Liebeslügen oder Treue ist auch keine Lösung
Von Julia Engelbrecht-Schnür
Korrespondentin in Hamburg
24.3.2016
Ildikó von Kürthy ist eine erfolgreiche Autorin. Ihre Romane über das Frausein und ihre Selbststudien über das Muttersein oder das Botoxen erreichen eine Gesamtauflage von mehr als 6 Millionen Exemplaren und werden in viele Sprachen übersetzt. Hut ab. Aber was sich so amüsant und verschämt zuhause auf dem Sofa oder in der S-Bahn wegschmökern lässt, hat auf der Bühne nur halb so viel Unterhaltungswert. Ihr erstes Theaterstück „Liebeslügen oder Treue ist auch keine Lösung“ wurde nun am Ernst Deutsch Theater uraufgeführt.
Es geht um drei vermeintlich beste Freundinnen, die sich über Ehe, Männer, Sex und die Vorzüge des Fremdgehens die Köpfe heiß reden. „Dass Männer kommen ist nicht schwer, dass sie bleiben dagegen sehr“ oder „Entweder hast Du Skrupel oder Spaß“ tönt es von der Bühne. Die Kürthy-Fans, vorwiegend Zuschauerinnen mit engen Hosen, hohen Stiefeletten und toupierten Hinterköpfen, johlen vor Zustimmung. Bei den Worten Klitoris, Schwanz und Ficken räuspert sich die ältere Dame mit der Brosche am Revers und dem Theater-Abo neben mir. Die Situation erinnert mich an den missglückten Versuch einer Freundin, ihrer Mutter in form eines gemütlichen Fernsehabends den Zauber von „Sex in the City“ nahe zu bringen.
Ähnlich wie in der erfolgreichen US-Serie ist die blonde Nathalie sexsüchtig und böse, die verheiratete Julia weltfremd und romantisch und die frustrierte Birgit realistisch und verhärmt. Zunächst. Denn was sich im Verlauf des Stücks entpuppt, hat fast shakespearehafte Züge, die Grenzen der einzelnen Rollen lösen sich auf und die schonungslose Demaskierung der drei Freundinnen gerät in einen Strudel. Eine nach der anderen lässt ihre emotionalen Hosen herunter, gesteht Fehltritte, moralische Abgründe, wahre Absichten, Versagen und Ängste.
Wie in einem Poetry Slam, reiht Ildiko von Kürthy in ihrem Bühnenerstling routiniert feministische Verbalkapriolen aneinander. Nur schade, dass sie ihre Figuren nicht mit mehr sozialen Futter ausstaffiert, wie sie es sonst mit den Protagonistinnen ihrer Romane tut, die man irgendwo zwischen Eppendorf, Schanze und Sylt verortet. Diffus ist auch das Bühnenbild. Was soll der Sandhaufen samt Förmchen, den eine riesige Sofagarnitur umschließt. Handelt es sich hier um das Wohnzimmer einer der Freundinnen? Aber warum hat Julia dann einen Picknickkorb dabei. Und wieso zahlt die andere eine Rechnung beim Kellner?
Egal. Anhänger der Kürthy-Romane hinterfragen derartiges Beiwerk nicht. Sie wollen unterhalten werden – und sorgen zuweilen selbst dafür, dass das gelingt.
Ernst Deutsch Theater, Regie: Andreas Kaufmann, Ensemble: Anke Fiedler, Caroline Kiesewetter, Jasmin Wagner, Ausstattung: Tom Schenk
Das Stück wird gespielt en suite bis zum 20. April 2016 (außer am 4. und 13. April), jeweils um 19.30 Uhr, Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, 22087 Hamburg
Author: Julia Engelbrecht-Schnür
Journalistin