Premiere „La Cage aux Folles“ in der Komischen Oper Berlin

La Cage aux Folles - Komische Oper - ph: Holger Jacobs

Premiere „La Cage aux Folles“ in der Komischen Oper Berlin

 

Von Holger Jacobs

29.01.2023

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 🙂 (fünf von fünf)

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Mit dem französisch-amerikanischen Erfolgsmusical kommt der Broadway nach Berlin

Regisseur Barrie Kosky ist in jedem Genre des Musiktheaters zu Hause, von seriöser Oper („Die Meistersinger“ von Richard Wagner in Bayreuth 2017), über Operetten-Hits aus den 20er Jahren („Die Blume von Hawaii“ von Paul Abraham, 2021), bis zu Musicals, wie die „West Side Story“ 2014 oder eben jetzt „La Cage aux Folles“ von Harvey Fierstein mit der Musik und den Texten von Jerry Herman.
Wobei die heiteren und humorvollen Stücke Barrie Kosky am meisten liegen.

Zum Schluss der Premiere nach fast drei Stunden Aufführungszeit (mit einer Pause) gab es gestern Abend jubelnden Applaus, Standing Ovations und Konfetti-Regen für alle Darsteller, Sänger, Tänzer und den Regisseur.
Ein herzliches „Bravo“ auch von mir!

Video vom Applaus mit Konfetti Regen:

Die Geschichte von „La Cage aux Folles“

Im Jahre 1973 schreibt der Schauspieler, Regisseur und Autor JEAN POIRET eine Komödie über ein schwules Paar, das ihren Sohn an ein bürgerliches Mädchen aus stock-konservativem Elternhaus verheiraten möchte. JEAN POIRET ist zu diesem Zeitpunkt schon ein sehr bekannter Schauspieler in Frankreich, der sowohl auf der Bühne, wie auch im Film-Business zu Hause ist.
Die Idee kommt ihm nachdem er den Film „Staircase“ aus dem Jahre 1969 von Stanley Donen gesehen hat, indem RICHARD BURTON und REX HARRISON ein schwules Pärchen spielen, die einen Friseursalon besitzen und sich ständig in die Haare kriegen. Der Film geht auf ein Theaterstück des Briten Charles Dyer zurück.

Bei JEAN POIRET spielt die Szenerie in einem Transvestiten-Club mit Namen „LA CAGE AUX FOLLES“ in St. Tropez, einem Ort an der Côte d’Azur, der zu diesem Zeitpunkt gerade vom internationalen Jet-Set entdeckt wurde. Der Besitzer ist GEORGES und sein Star auf der Bühne ist die/ der nicht mehr ganz junge ZAZA (mit richtigem Namen ALBIN). Beide sind auch im Privatleben ein Paar.
Eines Tages kommt JEAN-MICHEL, der Sohn von Georges aus einer früheren Affaire mit einer Tänzerin und verkündet, er wolle heiraten.
Nicht nur diese für ALBIN und GEORGES ziemlich konservative Verhaltensweise, sondern erst Recht die Familie der Braut machen ihnen große Sorgen: Der Vater der Braut ist als rechts-extremer Politiker bekannt, der alles Schwule, Lesbische und Queere hasst.
Und genau der will am nächsten Tag mit seiner Frau zu Besuch kommen, um die Familie seines zukünftigen Schwiegersohns kennenzulernen.
Also bleibt für ZAZA und GEORGES nichts Anderes übrig, als für einen Tag die „normale“ Familie zu spielen, mit Vater, Mutter und Kind.
Doch das geht natürlich komplett schief und ein großes Chaos beginnt.
Am Schluss renkt sich aber alles wieder ein und es kann fröhlich Hochzeit gefeiert werden.
Dieses Theaterstück wurde 1973 im Théatre du Palais-Royal in Paris uraufgeführt und mit großem Erfolg sieben Jahre lang vor insgesamt zwei Millionen Zuschauern gespielt. Die Hauptrollen spielten JEAN POIRET (Georges) selbst zusammen mit seinem alten Kumpel aus früheren Filmproduktionen MICHEL SERRAULT (Albin).
1978 wurde „LA CAGE AUX FOLLES“ dann von Edouardo Molinaro verfilmt, mit UGO TOGNAZZI als Georges und wieder MICHEL SERRAULT als Albin. Der Erfolg des Films war fast noch größer als der des Theaterstücks.

