Premiere von Tristan und Isolde in Bayreuth

TRISTAN UND ISOLDE - Bayreuther Festspiele Foto: Nawrath © kultur24.berlin

Premiere von Tristan und Isolde in Bayreuth

 

Stephan Scherer

31.07.2022

Beginn des Premieren-Reigens bei den Bayreuther Festspielen

Am Montag, den 25. Juli 2022, fand die Premiere des neuen Tristan in Bayreuth statt.
Ursprünglich war die Premiere erst für das Jahr 2024 geplant, zur Sicherheit, falls andere Opern pandemiebedingt abgesagt werden müssen, hat man indes die Neuinszenierung vorgezogen.
Das ist auch deswegen ungewöhnlich, weil in diesem Jahr der „Ring“ neu inszeniert Premiere hat und üblicherweise neben einem neuen „Ring“ keine anderen Premieren am grünen Hügel stattfinden. Aber was ist in diesen Zeiten schon üblich – und vieles ändert sich.

Zum Beispiel ändert sich das Publikum:
Die FAZ schrieb in ihrer Kritik von der spürbaren Anwesenheit von „Eventkonsumenten“ und hat völlig Recht.
Es ist tatsächlich nicht nur pure Freude am Eröffnungstag in Bayreuth dabei zu sein.
Es sind an diesem Abend etliche Zuhörer im Festspielhaus, denen die Musik offensichtlich ziemlich egal ist, die sie vielleicht sogar durchleiden, die aber „dabei“ sein wollen.
Die Prominenz durfte natürlich auch nicht fehlen: Markus Söder, Angela Merkel, Claudia Roth, Ricarda Lang, Thomas Gottschalk u.s.w..
Vielleicht irre ich mich ja, aber es ist für mich unvorstellbar, dass Wagnerianer in die Schlussklänge des Liebestods „Mild und leise wie er lächelt …“ brachial hinein-applaudieren.
Schon zu Beginn der Aufführung, im wunderbaren Vorspiel, wurde, während die Musik anfangs zart anhebt, weiter getuschelt, Sitze getauscht, in Handtaschen gekramt.
Während der Aufführung fielen vernehmbar mehrfach Gläser um, die rücksichtslose Ignoranten mit ins Festspielhaus genommen haben, offenbar aus Angst bei 37 Grad während der drei etwa 80-minütigen Aufzügen plötzlich zu verdursten…

Die Inszenierung, die Sänger, ja alles wurde intensivst bejubelt.
Ich habe das offen gestanden nicht völlig nachvollziehen können.
Stephen Gould als Tristan und Catherine Forster als Isolde waren hervorragend, ohne Schwächen, stimmlich perfekt.
Leider aber konnte ihr Spiel in keiner Weise an ihre stimmliche Ausdrucksstärke anknüpfen. Sicherlich hatte Roland Schwab nicht viel Zeit, die Idee zur Neuproduktion kam erst gegen Weihnachten auf. Aber es war ja alles stimmig gemacht, das Bühnenbild, die ganze Inszenierung war gut, warum diese Distanz, dieses ungelenke Schauspiel zwischen Tristan und Isolde?
Beide standen oft geradezu unbeteiligt auf der Bühne, es war keine Intimität, keine Liebe zu spüren und das hat die Aufführung doch sehr beeinträchtigt. Warum z.B. steht Isolde im Liebestod zwanzig Meter entfernt von Tristan, warum weichen sich die Figuren aus?

Einen großartigen Moment gab es indes nach dem Genuss des Liebestranks.
Piero Vinciguerra hatte die Bühne in zwei Ovale geteilt, das untere als riesigen LED Screen, das eine Meeresoberfläche zeigte, das obere als Himmelsscheibe ähnlich einer Skydome-Installation von James Turrell (siehe Fotoserie).

Das untere Oval wurde nur von Tristan und Isolde betreten. Ansonsten spielte die Aufführung außerhalb des Oval.
Die Projektion änderte sich von ruhiger in tosende See, in blutrote See, in graue, stille See usw., das obere Oval zeigte den Tageshimmel oder die Sternennacht. Nach dem Genuss des Liebestranks lagen Tristan und Isolde innigst verwoben inmitten tosender Strudel – das war wunderschön!

Leider gab es auch weiterhin Störendes.
Im zweiten Akt, dem Akt der Nacht und der alles irdische ausblendenden Dunkelheit war man geradezu erleichtert, als mit „O sink hernieder, Nacht der Liebe“ endlich eine bis dahin gleißend helle und die Zuschauer blendende ca. 10 qm große grellweiß leuchtende LED Wand ausgeschaltet wurde.
Warum so viel Licht nachdem doch Brangäne (sehr, sehr gut gesungen von Ekaterina Gubanova) schon Minuten vorher das Licht, als Zeichen für Tristan zu Isolde zu kommen, hätte löschen sollen?
Das war unangenehm und störend. Auch die Idee als Kontrastprogramm ganz am Ende der Aufführung, während Isolde den Liebestod sang, ein Rentnerpaar als Verkörperung von Philemon und Baucis und damit als Alternative zur ekstatischen Alles oder Nichts Liebe von Tristan und Isolde auf die Bühne zu schicken, mag durchdacht gewesen sein, aber es lenkte vom Liebestod ab – und das ist schade.

Stimmlich hervorragend – und wie immer gut zu verstehen – waren Georg Zeppenfeld als König Marke und Markus Eiche als Kurwenal.

Die wahren Helden des Abends waren Markus Poschner und das Orchester.
Es war durchgehend eine wunderbare Leistung, zart und innig gespielt, voller Emphase.
Poschner, Dirigent in Linz, kam erst wenige Tage vor der Premiere nach Bayreuth, weil der eigentlich vorgesehene Cornelius Meister das Dirigat des Rings übernahm, nachdem der dort vorgesehene Pietari Inkinen erkrank ausgefallen ist.

Insgesamt ein guter Abend, indes ohne Gänsehaut-Feeling.

„Tristan und Isolde“ von Richard Wagner
Premiere der Neuiszenierung war am 25. Juli 2022
Musikalische Leitung: Markus Poschner
Inszenierung: Roland Schwab
Bühne: Piero Vinciguerra
Kostüme: Gabriele Rupprecht
Mit: Catherine Foster (Isolde), Stephan Gouls (Tristan), Ekaterina Gubanova (Brangäne), Georg Zeppenfeld (König Marke), Markus Eiche (Kurvenal)

Bilderserie mit 12 Fotos aus „Tristan und Isolde“:

„Tristan und Isolde“, Bayreuther Festspiele 2022, Photo: Enrico Nawrath

 

Author: Stephan Scherer

Prof. Dr. Stephan Scherer, Rechtsanwalt, Fachanwalt Erb- und Steuerrecht in Mannheim, Richard Wagner Fan und Kunstliebhaber.

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