Nora – Henrik Ibsen – Deutsches Theater

Nora - Deutsches Theater Berlin 2015 © Holger Jacobs

Nora – Henrik Ibsen – Deutsches Theater

Wertung: 🙂 🙂 🙂   (drei von fünf)

7.12.2015

Von Holger Jacobs

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Intro:

 

Meine Schwester Karin Jacobs-Zander schrieb am Wochenende in ihrer Rezension über eine „Walküre“ Aufführung am Münchner Nationaltheater :

warum trauen sich die Regisseure so selten…. der Geschichte ihre Wirkung zu überlassen? Wenn sie doch aufhören wollten, den Inhalt …. einer beliebigen Deko anzupassen, anstatt den Fokus auf das Ausloten der Gedanken und Gefühle zu legen. Ist es nicht die vornehmste Aufgabe der Regie, diese zu erklären, vielleicht auch Neues im Werk zu entdecken, dabei aber uns nicht abzulenken vom Wesentlichen?

 

Treffen diese Worte auch auf die Regie von Stefan Pucher und seiner Neu-Inszenierung von “Nora” zu?

 

Die Handlung:

 

Nora Helmer lebt mit ihrem Mann in gutbürgerlichen Verhältnissen. Das Stück spielt kurz vor Weihenachten. Ab Januar soll ihr Ehemann, Torwald Helmer, zum Bankdirektor befördert werden. Unerwartet taucht ihre alte Freundin Christine Linde auf. Beide hatten sich seit 10 Jahren nicht mehr gesehen. Die Frauen erzählen sich ihre Erlebnisse der letzten Jahre. Christine hatte einen älteren Mann nur wegen seines Geldes geheiratet. Dieser ist vor kurzem verstorben und hat ihr aber kein Geld hinterlassen. Deshalb braucht sie jetzt einen Job. Nora hatte Torwald geheiratet und mit ihm drei Kinder bekommen. Vor einigen Jahren war Torwald schwer erkrankt und nur ein Kur-Aufenthalt im Süden Europas konnte sein Leben retten. Da ihr Geld nicht reichte, hatte sich Nora bei dem Rechtsanwalt Krogstad Geld geliehen. Als Bürgschaft sollte ihr Vater unterschreiben, der zu dem Zeitpunkt im Sterben lag. So fälschte sie seine Unterschrift. Krogstad seinerseits arbeitet mittlerweile in derselben Bank wie Noras Mann und wird selbst der Urkundenfälschung bezichtigt und soll gekündigt werden.

 

Als Krogstad hinter den Betrug von Noras Unterschrift kommt, erpresst er sie. Er will ihr aber den gefälschten Schuldschein aushändigen, wenn sie ihren Mann überzeugen kann, dass er seinen Posten in der Bank behalten kann. Als Nora das nicht gelingt, schreibt Krogstad ihrem Mann Torwald einen Brief mit der Wahrheit über Noras gefälschte Unterschrift. Doch Nora hat Glück. Es stellt sich heraus, dass Christine und Krogstad schon immer ineinander verliebt waren und Christine kann Krogstad überreden, Nora nicht zu verraten. Doch der Brief liegt schon in Torwalds Postfach. Als er ihn liest, rastet er völlig aus und bezichtigt Nora der Unfähigkeit und Lüge. Es stellt sich heraus, dass Nora für Torwald immer nur ein hübsches Püppchen war, ohne dass er sie als ernsthafte Person jemals wahrgenommen hat. Dass Nora es war, der ihn letztlich gerettet hat, erkennt er nicht. Für Nora ist diese Situation unerträglich und entschließt sich Torwald und damit auch ihre Kinder für immer zu verlassen.

 

Kritik:

 

Der Regisseur Stefan Pucher hat bei dieser Neu-Interpretation alles versucht, das Stück aus seiner ursprünglichen Zeit von 1879 in das 21. Jahrhundert hinüberzuholen. Die ursprüngliche Handlung bleibt nur als Rahmen. Zudem übersetzte der vielbeachtete Autor und Regisseur Armin Petras das Stück neu und versuchte es in unsere heutige Sprache zu überführen. Dies muss allerdings als Fehlschlag betrachtet werden, weil sie, angefüllt mit zahleichen Anglizismen, dermaßen gewollt neu-deutsch rüberkommt, dass es lächerlich wirkt. Selbst Berlin-Mitte Hipster reden nicht so. Mit der Sprache aber steht und fällt das Theater. Dieses Mal ist es gefallen.

 

Sehr gelungen ist die Bühne (Barbara Ehnes) und sind die Kostüme (Annabelle Witt) und natürlich die Videos (Maika Dresenkamp), die im Hintergrund das Stück in seiner ursprünglichen Form mit Kleidung und Ausstattung aus der Zeit von 1879 zeigen. Da ich ein sehr visueller Mensch bin, bleibt deshalb diese Neuproduktion bei mir doch noch in ganz guter Erinnerung. Auch die Schauspieler haben mir gefallen. Katrin Wichmann als Nora zeigt am Anfang überzeugend das einfältige blonde Püppchen, Bernd Moss als Torwald ist der überhebliche und von sich überzeugte Ehemann, der gar nicht weiß, dass er ohne seine Frau wohl nicht mehr leben würde. Tabea Bettin als Freundin Christine ist sehr sexy und zeigt, dass sie trotz schwieriger Lage die Situation im Griff hat. Ihr Outfit ist klasse! Und ihre langen Beine sowieso! Zudem werden 6 Songs zum besten gegeben, arrangiert von Christopher Uhe. Von „She works hard for the money“ von Donna Summer bis zu freien Kompositionen.

 

Was bleibt als Résumé? Der unbändige Wunsch, endlich mal wieder einen Klassiker in seiner ursprünglichen Sprache und seiner ursprünglichen Handlung zu sehen. Und damit die Bitte an die Regisseure, an die Kraft und die Aussage dieser alten Dramatiker zu glauben, deren Texte so schön sind, dass sie auch in Hunderten von Jahren noch zu lesen und zu spielen sein werden. Man braucht sie nicht zu verändern, um ihre Wahrheit zu erkennen.

Torwald (Bernd Moss) und Nora (Latein Wichmann) freuen sich auf Weihnachten, "Nora" Deutsches Theater Berlin 2015 © Holger Jacobs

44 Bilder: Torwald (Bernd Moss) und Nora (Latein Wichmann) freuen sich auf Weihnachten, „Nora“ Deutsches Theater Berlin 2015 © Holger Jacobs

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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