Nachdem die Verfilmung auch in den USA ein großer Erfolg wurde (dort lange Zeit der meistgesehene Spielfilm in einer ausländischer Sprache) wurde auch der Broadway auf das Stück aufmerksam. Das Buch für das Musical schrieb Harvey Fierstein, die Musik und der Text kamen von Jerry Herman (*1931 – †2019).
Uraufführung war 21. August 1983 im Palace Theater am Broadway und wurde dort 300 mal bis 1987 aufgeführt. In der ersten Saison gewann es sechs Tony-Awards. In Berlin hatte es seine Premiere 1985 im Theater des Westens und danach in vielen weiteren Theatern in Deutschland und weltweit. Zuletzt gab es im Jahre 2018 eine Inszenierung im Theater Basel.

Mein Video-Trailer von „La Cage aux Folles“:

Kritik

Wie schon oben erwähnt ist Regisseur BARRIE KOSKY (seit dieser Saison nicht mehr Intendant der Komischen Oper, aber immer noch gern gesehener Gastregisseur) bei einem solchen Thema und solcher Musik ganz in seinem Element. Besonders kann er sich dabei auf seine langjährigen Mitstreiter an der Komischen Oper, Choreograph OTTO PICHLER, Bühnenbildner RUFUS DIDWISZUS (die homoerotischen Wandbilder in er Wohnung von Georges und Albin stammen von „Tom of Finland“, siehe Bilderserie weiter unten) und Kostümbildner KLAUS BRUNS verlassen.
Besonders das Kostümbild von KLAUS BRUNS ist bemerkenswert. Solch ein Reichtum an Stoffen, Farben, Schnittideen und Drapierungen habe ich bisher bei keiner Opern- oder Operettenproduktion erlebt. Einfach fantastisch!
Deshalb gehören auch Dank der wunderbaren Choreographie von OTTO PICHLER die großen Tanznummern mit der 50 Mann (und Frau)- Tanzkompanie und mit dem Chor der Komischen Oper (alle in Drag Queens gekleidet) zu den beeindruckendsten Elementen der Inszenierung.
Der zweite Schwerpunkt liegt natürlich bei der Musik, die die Zuschauer mitreißt und das Theater zum Schwingen bringt.

Aber über allem schwebt doch die schauspielerische Leistung der Darsteller und Sänger.
Besonders die Leistung von STEFAN KURT als Zaza/ Albin ist bemerkenswert.
Der Schweizer Film- und Theaterschauspieler war 8 Jahre lang am Thalia-Theater (Boy-Gobert-Preis 1987) in Hamburg engagiert und zuletzt 2022 im Tatort „Borowski und der Schatten des Mondes“ im Deutschen Fernsehen zu sehen.
Im Theater Basel hatte er bereits 2018 den Albin gespielt/ gesungen.
Sein nuancenreiches Spiel eines alternden Transvestiten ist in „La Cage aux Folles“ einfach umwerfend. Seine Gestik, seine Mimik, sein zarter Gesang und die artikulierte Sprache, die zu jeder Situation 100 % passt. Dafür gab es dann auch berechtigterweise den größten Applaus am Premierenabend.
Keinen der Zuschauer hielt es mehr auf den Sitzen. Die Bravorufe vermischten sich mit Pfeifen, Gekreische und dem Zischen der Konfetti-Kanonen. Es war das reinste Tollhaus. Auch das habe ich bei einer Premierenaufführung noch nicht erlebt.
Ein Ereignis.

