Salam Syria in der Elbphilharmonie
Von Julia Engelbrecht-Schnür
22.3.2017
Schon wenige Wochen nach ihrer Eröffnung beweist die Elbphilharmonie, dass sie ein universeller Ort künstlerischen Geschehens ist. Dazu gehörte „Salam Syria“, ein dreitägiges Musikfestival mit syrischen und Hamburger Musikern in der vergangenen Woche. Eine musikalische Poesie der arabischen Welt für eine vehemente Absage an Krieg und Terror und der Wunsch nach Frieden – weltweit.
Wie sehr Christoph Lieben-Seutter, Intendant der Elbphilharmonie, die Entstehung dieses Festivals am Herzen lag, war schon auf der Pressekonferenz am Vortag im 10. Stock der Elbphi zu spüren.
Am Konzertabend betritt der Intendant persönlich die Bühne, um die Konzertgäste zu begrüßen und spricht vor allem die rund 200 geflüchteten Menschen im ausverkauften Saal an, die auf Einladung der Elbphilharmonie an diesem Abend das Konzert erleben durften. Weitere 200 Zuschauer, vorwiegend aus Syrien, werden an den beiden folgenden Festivaltagen Gäste des Hauses sein.
Einer von ihnen ist Ahmad Alaouis, der neben mir sitzt. Ich kenne ihn seit seiner Ankunft in Hamburg im Herbst 2015. Er ist 19 Jahre alt, stammt aus Aleppo, floh vor dem Krieg und Militärdienst für Assads Truppen über die Balkanroute nach Deutschland. Seine Eltern und vier Geschwister haben es bis nach Istanbul geschafft. Ihre Wohnung in Aleppo existiert nicht mehr. Ahmad besucht täglich einen Integrationskurs bis Ende Juli, dann möchte er eine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker machen.
Die Mitglieder der NDR-Bigband zusammen mit der Syrien Big Band, die einzige ihrer Art in Syrien, 2004 in Damaskus gegründet, betreten die Bühne. Jazz steht auf dem Programm. Alaouis sagt, er habe schon einmal Jazz auf Youtube gehört, aber live noch nie. Auch in einem so großen Konzertsaal sei er noch nie gewesen. Ich bemühe mich, ihm zu erklären, dass diese Dimensionen auch für mich beeindruckend sind. Er lächelt höflich.
Schon beim ersten Stück wird klar: Die Klangwelt Syriens ist eine unverzichtbare Jazz-Bereicherung. Mit großer Sensibilität spüren die Musiker auf ihren traditionellen Instrumenten den Variationen nach, die der Hamburger Komponist Wolf Kerschek (Leitung) mit ihnen und seinen Hamburger Kollegen über Wochen einstudiert hat. Die rauchigen Töne der traditionellen Rohrflöte (Ney), die virtuose Zupftechnik der dickbauchigen Laute (Oud) oder der Kastenzither (Kanun) geben in der Suite aus acht syrischen Stücken an diesem Abend den Ton an.
Als Ahmad die heimischen Melodien alter Volkslieder und Weisen erkennt, überzieht ein breites Lächeln sein Gesicht, dann muss er schlucken. Mit so viel Gefühl hatte er nicht gerechnet. Als die beiden Solisten Dima Orsho und Ali Asaad die Bühne betreten und ihr Klagelied in den Saal schmettern, ist es auch auf den anderen Rängen um die Fassung vieler Landsleute geschehen.
Die Hamburger schauen sich betroffen um, können den Schmerz verstehen und mitfühlen, schließlich wissen sie, dass Musik in der arabischen Welt einen viel größeren Stellenwert im täglichen Leben hat als bei uns. Hoffnung auf die Freude des Lebens versprüht Ibrahim Keivo, der im Norden Syriens, im Zweistromland aufwuchs und die zweite Hälfte des Konzertabends mit seinem Charme und Können dominiert.
Schließlich stimmt der ganze Saal ein in den Refrain und ruft „Sherine, Sherine, Sherine.“
Ahmad strahlt, weil er erleben darf, was er nicht für möglich hielt: Ein großes Gefühl von Heimat am schönsten Ort der Hansestadt.
Author: Julia Engelbrecht-Schnür
Journalistin