Der alltägliche Rassismus – Othello am Maxim Gorki Theater

Othello - Maxim Gorki Theater © Esra Rotthoff

Der alltägliche Rassismus – Othello am Maxim Gorki Theater

 

Von Holger Jacobs

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20.2.2016

 

Liebe Kulturfreunde,

 

Intro:

 

Othello am Maxim Gorki Theater ist das Stück der Stunde – zumindest wenn man unsere politische Situation auf Grund der Flüchtlingskrise in Deutschland betrachtet. Nicht, dass das Stück um Flüchtlinge ginge, aber um das Anderssein innerhalb einer feindlichen Gesellschaft.

 

Handlung :

 

Das Stück „The Tragedy of Othello, the Moor of Venice“ schrieb Shakespeare vermutlich 1603 und geht auf die Schlacht bei Nikosia vor Zypern zwischen den Osmanen und der Venezianischen Flotte zurück. Die Übersetzung in „Mohr“ wäre richtiger in „Maure“ gewesen, einem aus Mauretanien stammender farbiger Moslem. Die Andersartigkeit in Aussehen und Religion unterscheidet ihn von den Bürgern von Venedig und führt zu seiner Ablehnung. Die heimliche Heirat mit Desdemona, einen Mädchen aus guter, venezianischer Familie, führt zu weiteren Spannungen. Die Geschichte beginnt, als Othello als Feldherr von Venedigs Truppen einen neuen Leutnant für seine Armee bestimmen soll und nicht den erfahrenen Jago, sondern den jungen Cassio dafür vorsieht. Daraufhin spinnt Jago aus Rache eine Intrige, die zum Ziel hat Othello denken zu lassen, seine Frau Desdemona hätte ein Verhältnis mit Cassio. Als er bei Cassio ein Taschentuch von Desdemona findet glaubt er letztlich die Geschichte und bringt zuerst Desdemona und dann sich selbst um.

 

Kritik:

 

Für Shermin Langhoff, die selbst aus der Türkei stammt und seit 2012 Intendantin des Maxim Gorki Theaters ist, sind Themen wie Unterdrückung und Ausgrenzung immer sehr wichtig. Sei es das Drama „Musa Dagh“ über den Genozid an den Armeniern, sei es in Hans Falladas „Kleiner Mann, was nun“, über einen kleinen Angestellten, der ständig versucht etwas aus seinem Leben zu machen und doch immer wieder von der Gesellschaft an die Wand gedrückt wird oder eben jetzt „Othello“, bei der es dem Regisseur Christian Weise weniger um das Eifersuchtsdrama, als vielmehr um die Andersartigkeit eines Menschen in einer feindlichen Gesellschaft geht. Und damit befinden wir uns direkt katapultiert in unsere heutige politische Debatte über die Tausenden von Flüchtlingen aus Afrika und dem Nahen Osten, die von vielen hier in Europa als andersartig angesehen und deshalb abgelehnt werden.

 

Der Regisseur Christian Weisig hat zusammen mit Soeren Voima eine neue Fassung des Dramas von Shakespeare geschrieben, welche originale Textpassagen mit neuer, deutscher Sprache verbindet. Bei der Inszenierung kommen zwei Ansätze zum tragen. 1. Verhalten sich die Protagonisten auf der Bühne wie Marionetten, als wären sie fremdgesteuert. Und 2. erscheinen alle Schauspieler in Clowns-Kostümen, nur Othello in normalen Jeans und Hoody-Sweatshirt. Das eine könnte zeigen, dass ein Mensch alleine wohl gar keinen „Andersartigen“ ablehnen würde, sondern das erst durch eine fremdenfeindliche Gemeinschaft der Hass entsteht und dadurch die Meinung des Einzelnen manipuliert wird. Und die unterschiedliche Kostümierung könnte zeigen, dass nicht der Mohr der „Unnormale“ ist, sondern vielmehr die anderen. Wir kennen dieses Gefühl manchmal selbst, wenn wir uns von unseren Freunden missverstanden fühlen und denken: Sind eigentlich die anderen verrückt oder bin ich es?

 

Der Nachteil bei dieser im Prinzip guten Regie-Idee ist leider, dass es am Anfang ein bisschen wie ein Kasperle-Theater wirkt. Die Komik soll durch die Verkleidungen und den clownesken Masken allzu stark provoziert werden. Erst als Othello (Taner Sahintürk) seinen starken Monolog ungefähr zur Hälfte des Stücks vorträgt, gewinnt die Inszenierung an notwendigem Ernst. Somit wird die 2. Hälfte des Stücks eindeutig zur besseren, wenn Komik und Dramatik sich die Waage halten.

 

Sehr stark ist das Bühnenbild, welches die Holztäfelung des Zuschauerraumes in die Bühne fortführt, noch verstärkt durch die Videotechnik. Auch wenn ein paar der Holzpaneele bei der Premiere abfielen: Es war ein beeindruckender Abend der nachwirkt. Großer Applaus und Bravo-Rufe.

 

Es spielen: Till Wonka (Rodrigo), Thomas Wodianka (Jago), Jens Dohle (Musiker), Taner Sahintürk (Othello), Aram Tafreshian (Desdemona), Oscar Olivo (Cassio), Falk Effenberger (Musiker), Falilou Seck (Emilia), Bühne + Video: Julia Oschatz, Kostüme: Andy Besuch, Musik: Jens Dohle und FalK Effenberger.

Nächste Vorstellungen: 27. und 28. Februar und am 27. und 28. März 2016.

Schlussapplaus bei der Premiere von "Othello" am 19.2.2016 mit v.l.n.r. Till Wonka (Rodrigo), Thomas Wodianka (Jago), Jens Dohle (Musiker), Taner Sahintürk (Othello), Aram Tafreshian (Desdemona), Oscar Olivo (Cassio), Falk Effenberger (Musiker), Falilou Seck (Emilia) © Holger Jacobs

Schlussapplaus bei der Premiere von „Othello“ am 19.2.2016 mit v.l.n.r. Till Wonka (Rodrigo), Thomas Wodianka (Jago), Jens Dohle (Musiker), Taner Sahintürk (Othello), Aram Tafreshian (Desdemona), Oscar Olivo (Cassio), Falk Effenberger (Musiker), Falilou Seck (Emilia) © Holger Jacobs

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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