Messa Da Requiem von Verdi vom Staatsballett Berlin

Messa Da Requiem - Staatsballett Berlin - photo: Serghei Gherciu

Messa Da Requiem von Verdi vom Staatsballett Berlin

 

Von Holger Jacobs

15.04.2023

for english text click here

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 🙂 (fünf von fünf)

Erfolgreicher Einstand für den neuen Intendanten Christian Spuck mit seiner  Choreographie nach Verdis Requiem.

Die Querelen am Staatsballett Berlin (kultur24 berichtete) haben nun ein Ende, nachdem ein neuer Direktor fĂĽr das Ensemble gefunden wurde.
Seit Anfang letzten Jahres steht bereits fest, dass der bisherige Ballett-Chef des Opernhauses ZĂĽrich, CHRISTIAN SPUCK, in diesem Sommer nach Berlin wechselt.
Mit seiner noch in Zürich 2016 entstandenen Choreographie „Messa Da Requiem“ gab er gestern Abend sein Debut hier Berlin und dass mit großem Erfolg: Standing Ovations nach einem berauschenden Abend mit der wundervollen Musik von GUISEPPE VERDI.

Seit Januar liefen die Proben zu dieser Neuproduktion, die CHRISTIAN SPUCK nun mit dem Staatsballett Berlin einstudieren wollte, um seine vielleicht erfolgreichste Choreographie an sein neues Haus weiterzugeben.

Christian Spuck, Jahrespressekonferenz 28.03.2023, ph: Holger Jacobs

Messa Da Requiem

Dieses große Werk, vom genialen Opernkomponisten GUISEPPE VERDI 1874 verfasst und von seinen Fans häufig auch „Verdis beste Oper“ genannt, war ursprünglich vom Meister als Totenmesse für seinen verehrten Kollegen ROSSINI im Jahre 1968 geschrieben worden. Zusammen mit weiteren Komponisten wollte VERDI eine gemeinschaftliche Arbeit für den geschätzten Musiker realisieren, aber dazu kam es nie.
Ein paar Jahre später nahm VERDI seine ursprüngliche Komposition wieder auf, vervollständigte sie und bot sie der Stadt Mailand als Totenmesse für den verstorbenen Dichter MANZONI an.
Und so kam es 1874 zur Uraufführung der „Messa Da Requiem“ in der Kirche San Marco in Mailand.
Schnell sprach sich der hohe musikalische Wert der Komposition herum und bald wurde das Werk auch in Paris, London und Wien aufgeführt. Und nun nicht mehr nur in Kirchen, sondern auch in Opernhäusern und Konzertsälen.
Mit vier Solostimmen – Bass, Tenor, Sopran und Mezzosopran – sowie groĂźem Orchester und groĂźem Chor.
Bei dem Libretto von „Messa Da Requiem“ handelt es sich um die römisch-katholische Liturgie eines Totengottesdienstes.
VERDI gliederte es in sieben Sequenzen, wovon die berühmteste die 2. Sequenz „Dies irae“ wurde, das mit gewaltigem Trommeleinsatz und einem Chor in fortissimo die Zuschauer von den Stühlen fegt. Sogar im Film wurde es mehrfach als Spannungssteigerung eingesetzt, wie z.B. im Film „Django Unchained“ von QUENTIN TARANTINO im Jahre 2012.

Seht dazu auch unseren Video-Trailer auf kultur24 TV:

Kritik

Ein Musikdrama in (körperliche) Bewegung umzusetzen ist für einen Ballett-Choreographen auf der einen Seite sicherlich faszinierend, auf der anderen Seite aber auch eine große Herausforderung. Vor allem, wenn es sich dabei um eine Totenmesse handelt. Will man da nur wandelnde Leichen zeigen, so eine Art Zombie- Choreographie?
Nein, natĂĽrlich nicht. Das muss schon etwas subtiler gehen.

Choreograph CHRISTIAN SPUCK, Schüler der JOHN CRANKO Ballett Akademie in Stuttgart, ließ sich durch seinen Bühnenbildner CHRISTIAN SCHMIDT einen großen rechteckigen Raum mit grauen Wänden bauen. Der Boden ist überseht mit schwarzer Asche.
Die Kostüme (EMMA RYOTT) sind für die Ensemble-Tänzer und den Chor durchgehend schwarz, die Solotänzerinnen tragen Oberschenkel-lange, halb durchsichtige Tops und schwarze Höschen. Nur Primaballerina POLINA SEMIONOVA trägt bei ihrem Pas de deux im 5. Teil „Agnus Dei“ ein klassisches, langes Kleid mit Anklängen an die große Dame des Ausdruckstanzes, MARTHA GRAHAM.
Die Männer tragen schwarze Anzüge ohne Hemd oder schwarze Hosen mit erdfarbenem Shirt.
Die Bühne wird von oben dermaßen schwach beleuchtet, dass, zumal von weiter entfernten Zuschauerrängen, Details kaum mehr zu erkennen sind. Licht-Meister MARTIN GEBHARDT hätte hier gerne 10 oder 20 Lux mehr hinzufügen können, ohne die Gesamtstimmung zu verändern.
Interessant dabei ist aber ein rechteckiger, mobiler Scheinwerfer, der mal hierhin und mal dorthin geschoben wird und damit bestimmte Tänzer oder ausgefallene Bühnensituationen besonders hervorhebt.

