„Secessionen – Klimt, Stuck, Liebermann“ in der Alten Nationalgalerie

Gustav Klimt in der Alten Nationalgalerie - ph: Holger Jacobs

„Secessionen – Klimt, Stuck, Liebermann“ in der Alten Nationalgalerie

 

Von Holger Jacobs

29.06.2023

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)

for english text click here

Der Aufbruch in die Moderne in den Metropolen Wien, München und Berlin

Es gibt nicht viele Künstler, deren Arbeiten von allen gleichermaßen geliebt werden.
Dazu gehören in erster Linie die Maler des Impressionismus um VAN GOGH, MONET, RENOIR und CÉZANNE.

Auguste Renoir, „Blühender Kastanienbaum“, 1881, Alte Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts zählt auch ein Mann dazu, dessen Werke heute Auktionsrekorde brechen:
GUSTAV KLIMT (1862 – 1918).
Vor wenigen Tagen wurde sein Bild „Dame mit Fächer“ bei Sotheby’s in London für 85 Millionen Pfund versteigert.
Sein berühmtestes Gemälde ist aber „Der Kuss“ von 1908, welches viele von Euch kennen dürften.

Gustav Klimt „Der Kuss“, 1908, Museum Belvedere, Wien -CC-Wikimedia Commons

Die Alte Nationalgalerie in Berlin zeigt jetzt in einer bemerkenswerten Ausstellung GUSTAV KLIMT und andere bedeutende Künstler der Jahrhundertwende, die sich damals von den traditionellen Künstlervereinigungen verabschiedeten und sich in Wien, München und Berlin zu einem neuen Format zusammentaten: Der Secession.

Alte Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

Wiener Secession

GUSTAV KLIMT war Ende des 19. Jahrhunderts in Wien bereits ein anerkannter Künstler, als es zu einem Skandal kam: er hatte einen Großauftrag der Wiener Universität für die Deckengestaltung der neuen Gebäude so provokant gestaltet, dass die Fakultätsmitglieder die Bilder ablehnten.
Dass eine der Themenarbeiten, die Philosophie, auf der Weltausstellung in Paris im Jahre 1889 die Goldmedaille errang, interessierte die konservativen Kreise im Wien der Jahrhundertwende nicht.
Schließlich konnte KLIMT die drei Arbeiten an einen befreundeten Kunstsammler verkaufen. Leider wurden die Bilder im 2. Weltkrieg zerstört. Nur Skizzen sind noch gerettet worden, die jetzt in der Alten Nationalgalerie zu sehen sind (siehe Bilderserie am Ende des Artikels).

Diese Erfahrung führte GUSTAV KLIMT dazu sich von alten Strukturen zu lösen.
Ähnlich wie auch in München und später dann in Berlin fanden junge Künstler in Wien in den konservativen offiziellen Künstlervereinigungen der damaligen Zeit keine Anerkennung.
Daraufhin gründete GUSTAV KLIMT zusammen mit anderen Kollegen am 3. April 1897 die Wiener Secession.
Der Begriff Secession leitet sich von dem lateinischen Wort secessio ab und bedeutet soviel wie „Abspaltung“ oder „Trennung“.
Gründungsmitglieder waren neben GUSTAV KLIMT auch JOSEF HOFFMANN, KOLOMANN MOSER, JOSEPH MARIA OLBRICH und ANTON NOWAK.

Plakat „Wiener Secession“, Kolomann Moser, 1900, Alte Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

Während in der Münchner Secession sich Stilrichtungen wie der Symbolismus eines FRANZ VON STUCK und in Berlin der Impressionismus eines MAX LIEBERMANN herausbildeten, war es in Wien hauptsächlich der Jugendstil, der die künstlerische Technik und Malweise für zwei Jahrzehnte bestimmte.

Auch in München und Berlin wurden fast zeitgleich Künstlergruppen unter der Bezeichnung Sezession gegründet.

Berliner Secession

In Berlin war es die Ablehnung des norwegischen Malers EDVARD MUNCH, der nicht zur alljährlich stattfindenden Großen Kunstausstellung zugelassen wurde, die zu Unmut unter den jungen Berliner Künstlern führte.
Mehrere Kunstschaffende, darunter MAX LIEBERMANN, LESSER URY und WALTER LEISTIKOW, gründeten daraufhin am 2. Mai 1898 die Berliner Secession.
Zu den über 60 Gründungsmitgliedern gehörten auch mehrere Frauen, wie DORA HITZ, SABINE LEPSIUS und ERNESTINE SCHULTZE-NAUMBURG.

Plakat „Berliner Secession“, 1900, Alte Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

Sogar ein neues Gebäude wurde in Berlin für die „Abtrünnigen“ gebaut, nämlich an der Kantstrasse 12 in Berlin-Charlottenburg, vom Architekten HANS GRISEBACH entworfen (das Haus hat den 2. Weltkrieg nicht überlebt. Heute steht dort ein hässlicher Wohnblock aus den 60er Jahren).
Schon ein Jahr später, am 19. Mai 1899, fand hier die erste Ausstellung der Berliner Secession statt mit 330 Bildern und 50 Skulpturen von 187 Künstlern – ein immenser Erfolg!

Münchner Secession

In München bildete sich bereits 1892 eine neue Gruppierung unter dem Namen Verein Bildender Künstler e.V., die sich später Münchner Secession nannte.
Unter den 96 Gründungsmitgliedern waren u.a. FRANZ VON STUCK, LOVIS CORINTH, PETER BEHRENS (der spätere Architekt der berühmten Häuser am Alexanderplatz in Berlin) und ANTON STADLER.
Sogar MAX LIEBERMANN und WALTER LEITIKOW aus Berlin waren hier zunächst eingeschrieben, bis sich wenige Jahre später in der Hauptstadt die Berliner Secession gründete.

Plakat „Münchner Secession“, Franz von Stuck, 1893, Alte Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

Da um die Jahrhundertwende noch weitaus mehr Künstler in München als in Wien oder in Berlin ansässig waren, platzte die erste Ausstellung der Münchner Secession am 16. Juli 1893 fast aus allen Nähten: 297 Künstler stellten 876 Werke aus!
Der Grund für die große Zahl kam sicher auch daher, weil in München fast alle Stilrichtungen erlaubt waren.
Das Ziel war die absolute künstlerische Freiheit.
Die größte Anerkennung fand FRANZ VON STUCK, der mit seinem Stil des erotisch aufgeladenen Symbolismus weit über die Grenzen Bayerns bekannt wurde.
Meine Empfehlung: Bei einer Reise in die bayerischen Hauptstadt sollte ein kunstinteressierter Mensch unbedingt die Villa Stuck im Stadtteil München-Bogenhausen besuchen!

Die Ausstellung in der Alten Nationalgalerie in Berlin zeigt jetzt bis Ende Oktober Gemälde, Grafiken und Skulpturen von 80 Künstlern aus der Zeit der Secession in Wien, München und Berlin.
Besonderes Highlight sind die Arbeiten von GUSTAV KLIMT, die nur selten die Wiener Museen verlassen.
Auch die Gegenüberstellung der drei großen Meister GUSTAV KLIMT, FRANZ VON STUCK und MAX LIEBERMANN mit ihren unterschiedlichen Malstilen in einem einzigen großen Raum finde ich sehr gelungen. Es zeigt die Vielfalt der Kunststile, mit denen die Kreativen der damaligen Zeit eine neue Epoche der Kunstgeschichte einläuteten.

„Secessionen. Klimt, Stuck, Liebermann“
Alte Nationalgalerie
Museumsinsel Berlin
23. Juni bis 22. Oktober 2023

Hier meine Bilderserie mit 25 Fotos der Ausstellung:

Gustav Klimt „Judith“, 1901, Leihgabe aus dem Museum Belvedere, Wien, ph: Holger Jacobs

 

English text

„Secessions – Klimt, Stuck, Liebermann“ in the Old National Gallery

 

By Holger Jacobs


06/29/2023

Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 (four of five)

The dawn of modernity at the beginning of the 20th century in Vienna, Munich and Berlin

There aren’t many artists whose work is loved by everyone equally.
These include primarily the Impressionists around VAN GOGH, MONET, RENOIR and CÉZANNE.

Auguste Renoir, „Blühender Kastanienbaum“, 1881, Alte Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

Since the beginning of the 20th century, however, there has also been a man whose works are now breaking auction records:
GUSTAV KLIMT (1862 – 1918).
A few days ago, his painting „Lady with a Fan“ was auctioned at Sotheby’s in London for 85 million pounds.
However, his most famous painting is “The Kiss” from 1908, which many of you may know.

Gustav Klimt „Der Kuss“, 1908, Museum Belvedere, Wien -CC-Wikimedia Commons

The Alte Nationalgalerie in Berlin is now showing GUSTAV KLIMT and other important artists of the turn of the century in a remarkable exhibition.

Alte Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

Vienna Secession

GUSTAV KLIMT was already a recognized artist in Vienna at the end of the 19th century when a scandal broke out: he had designed a major commission from the University of Vienna to design the ceiling of the new building in such a provocative way that the members of the faculty rejected the paintings.

The fact that one of the thematic works, Philosophy, won the gold medal at the World Exhibition in Paris in 1889 did not interest conservative circles in turn-of-the-century Vienna.
Finally he was able to sell the three works to an art collector friend of his. Unfortunately the pictures were destroyed in World War II. Only sketches have been saved, which can now be seen in the Alte Nationalgalerie (see series of pictures at the end of the article).
This experience led GUSTAV KLIMT to free himself from old structures. As in Munich and later in Berlin, the young artists in Vienna found no recognition for their work in the conservative official artist associations of the time.

Plakat „Wiener Secession“, Kolomann Moser, 1900, Alte Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

GUSTAV KLIMT then founded the Vienna Secession together with other colleagues on April 3, 1897.
In addition to GUSTAV KLIMT, founding members were JOSEF HOFFMANN, KOLOMANN MOSER, JOSEPH MARIA OLBRICH and ANTON NOWAK.

While styles such as the Symbolism of FRANZ VON STUCK and in Berlin the Impressionism of MAX LIEBERMANN developed in the Munich Secession, in Vienna it was mainly Art Nouveau (Jugendstil) that determined the artistic technique and style of painting.
In Munich and Berlin, too, groups of artists were founded at almost the same time under the name Secession.

Berlin Secession

In Berlin it was the rejection of the Norwegian painter EDVARD MUNCH, who was not admitted to the annual major art exhibition, that led to great resentment among young Berlin artists.
Several artists, including MAX LIEBERMANN, LESSER URY and WALTER LEISTIKOW, then founded the Berlin Secession on May 2, 1898.
The more than 60 founding members also included, which was very unusual at the time, several women such as DORA HITZ, SABINE LEPSIUS and ERNESTINE SCHULTZE-NAUMBURG.

Plakat „Berliner Secession“, 1900, Alte Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

Even a new building was built in Berlin for the „renegades“, at Kantstrasse 12 in Berlin-Charlottenburg, designed by architect HANS GRISEBACH
(Unfortunately, the house did not survive the Second World War. Today there is a horribly ugly block of flats from the 1960s).
A year later, on May 19, 1899, the first exhibition of the Berlin Secession took place here with 330 paintings and 50 sculptures by 187 artists – an immense success!

Munich Secession

A new group was formed in Munich as early as 1892 under the name Verein Bildender Künstler e.V., which later called itself the Munich Secession.
Among the 96 founding members were FRANZ VON STUCK, LOVIS CORINTH, PETER BEHRENS (the later architect of the famous houses on Alexanderplatz in Berlin) and ANTON STADLER.
Even MAX LIEBERMANN and WALTER LEITIKOW from Berlin were initially registered here until a few years later the Berlin Secession was founded in the capital.
Since at the turn of the century far more artists were based in Munich than in Vienna or Berlin, the first exhibition of the Munich Secession on July 16, 1893 was almost bursting: 297 artists exhibited 876 works!
The reason for the large number was certainly also because almost all styles were allowed in Munich.
The goal was absolute artistic liberty.

Plakat „Münchner Secession“, Franz von Stuck, 1893, Alte Nationalgalerie, ph: Holger Jacobs

FRANZ VON STUCK, who became known far beyond the borders of Bavaria with his style of erotically charged Symbolism, found the greatest recognition. My recommendation: On a trip to the Bavarian metropolis, a person interested in art should definitely visit the Villa Stuck in the district of Bogenhausen!
The exhibition in the Alte Nationalgalerie in Berlin is now showing paintings, graphics and sculptures by 80 artists from the Secession period in Vienna, Munich and Berlin until the end of October.
A particular highlight are the works by GUSTAV KLIMT, which rarely leave Vienna’s museums.
I also find the juxtaposition of the three great masters GUSTAV KLIMT, FRANZ VON STUCK and MAX LIEBERMANN with their different painting styles in one large room very successful. It shows the variety of art styles with which the creative minds of the time wanted to herald a new era in art history.

„Secessions. Klimt, Stuck, Liebermann“
Old National Gallery
Museum Island Berlin
June 23 to October 22, 2023

Here is my picture series with 25 photos of the exhibition:

Gustav Klimt „Judith und Holofernes“, 1901, Leihgabe aus dem Museum Belvedere, Wien, ph: Holger Jacobs

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

Cookies help us deliver our services. By using our services, you agree to our use of cookies.