Glanz und Elend in der Weimarer Republik
Von Christiane von Zitzewitz
1.11.2017
Die Ausstellung „Glanz und Elend in der Weimarer Republik – Von Otto Dix bis Jeanne Mammen“ in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt – bis 25. Februar 2018
Die richtige Ausstellung zur rechten Zeit könnte man fast sagen, wenn auch der Vergleich der aktuellen politischen Verhältnisse mit denen der Weimarer Zeit hinke, so Philipp Demandt, Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt, in seiner Eröffnungsrede, doch was hinke, das geht!
Soziale Spannungen, politische Kämpfe, gesellschaftliche Umbrüche charakterisierten die Weimarer Republik und mit ihr die Kunst dieser Jahre. Nach der Abstraktion und der Vergeistigung des Expressionismus kam nach dem Ersten Weltkrieg der Wunsch nach einer realistischeren Darstellung der unmittelbaren Gegenwart auf. Nie war Kunst so politisch wie zwischen 1918 und 1933. Direkte, ironische, wütende, anklagende und oftmals auch prophetische Werke verdeutlichen den zähen Kampf um die Demokratie, das „fragilste aller Systeme“, so Demandt. Die Probleme der Zeit bewegten viele Künstler zu einer schonungslosen Spiegelung der Wirklichkeit und des Alltags, fern jeglicher Verklärung des Naturalismus. Das Grauen des Ersten Weltkriegs hatte letzte Illusionen zerstört und zum Vorschein kam das hässliche Gesicht eines Nachkriegs Deutschland mit 1,5 Millionen Kriegsversehrten auf den Straßen, die um ihr tägliches Brot betteln mussten, einer geradezu hemmungslosen Vergnügungsindustrie, zynischen Kriegsgewinnlern und ausgebeuteten Prostituierten, alle gefangen in einem ewigen Kreislauf zwischen Dekadenz auf der einen und wirtschaftlichen Abgründen und politischen Unruhen auf der anderen Seite. Die Gegensätze konnten kaum größer sein, was sich in höchst eindrucksvoller Weise in den rund 200 Werken der ausgestellten 62 Künstlerinnen und Künstler manifestiert.
Zum Thema 20er Jahre gibt es in Deutschland zurzeit mehrere Ausstellungen („Jeanne Mammen“ in der Berlinischen Galerie) und auch den Film „Babylon Berlin“ der Regisseure Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten. Leider nur auf Sky zu sehen. Erst nächsten Herbst auf ARD. Hier schon ein paar Bilder des Films:
So tritt uns eine Epoche am seidenen Faden der Demokratie vor Augen, eine Zeit die uns vielleicht in mancher Hinsicht näher ist, als wir glauben wollen“, so Philipp Demandt.
Für die Kuratorin, Dr. Ingrid Pfeiffer, geht es bei dieser Ausstellung nicht um eine Stilgeschichte der Neuen Sachlichkeit, das wäre ihr zu eindimensional, sondern sie reizte insbesondere der Begriff des Verismus, einer durchaus eigenständigen Bewegung innerhalb des Genres der Neuen Sachlichkeit. Dessen Vertreter haben sich unmittelbar mit ihrer Zeit auseinandergesetzt und sich der objektiven Darstellung der neuen sozialen Wirklichkeit verschrieben.
Gemäß diesem Anspruch ist auch die Ausstellung entsprechend in verschiedene Themengebiete aufgegliedert, was dem Betrachter in Kombination mit den aufschlussreichen Wandtexten ein gelungenes Gesamtbild der wahrlich nicht immer Goldenen Zwanziger vermittelt.
Von Kunst und Politik, Vergnügungsindustrie, Prostitution als wachsendes gesellschaftliches Phänomen, Die neue Frau über Paragraph 175 und 218 bis hin zu der Gegenüberstellung Stadt-Land-Industrie, Soziale Themen und schließlich Sport in der Weimarer Republik geht das Spektrum dieser Ausstellung.
Die, wie Philipp Demandt so treffend bemerkte, „keine leichte Ausstellung ist, nach deren Besichtigung man pfeifend durch Frankfurt laufe“, sondern die, so die Kuratorin, den Betrachter auffordere die Bilder „ lesen zu lernen“.
„Glanz und Elend in der Weimarer Republik“
27.10.2017 – 25.02.2018
Schirn Kunsthalle Frankfurt
Römerberg
D-60311 Frankfurt am Main
Di – Fr 10 – 19 Uhr, Mi, Do – 22 Uhr
„Splendor and misery in the Weimar Republic – From Otto Dix to Jeanne Mammen“ – Exhibition at Schirn Kunsthalle Frankfurt – through 25th Febr. 2018.
The right exhibition at the right time could almost be said, even if the comparison of the current political situation with those of the Weimar period isn’t really correct, so Philipp Demandt, director of the Schirn Kunsthalle Frankfurt, in his opening speech, but what hinke, that works!
Social tensions, political struggles, social upheavals characterized the Weimar Republic and with it the art of these years. After the abstraction and spiritualization of the Expressionism, after the First World War, the desire for a more realistic representation of the immediate present emerged. Art was never as political as it was between 1918 and 1933. Direct, ironic, furious, accusatory, and often prophetic works illustrate the tough struggle for democracy, the „most fragile of systems,“ according to Demandt. The problems of the time moved many artists to a ruthless reflection of reality and everyday life, far from any transfiguration of naturalism. The horrors of the First World War had destroyed last illusions and revealed the ugly face of a postwar Germany with 1.5 million war veterans on the streets, who had to beg for their daily bread, an almost unrestrained amusement industry, cynical war profiteers and exploited prostitutes, all trapped in an eternal cycle between decadence on the one hand and economic chasms and political unrest on the other. The contrasts could hardly have been greater, which manifests itself most impressively in the approximately 200 works of the 62 artists exhibited.
Thus an epoch appears before us by the thread of democracy, a time perhaps closer to us in some ways than we would like to believe, „says Philipp Demandt.
For the curator, Dr. Ingrid Pfeiffer, this exhibition is not about a style history of the Neue Sachlichkeit (New Objectivity), that would be too one-dimensional, but in particular it appealed to the concept of verism, a quite independent movement within the genre of New Objectivity. Its representatives have dealt directly with their time and devoted themselves to the objective presentation of the new social reality.
According to this claim, the exhibition is also subdivided into various subject areas, which, in combination with the revealing wall texts, conveys to the viewer a successful overall picture of the truly not always golden twenties.
From art and politics, amusement industry, prostitution as a growing social phenomenon, The New Woman on paragraphs 175 and 218 to the juxtaposition of urban-rural industry, social issues and finally sport in the Weimar Republic, the spectrum of this exhibition goes.
Which, as Philipp Demandt so aptly remarked, „is not an easy exhibition, after whose visit one runs whistling through Frankfurt,“ but, according to the curator, invites the observer to „read the pictures“.
„Splendor and misery in the Weimar Republic“
27.10.2017 – 25.02.2018
Schirn Kunsthalle Frankfurt
Römerberg
D-60311 Frankfurt
Tue – Fri 10am – 7pm, Wed, Thu – 10pm
Author: Christiane von Zitzewitz
Journalistin und Buchhändlerin