Applaus „Messa Da Requiem“, ph: Holger Jacobs

Der erste Teil, der „Introitus“, ist extrem langsam und verhalten. In dem großen Raum sieht man links und rechts den Chor, vorne alleine steht eine Tänzerin mit ihren Händen vorm Gesicht. Im Hintergrund schiebt sich eine weitere Tänzerin langsam die Wand entlang. Das große Furioso im 2. Teil, das „Dies irae“, bestreiten dann zunächst einer, dann zwei halbnackte Männer, die sich in der Asche des Bodens wälzen und über die Bühne fegen, lautstark angefeuert vom fast brüllenden Chor und den Tänzern des Ensembles.
Wer bisher etwas vor sich sich hingedöst hat, ist jetzt auf jeden Fall hellwach!

Premiere „Messa Da Requiem“. 14.04.2023, ph: Holger Jacobs

Abgesehen vom extremen „Dies irae“ sind alle Bewegungen der Tänzer eher verhalten, fast in Zeitlupe. Als wolle hier jemand die Zeit anhalten, um den Zeitpunkt des endgültigen Todes doch noch etwas hinauszuzögern. Wunderschöne Pas de Deux’s von verschiedenen Paaren werden zelebriert, musikalisch begleitet von den Stimmen der Solo-Sänger*innen, die oft nur wenige Meter neben den Tänzern stehen. Teilweise bekam ich den Eindruck, dass es sich hier gar nicht mehr um Tanz, sondern eher um Bewegungsstudien handelte. Mal kreisen nur die Arme, mal zittern nur die Hände. Alles ist irgendwie schwebend, zwischen dem Hier und der jenseitigen Welt.
Weder ist der Mensch noch ganz lebendig, noch hat ihn schon der Tod ereilt. Das ist sehr bewegend, sehr schön und sehr emotional.
Bemerkenswert auch die Massenszenen, bei denen sich die Mitglieder des Ballett-Ensembles und dem Chor vermischen. So bewegen sich ĂĽber 100 Mann (und Frau) wie ein wogendes Meer hin und her, auch sie wie schwebend.

Kein Wunder, dass „Messa Da Requiem“ schon in Zürich ein großer Erfolg für Choreograph CHRISTIAN SPUCK wurde.
Hier in Berlin brach gestern Abend tosender Beifall aus und die Zuschauer klatschten stehend minutenlang voller Begeisterung.
Fazit: Weiter so, Herr Intendant!

„Messa Da Requiem“ von Verdi
Premiere war am 14. April 2023
Staatsballett Berlin
Deutsche Oper Berlin
Choreographie: Christian Spuck
BĂĽhne: Christian Schmidt
KostĂĽme: Emma Ryott
Musikalische Leitung: Nicholas Carter, Orchester der Deutschen Oper Berlin
Sopran: Olesya Golovneva, Mezzosopran: Annika Schlicht, Tenor: Andrei Danilov, Bass: Lawson Anderson. Rundfunkchor Berlin.
Ensemble des Staatsballetts Berlin

Bilderserie mit 5 Fotos aus „Messe Da Requiem“:

„Messa Da Requiem“, Staatsballett Berlin, photo: Serghei Gherciu

English text

 

Messa Da Requiem by Verdi from the Staatsballett Berlin

 

By Holger Jacobs


04/15/2023

Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 🙂 (five of five)

Successful debut for the new director Christian Spuck with his choreography based on Verdi’s Requiem.

The quarrels at the Berlin State Ballet (kultur24 reported) are now over after a new director has been found for the ensemble.
It has been clear since the beginning of last year that the previous ballet director of the Zurich Opera House, Christian Spuck, will be moving to Berlin this summer.
With his choreography „Messa Da Requiem„, which he created in Zurich in 2016, he made his debut here in Berlin yesterday evening with great success: standing ovations after an impressive evening with the wonderful music of Giuseppe Verdi.
Rehearsals for this new production, which CHRISTIAN SPUCK now wanted to introduce to the Staatsballett Berlin, have been running since January in order to pass on what is perhaps his most successful choreography to his new house.