Die Inszenierung von „La Cage aux Folles“ an der Komischen Oper ist das geworden, was ich bereits prognostiziert hatte: Der kulturelle Höhepunkt der Saison! Das ist kaum noch zu toppen.

„LA CAGE AUX FOLLES“ von Harvey Fierstein und Jerry Herman
Komische Oper Berloin
Premiere war am 28.01.2023
Regie: Barrie Kosky
Musikalische Leitung: Koen Schoots
Choreographie: Otto Pichler
Bühne: Rufus Didwiszus,
Kostüm: Klaus Bruns
Mit: Peter Renz (Georges, Besitzer des Nachtclubs „La Cage aux Folles“, Stefan Kurt (Albin, sein Lebenspartner und als „Zaza“ Star des Nachtclubs), Daniel Ojeda (Butler Jacob), Nicky Wuchinger (Jean-Michel, Sohn von Georges), Maria-Danaé Bansen (Marie Dindon, Verlobte von Jean-Michel), Tom Erik Lie (Edouard Dindon), Andreja Schneider (Mme Dindon), Helmut Baumann (Jacqueline, Besitzerin des gleichnamigen Restaurants).
Chor, Orchester und Tanzensemble der Komischen Oper Berlin.

Unsere Bilderserie mit 20 Photos der Produktion:

LA CAGE AUX FOLLES, Komische Oper Berlin, ph: Holger Jacobs

 

English text

 

Premiere of “La Cage aux Folles” at the Komische Oper Berlin

 

By Holger Jacobs

01/29/2023

Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 🙂 (five of five)

Broadway is coming to Berlin with this successful French-American musical

Director Barrie Kosky is feeling at home in every genre of musical theater, from serious opera („Die Meistersinger“ by Richard Wagner in Bayreuth 2017), to operetta hits from the 1920s („Die Blume von Hawaii“ by Paul Abraham, 2021), to musicals such as “West Side Story” in 2014 or now “La Cage aux Folles” by Harvey Fierstein with music and lyrics by Jerry Herman.
Whereby the cheerful and humorous pieces suit Barrie Kosky the most.

At the end of the premiere after almost three hours of performance time (with a break) there was yesterday evening cheering applause, standing ovations and confetti rain for all actors, singers, dancers and the director.
A hearty „Bravo“ from me too!

My Video from the applause with confetti rain:

The story of „La Cage aux Folles“

In 1973, the actor, director and author JEAN POIRET wrote a comedy about a gay couple who want their son to marry off to a middle-class girl from a conservative family.
At this point, JEAN POIRET was already a well-known actor in France, at home both on stage and in the film business. The idea came to him after seeing Stanley Donen’s 1969 film „Staircase“, in which Richard Burton and Rex Harrison play a gay couple who own a hair salon and constantly fight each other. The film is based on a play by the British Charles Dyer.

In the piece of JEAN POIRET, the scenery takes place in a transvestite club called „LA CAGE AUX FOLLES“ in St. Tropez, a place on the Côte d’Azur that was just being discovered by the international jet set at the time.
The owner is GEORGES and his star on stage ZAZA (real name ALBIN), both of whom are also a couple in private life.
One day JEAN-MICHEL, Georges‘ son from a previous affair with a female dancer, comes and announces that he wants to get married. Not only the wish of a marriage, which is quite conservative for ALBIN and GEORGES, but even more the bride’s family worries them: The bride’s father is known as a right-wing extremist politician who hates everything gay, lesbian and queer. And he and his wife wants to visit them the next day to get to know the family of his future son-in-law.
So ZAZA and GEORGES have no choice but to play the „normal“ family for a day, with a real father, a real mother and a child. But of course that goes completely wrong and a great chaos begins. In the end, however, everything falls into place again and the wedding can be celebrated happily.
This play premiered in 1973 at the Théâtre du Palais-Royal in Paris and was played with great success for seven years in front of a total of two million spectators. The lead roles were played by JEAN POIRET (Georges) himself, along with his old pal from previous films, MICHEL SERRAULT (Albin).
In 1978 „LA CAGE AUX FOLLES“ was filmed by Edouardo Molinaro, with UGO TOGNAZZI as Georges and again MICHEL SERRAULT as Albin. The film was almost as successful as the play.

