Die neuen Filme im Kino: „TÁR“ mit Cate Blanchett
Von Holger Jacobs
23.03.2023
Wertung: 🙂 🙂 🙂 (drei von vier)
Eine One-Woman-Show für Cate Blanchett
Wir alle bewundern die australische Schauspielerin CATE BLANCHETT für ihre besondere Ausstrahlung und ihr ausdrucksstarkes Spiel.
Ob als Königin ELISABETH I. von England in dem Film „Elizabeth“ von 1998 (erste Oscar-Nominierung), als Elbenherrscherin Galadrie in „Herr der Ringe“ 2001, als KATHERINE HEPBURN in „Aviator“ 2004 (Oscar für die beste weibliche Nebenrolle), als böse russische Agentin in „Indiana Jones – Der Kristallschädel“ von 2008 und im selben Jahr in dem wunderbaren Film „Der seltsame Fall des Benjamin Button“. Dann 2014 der Oscar für die beste weibliche Hauptrolle in WOODY ALLENS „Blue Jasmine“.
Dabei kam sie auch immer wieder gerne nach Deutschland. 2010 erlebte ich sie als unerkannte Zuschauerin bei einer Theateraufführung der „Dreigroschenoper“ in einer Inszenierung von Robert Wilson im Berliner Ensemble (siehe Foto).
Auch CATE BLANCHETTS neuster Film „TÁR“ spielt fast ausschließlich in Deutschland (5,2 Millionen Euro von der Deutschen Filmförderung), davon überwiegend in Dresden (im Konzertsaal des Kulturpalastes mit den Dresdner Philharmonikern) und in Berlin, wo ich sie abermals 2021 am Pool des Soho Houses traf.
Handlung
Der Film „TÁR“ zeigt den Höhepunkt und den tiefen Fall der gefeierten Star-Dirigentin LYDIA TÁR, die als Chefdirigentin der (vermutlich) Berliner Philharmoniker hier in Berlin die 5. Sinfonie von Gustav Mahler einstudiert, welches den Höhepunkt aller Einspielungen der von ihr dirigierten Mahler-Sinfonien darstellen soll.
Im Laufe des Films sieht der Zuschauer aber, wie diese „Maestra“ LYDIA TÁR nicht nur eine brilliante Künstlerin, sondern auch eine notorische Manipulatorin ist, die selbst vor Machtmissbrauch durch ihre hervorgehobene Position nicht zurückschreckt.
So schafft sie es, dass die neue, noch völlig unbekannte Cellistin Olga (Sophie Kauer), in die sie sich trotz langjähriger Beziehung zu ihrer Ehefrau Sharon (Nina Hoss) verliebt, einen Solopart bei einem Cello-Konzert von Edgar Elgar im Beiprogramm zur 5. Sinfonie von Mahler bekommt.
Als sich LYDIA TÁRS frühere Geliebte KRISTA (ebenfalls Cellistin) umbringt, nachdem sie von ihr plötzlich fallen gelassen wurde und Lydia Tár daraufhin von den Eltern von KRISTA in den USA wegen Machtmissbrauch angeklagt wird, bricht das Kartenhaus der „Maestra“ zusammen. Ihre Karriere endet schließlich in Asien als Leiterin eines Orchesters für Videospiel-Hintergrundmusik.
Mein Video vom Roten Teppich bei der BERLINALE im Februar 2023:
Kritik
Der amerikanisch Regisseur TODD FIELD hat bisher nur wenige Spielfilme realisiert, die aber alle große Beachtung bei Cineasten fanden.
Schon sein erster Film „In the Bedroom“ von 2002 bekam fünf Oscar-Nominierungen. Der 2006 gedrehte „Little Children“ mit KATE WINSLET erhielt drei Oscar-Nominierungen.
Nach jetzt weiteren 15 Jahren nun sein dritter Langfilm, den er nach eigener Aussage nicht gedreht hätte, wenn CATE BLANCHETT nicht für die Hauptrolle zugesagt hätte.
Und so dreht sich in „TÁR“ auch 158 Minuten alles um die Hauptperson LYDIA TÁR gespielt von CATE BLANCHETT, die die typische Rolle einer Persönlichkeit darstellt, die ein übersteigertes Selbstbewusstsein hat und sich Dank ihrer Bekanntheit und Berühmtheit für unantastbar hält.
Und sich dabei alles erlaubt, was sie gerade möchte. Ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer.
Dabei fallen einem schnell Assoziationen zu ähnlichen Fällen in der jüngeren Vergangenheit ein, bei denen aber ausschließlich Männer ihre Machtpositionen ausspielen, um ihre Umgebung zu manipulieren und um junge Frauen sexuell zu bedrängen, wie der legendäre HARVEY WEINSTEIN oder der ehemalige Chef des Senders Fox News, ROBERT AILES.
Worauf sich 2017 weltweit die #MeToo-Bewegung bildete.
Was Regisseur TODD FIELD schafft ist zu zeigen, wie Machtmissbrauch funktioniert – egal ob durch einen Mann oder eine Frau ausgeführt.
Dass dies Phänomen überwiegend nur bei Männern zu beobachten ist liegt sicher daran, dass in unserer Gesellschaft solche Machtpositionen bis heute überwiegend von Männern besetzt sind.
Der Film von TODD FIELD ist eine sehr gut geschriebene Geschichte (Drehbuch ebenfalls TODD FIELD), aber wird auf Grund der Spiellänge zu langatmig und verstrickt sich in zu viele Nebenhandlungen (zwischendurch meint LYDIA TÁR verrückt zu werden, da sie nachts merkwürdige Geräusche hört).
Auch wird mir die Präsenz von CATE BLANCHETT doch auf die Dauer zu viel, selbst wenn sie hervorragend spielt (Preis für die beste weibliche Hauptrolle bei den Filmfestspielen in Venedig 2022, Gewinn des Golden Globe 2023 und des BAFTA 2023). Der Zuschauer sieht fast nur sie in jeder neuen Einstellung, was mich dann doch sehr ermüdet hat.
Fazit: Eine spannende Geschichte über Machtmissbrauch in der Welt der Hochkultur, aber auf die Dauer ermüdend. Vorkenntnisse über Klassische Musik sind hilfreich, aber nicht Voraussetzung.
Bilderserie mit 10 Fotos aus „TÁR“:
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.