Christian Spuck, Jahrespressekonferenz 28.03.2023, ph: Holger Jacobs

Messa Da Requiem

This great work, written by the brilliant opera composer GIUSEPPE VERDI in 1874 and often called „Verdi’s best opera“ by his fans, was originally written by the master as a funeral mass for his esteemed colleague ROSSINI in 1968. Together with other composers, VERDI wanted to realize a collaborative work for the esteemed musician, but that never happened.
A few years later, VERDI revived and completed his original composition of his mass and offered it to the city of Milan as a funeral mass for the famous Italian poet MANZONI. And so it came in 1874 to the premiere of the „Messa Da Requiem“ in the Church of San Marco in Milan.
The high musical value of this composition quickly got around and soon the work was also being performed in Paris, London and Vienna.
And now not only in churches, but also in opera houses and concert halls.
With four solo voices – bass, tenor, soprano and mezzo-soprano – as well as a large orchestra and a large choir.
The libretto of „Messa Da Requiem“ is the Roman Catholic liturgy of a funeral service. VERDI divided it into seven sequences, the most famous of which was the 2nd sequence “Dies irae”, which sweeps the audience off their chairs with a powerful use of drums and a choir in fortissimo.
It has even been used in movies as a suspense enhancer, such as in QUENTIN TARANTIN’S 2012 film „Django Unchained“.

Please regard my video-trailer of „Messa Da Requiem“ on kultur24 TV:

https://youtu.be/AziMddI8PHQ

Critics

Transforming a musical drama into (physical) movement is certainly fascinating for a ballet choreographer on the one hand, but also a great challenge on the other. Especially if it is a funeral service.
Do you only want to show walking corpses, a kind of zombie choreography? No, of course not.
It has to be a little more subtle.
Choreographer CHRISTIAN SPUCK, a student at the JOHN CRANKO Ballet Academy in Stuttgart, had his stage designer CHRISTIAN SCHMIDT build a large, rectangular room with gray walls. The floor is covered with black ash.
Costumes (EMMA RYOTT) are all black for the ensemble dancers and chorus, the solo dancers wear thigh-length semi-sheer tops and black panties.
Only prima ballerina POLINA SEMIONOVA wears a classic, long dress with echoes of the great lady of free dance, MARTHA GRAHAM, during her pas de deux in the 5th part „Agnus Dei„.
The men wear shirtless black suits or black trousers with an earth-colored shirt.
The stage is so dimly lit from above that, especially from more distant audience tiers, details are hardly recognizable. Lighting master MARTIN GEBHARDT would have liked to have added 10 or 20 lux more without changing the overall atmosphere.
What is interesting, however, is a rectangular, mobile spotlight that can be moved here and there and thus particularly emphasizes certain dancers or special stage situations.

Applaus „Messa Da Requiem“, ph: Holger Jacobs

The first part, the „Introitus„, is extremely slow and restrained.
In the large room you can see the choir on the left and right, a dancer stands alone in the front with her hands in front of her face.
In the background, another dancer slowly pushes herself along the wall.
The great furioso in the second part, the „Dies irae„, is then danced by first one, then two half-naked men who roll in the ashes of the floor and sweep across the stage, loudly cheered on by the almost roaring choir and the dancers of the ensemble.
Anyone in the audience who has been a little bit dozing off is definitely wide awake now!

Premiere „Messa Da Requiem“. 14.04.2023, ph: Holger Jacobs

Apart from the extreme „Dies irae“, all the dancers‘ movements are rather subdued, almost in slow motion.
As if someone wanted to stop time here in order to delay the moment of the final death.
Beautiful pas de deux’s by different couples are celebrated, accompanied by the voices of the solo-singers, who often stand only a few meters from the dancers.
Sometimes I got the impression that it was no longer about dance at all, but rather about movement studies. Sometimes only the arms circle, sometimes only the hands tremble. Everything is somehow floating, between here and the world beyond. Man is neither fully alive nor has death overtaken him.
It’s very moving, very beautiful and very emotional.
Also noteworthy are the crowd scenes, in which the members of the ballet ensemble and the choir mingle. More than 100 men (and women) move back and forth like a surging sea, they too seem to be floating.

No wonder that „Messa Da Requiem“ was a great success for choreographer Christian Spuck in Zurich.
Thunderous applause erupted here in Berlin last night and the spectators clapped enthusiastically for minutes, standing up.

Conclusion: Keep going, Christian Spuck!

„Messa Da Requiem“ by Verdi
Premiere was on April 14, 2023
Berlin State Ballet
Deutsche Oper Berlin
Choreography: Christian Spuck
Stage: Christian Schmidt
Costumes: Emma Ryott
Musical Direction: Nicholas Carter, Orchestra of the Deutsche Oper Berlin
Soprano: Olesya Golovneva, Mezzosoprano: Annika Schlicht, tenor: Andrei Danilov, bass: Lawson Anderson.
Rundfunkchor Berlin
Ensemble of the Berlin State Ballet

Picture series with 5 photos of „Messe Da Requiem“:

„Messa Da Requiem“, Staatsballett Berlin, photo: Serghei Gherciu

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

Cookies help us deliver our services. By using our services, you agree to our use of cookies.