After the film adaptation became a great success in the USA (for a long time the most-watched feature film in a foreign language), Broadway also became aware of the play.
The book was written by Harvey Fierstein, the music and lyrics came from Jerry Herman (*1931 – †2019).
The musical premiered on August 21, 1983 at the Palace Theater on Broadway and was performed 300 times until 1987. It won six Tony Awards in its first season.
In Berlin it had its premiere in 1985 in the THEATER DES WESTENS and then in many other theaters in Germany and worldwide. Most recently, there was a production at Theater Basel in 2018.

Our video-trailer of „La Cage aux Folles“:

Critics

As mentioned above, director Barrie Kosky (since this season no longer director of the Komische Oper, but still a welcome guest director) is in his element with such a theme and such music.
In particular, he can rely on his longstanding colleagues at the Komische Oper, choreographer OTTO PICHLER, set designer RUFUS DIDWISZUS (the homoerotic murals in Georges and Albin’s apartment are from „Tom of Finland„) and costume designer KLAUS BRUNS.
The costume design by KLAUS BRUNS is particularly remarkable. I have never experienced such a wealth of materials, colours, cutting ideas and draping in any opera or operetta production. Just fantastic!
That’s why, thanks to the wonderful choreography by OTTO PICHLER, the big dance numbers with the 50 man (and woman) dance company and the choir of the Komische Oper (all dressed in drag queens) are among the most impressive elements of the production.
The second focus is of course on the music, which sweeps the audience away and makes the theater vibrate.

But the theatrical performance of the actors and singers hovers above everything else.
STEFAN KURTS’s performance as Zaza/ Albin is particularly noteworthy.
The Swiss film and theater actor was engaged at the Thalia Theater (Boy Gobert Prize 1987) in Hamburg for 8 years and was last seen on German television in 2022 in the crime series Tatort „Borowski und der Schatten des Mondes“. He had already played Albin at Theater Basel in 2018.
STEFAN KURTS’s nuanced play of an aging transvestite is in „La Cage aux Folles just stunning. His gestures, his facial expressions, his gentle singing and the articulated language that fits every situation 100%.
For this, he got the biggest round of applause on the evening of the premiere. None of the spectators stayed in their seats. The bravos mingled with whistles, screeches and the hiss of the confetti cannons.
It was an absolute madhouse. I’ve never experienced that in a premiere performance. An event!

The production of „La Cage aux Folles“ at the Komische Oper turned out to be what I had already predicted: the cultural highlight of the season!
That can hardly be topped.

„LA CAGE AUX FOLLES“ by Harvey Fierstein and Jerry Herman
Komische Oper Berlin
Premiere was on January 28th, 2023
Director: Barrie Kosky
Musical direction: Koen Schoots
Choreography: Otto Pichler
Stage: Rufus Didwiszus
Costume: Klaus Bruns
With: Peter Renz (Georges, Owner of the nightclub „La Cage aux Folles“), Stefan Kurt (Albin, his life partner and as „Zaza“ star of the nightclub), Daniel Ojeda (butler Jacob), Nicky Wuchinger (Jean-Michel, son of Georges), Maria-Danaé Bansen (Marie Dindon, fiancée of Jean-Michel), Tom Erik Lie (Edouard Dindon), Andreja Schneider (Mme Dindon), Helmut Baumann (Jacqueline, owner of the restaurant of the same name)
Choir, orchestra and dance ensemble of the Komische Oper Berlin.

Our picture series with 20 photos of „La Cage aux Folles“:

LA CAGE AUX FOLLES, Komische Oper Berlin, ph: Holger Jacobs

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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