Berlinale 2020 – Johnny Depp in Minamata

Berlinale 2020 - Johnny Depp © Jacobs/ kultur24.berlin

Berlinale 2020 – Johnny Depp in Minamata

 

Von Holger Jacobs

23.02.2020

English text below

Der berühmte Star aus Hollywood kam mit einem engagierten Film über eine Umweltkatastrophe.

Immer wieder stellt sich die Frage, warum berühmte Schauspieler für die Filmbranche so wichtig sind. Ist dieser Starrummel notwendig?
Sieht man die Bilder meines kurzen Videos beim Ankommen von Johnny Depp zur Premiere seines neuen Films „Minamata“ bei der Berlinale 2020, dann könnte man meinen, seine Fans wollten ihn zerreißen.

Bewundernswert, wie Johnny Depp diese Hysterie bei der Premiere seines Films über sich ergehen ließ, obwohl ihm deutlich seine Schüchternheit und Sensibilität anzumerken ist. Ich an seiner Stelle hätte schlichtweg Panik bekommen. Diese Promotions-Touren für ihre Filme muss für manche Schauspieler ein wahrer Horrortrip sein.

Den Film „Minamata“ durften sich die Journalisten bereits einen Tag zuvor in einer Pressevorführung ansehen. Ein Film nach einer realen Begebenheit.
Es geht um eine Umweltkatastrophe, die sich ab den 50er Jahren an verschieden Küstenorten Japans ereignete, besonders aber in der Stadt Minamata. Dort betreibt der japanische Chemieriese Chisso ein Werk zur Herstellung von Acetaldehyd, ein Ausgangsstoff für die chemische Industrie zur Herstellung von weiteren Produkten, wie z.B. Essigäure. Bei der Herstellung wird Quecksilber verwendet, welches die Firma damals nach Gebrauch einfach ins Meer kippte. Das Quecksilber gelangte über das Trinkwasser und durch den Verzehr von Fischen in die Nahrungskette und damit direkt in die Körper der dort lebenden Menschen. Das Quecksilber greift das Nervensystem des Menschen an, verursacht Lähmungen, Psychosen und komaartige Zustände und kann bis zum Tod führen.

Der amerikanische Fotograf Eugene Smith (gespielt von Johnny Depp) war in den 40er Jahren Kriegsfotograf und begleitete die US-Truppen in ihren Kämpfen gegen die Japaner. In den 50er und 60er Jahren wird er einer der bekanntesten Fotografen beim berühmten LIFE Magazine. Er spezialisiert sich auf politische und soziale Themen. Dabei entwickelt er eine manische Perfektion in den Vergrößerungen seiner Bilder. Tagelang bleibt er in seinem Labor, um das beste Bild zu erzeugen. Dabei nimmt er Drogen, um mehrere Tage ohne Schlaf auszukommen. Mit seinem Chefredakteur steht er im ständigen Konflikt über den Abgabezeitpunkt der Bilder und die Qualität des Drucks.

Der echte Eugene Smith mit seiner Frau Aileen 1974 cc Fair Use Consuelo Kanaga

In den 60er Jahren begann Eugene Smith häufig nach Japan zu reisen. Dabei lernte er auch seine zweite Frau Aileen kennen. Sie drängte ihn eine Fotoserie über die missgestalteten Kinder aus der Stadt Minamata zu machen. Hier breitete sich, verursacht durch chemische Abfälle im Meer, die sogenannte Minamata-Krankheit aus. Über die Ereignisse, die zur Realisierung dieser Fotoserie über die Minamata-Krankheit führten, erzählt der Film. Auf Grund der beeindruckenden Bilder von Eugene Smith (siehe Foto) im Life Magazine kam der Chisso Konzern weltweit in Verruf und sah sich schließlich gezwungen an die Opfer Entschädigungen zu zahlen.

Eine Fotografie von Eugene Smith über die Minamata-Krankheit, abgedruckt im LIFE Magazine cc Fair Use W. Eugen Smith

Johnny Depp ist in seinem neuen Film „Minamata“ kaum wiederzuerkennen. Mit weißem Vollbart, Kraushaaren und einem französischen Barett auf dem Kopf sieht er dem 1978 verstorbenen Eugene Smith zum Verwechseln ähnlich (siehe Foto). Die Regie führte der 1977 in New York geborene, noch ziemlich unbekannte Regisseur und Produzent Andrew Levitas.
Levitas war z.B. Produzent des Films „My Zoe“ von Julie Delpy („Before Sunrise“) und dem Film „Georgetown“, in dem Christoph Waltz („Inglorious Bastards“) sein Debut als Regisseur gibt.

Johnny Depp als Eugene Smith in MINAMATA © Larry D. Horricks

„Minamata“ ist erst der zweite Film, bei dem Andrew Levitas Regie führte. Der Film ist ihm im Prinzip gut gelungen, von einigen Längen abgesehen. Levitas versucht die künstlerische Arbeit von Eugene Smith besonders eindrucksvoll herauszustellen, was teilweise zu sehr schönen Aufnahmen, teilweise aber auch zu Längen führt.

Dabei darf aber nicht die hervorragende Kameraführung von Benoit Delhomme vergessen werden. Delhomme ist einer der besten Kameramänner unserer Zeit, err drehte u.a. „Van Gogh“ von Julian Schnabel (Oscar für Willem Dafoe), „A Most Wanted Man“ von Anton Corbijn oder „Die Entdecknung der Unendlichkeit“ von James Marsh über den Physiker Stephen Hawkins (Oscar für Eddie Redmayne). Der Regisseur Andrew Levitas hatte also ein hervorragendes Team an seiner Seite.

