DER ROSENKAVALIER in der Staatsoper Berlin
Von Holger Jacobs
10.02.2020
Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)
Der Österreicher André Heller brachte gestern Abend mit viel Wiener Charme eine in Teilen überzeugende Inszenierung auf die Bühne. Viele Bravos und einige Buhrufe.
Schon bei der Bekanntgabe der Premieren für die Saison 2019/ 2020 im letzten Frühjahr viel sofort der Name André Heller auf. Ist das nicht dieser Liedermacher aus Wien? Was hat der mit Opern zu tun? Eigentlich nichts, und doch sollte er den „Rosenkavalier“ von Richard Strauss in Berlin inszenieren.
Der Name André Heller tauchte bei mir in meiner Studienzeit Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre, in München auf. Mehrere meiner weiblichen Kommilitonen schwärmten für diesen gutaussehenden Mann aus Österreich, dessen Musik mir aber nicht viel sagte. Da ich Mitte der 80er Jahre den deutschsprachigen Raum verließ kam mir sein Name erst knapp 40 Jahre später durch die Pressemitteilung der Staatsoper wieder ins Bewusstsein.
7 Applausbilder vom Premierenabend:
Künstler aus verschiedenen kreativen Berufen als Regisseure für Opern einzubinden kann durchaus spannend sein. Nicht von ungefähr erwartet der Opernfreund dabei neue Impulse für diese alte Bühnenkunst. So feiert z.B. Philipp Stölzl, ursprünglich Realisateur von Musikclips für Rammstein, Madonna und Garbage und Werbefilmer für BMW, Nokia, Rolex und Sony, seit 2005 große Erfolge als Opernregisseur. Auch in Berlin: Für die Deutsche Oper inszenierte Stölzl 2015 recht erfolgreich den „Faust“ von Boris Godunow.
Handlung
Ort ist das Wien um die Jahrhundertwende, in der Stände, Adelstitel, Benimmregeln und gekünstelte Ausdrucksweisen noch eine große Rolle spielten. In Richard Strauss‘ 1911 uraufgeführter -Komödie mit Musik- „Der Rosenkavalier“ mit einem Libretto von Hugo von Hofmannsthal geht es nicht ganz so heiter zu, wie diese vorgenannte Bezeichnung den Anschein macht. Es geht um Menschen im vorgerücktem Alter, die sich immer noch nach sexueller Erfüllung sehnen und sich dafür jüngere Partner suchen. Und es geht um die Zeit, die für alle unaufhaltsam vorbeirinnt und nicht aufzuhalten ist.
Die Frau des Feldmarschalls Werdenberg (Camilla Nylund) hat sich den jungen 17-jährigen Octavian als Liebhaber zugelegt. Nach einer Liebesnacht mit Octavian erscheint plötzlich ihr Vetter Baron Ochs (Günther Groisböck). Um einen Skandal zu verhindern verkleidet sich der Liebhaber schnell als Dienstmagd. