ema (PAULA BEER), Prof. Carl Seeband (SEBASTIAN KOCH), sent his aunt Elisabeth (SASKIA ROSENDAHL) to the gas chambers during the Nazi era because of alleged schizophrenia.
If you want an insight look into the life and work of GERHARD RICHTER, you should definitely see this movie. Especially the time at the art academy in Düsseldorf and the search for an individual, unmistakable style, which you naturally have to have as an artist, is both incredibly funny and enlightening.
Especially when an artist notices that nobody around him is painting (instead of performances, happenings, concept art) anymore, but you can’t do anything else yourself…?

Other important works from GERHARD RICHTER oeuvre in the exhibition are of course the „Abstract Pictures“, which have been created since 1976.
After RICHTER had initially concentrated on copying photos found in newspapers and re-presenting them in different shades of gray in a slightly blurred way, he began to deal intensively with color at the end of the 1960s. At first he painted color palettes like those found in art supply stores.
Then he enlarged the color fields and gave them colors of his own choosing.
One of the last of this series from 2007 is “4900 Colors” which is now part of the loan and shows 4900 color fields in a wall-sized format – on three screens next to each other.

I would particularly like to highlight three other works from this exhibition:

1. The „Birkenau Cycle“, which consists of four large-format, abstract paintings that were originally intended to show pictures of the Auschwitz-Birkenau concentration camp painted from photographs. But in the end GERHARD RICHTER decided to paint over these real images and depict a purely abstract landscape in gray and black. On the other hand, a 10 meter long mirror is installed in the exhibition, in which the viewer is reflected while looking at the „Birkenau“ pictures – very impressive!
2. The picture „Strip“ right at the beginning, which shows a 10 meter long digital photo print made of color strips. It is GERHARD RICHTER’S brief turn to the computer age.
3. The „Painted over Pictures“. Since the mid-1990s, GERHARD RICHTER has been working not only with his huge, wall-sized paintings, but also with small to very small formats. He took photographic prints of private photos from vacation, walks and leisure activities in the then usual size of 10 x 15 cm and began to partially paint over them. This resulted in a whole series of 10 x 15 cm works that are somewhere between photography and painting. In the tradition of GERHARD RICHTER!

„100 Works for Berlin“
Neue Nationalgalerie at the Kulturforum
Staatliche Museen zu Berlin
April 1, 2023 until the opening of the Museum of the 20th Century 2026
Tue – Wed 10 a.m. – 6 p.m., Thu – 8 p.m., Fri – Sun 10 a.m. – 6 p.m

Picture series with 24 photos of the works in the exhibition:

„4900 Farben“, Gerhard Richter, Neue Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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