Insgesamt fand ich den Film „Minamata“ durchaus gelungen, mit schönen Bildern, sehr engagiert für eine wichtige Sache, nur emotional hat er mich nicht berührt.
Vielleicht liegt es daran, dass ich einfach schon zu viele Umweltproblematiken als Thema im Kino gesehen habe und irgendwie kein wirkliches Interesse mehr daran entwickeln kann. Mit den schlimmen Folgen des Klimawandels unserer Erde sind wir alle bereits in der Wirklichkeit genug beschäftigt, auf der Kinoleinwand möchte ich es nicht auch noch sehen.

Zum Schluss noch ein Wort zu unserem Weltstar Johnny Depp:
Er spielt hier sehr zurückhaltend, fast schon minimalistisch. Selbst Wutausbrüche oder Verzweiflung werden bei ihm in diesem Film nur angedeutet. Er schien sehr bemüht dem echten Eugene Smith in der Darstellung so nahe wie möglich zu kommen. Eine gute schauspielerische Leistung von Johnny Depp und ein Zeichen dafür, dass er nicht nur verrückte Piraten spielen kann – auch wenn er das besonders gut kann…

Fazit: Ein würdiger Film für die Berlinale 2020

 

English text

Berlinale 2020 – Johnny Depp in Minamata
By Holger Jacobs
02/23/2020
The famous Hollywood star came with a dedicated film about an environmental disaster.
Again and again the question arises why famous actors are so important for the film industry. Is this star hype necessary?
If you look at the pictures of my short video when Johnny Depp arrives for the premiere of his new film „Minamata“ at the Berlinale 2020, one might think that his fans wanted to tear him apart.

It is admirable how Johnny Depp endured this hysteria at the premiere of his film, although he is clearly noticeable about his shyness and sensitivity.
I would have simply panicked in his place. These promotional tours for their films must be a real horror trip for sensible actors.
The journalists were allowed to watch the film „Minamata“ the day before in a press screening. A film based on a real event. It is an environmental catastrophe that occurred in various coastal locations in Japan from the 1950s, but especially in the city of Minamata. There, the Japanese chemical giant Chisso operates a plant for the production of acetaldehyde, a raw material for the chemical industry for the production of other products. Mercury is used in the production, which the company simply dumped into the sea after use. The mercury got into the food chain through tap water and through the consumption of fish and thus directly into the bodies of the people living there. The mercury attacks the human nervous system, causes paralysis, psychoses and coma-like conditions and can lead to death.

The American photographer Eugene Smith (played by Johnny Depp) was a war photographer in the 1940s and accompanied US troops in their struggles against the Japanese. In the 50s and 60s, he became one of the best-known photographers for the famous LIFE Magazine. He specializes in political and social issues. He develops a manic perfection in the developing of his pictures. He stays in his laboratory for days to create the best picture. He takes drugs to get by without sleep for several days. With his editor-in-chief, he is in constant conflict over the time of submission of the images and the quality of the print.

Der echte Eugene Smith mit seiner Frau Aileen 1974 cc Fair Use Consuelo Kanaga

In the 1960s, Eugene Smith began to travel to Japan frequently. He also met his second wife Aileen. She urges him to take a series of photos of the deformed children from the city of Minamata. Here, caused by chemical waste in the sea, the so-called Minamata disease spread. The film tells about the events that led to the realization of this series of photos about Minamata disease. Due to the impressive pictures of Eugene Smith (see photo) in Life Magazine, the Chisso Group came into disrepute worldwide and was finally forced to pay compensation to the victims.
Johnny Depp is hardly recognizable in his new movie „Minamata“.
With a white full beard, curly hair and a French beret on his head, he looks confusingly similar to Eugene Smith, who died in 1978 (see photo).
The movie is directed by Andrew Levitas, who was born in New York in 1977 and is still relatively unknown. Levitas was among others producer of the film „My Zoe“ by Julie Delpy („Before Sunrise“) and the film „Georgetown“, in which Christoph Waltz („Inglorious Bastards“) makes his directorial debut.

Johnny Depp als Eugene Smith in MINAMATA © Larry D. Horricks

„Minamata“ is only the second film directed by Andrew Levitas. In principle, the film worked well, apart from a few lengths.
Levitas tries to emphasize Eugene Smith’s artistic work particularly impressively, which sometimes leads to very beautiful shots, but sometimes also leads to lengths.
But don’t forget Benoit Delhomme’s excellent camera work. Delhomme is one of the best operator of our time, he shot among others „Van Gogh“ by Julian Schnabel (Oscar for Willem Dafoe), „A Most Wanted Man“ by Anton Corbijn or „The Discovery of Infinity“ by James Marsh about the physicist Stephen Hawkins (Oscar for Eddie Redmayne). So the director Andrew Levitas had an excellent team at his side.
Overall, I found the film „Minamata“ well done, with nice pictures, very committed to an important thing, only it didn’t touch me emotionally.
Perhaps it is because I have already seen too many environmental problems as a topic in the cinema and somehow can no longer develop any real interest in it.
We are all already sufficiently concerned with the consequences of climate change on Earth, I don’t want to see it on the big screen either.
Finally, a word about our world star Johnny Depp.
He plays very reserved, almost minimalist here. Even outbursts of anger or despair are only hinted at in this movie. He seemed to be trying very hard to get as close as possible to the real Eugene Smith. A good acting performance by Johnny Depp and a sign that he can not only play crazy pirates – even if he is particularly good at it …
Conclusion: A worthy film for the Berlinale 2020

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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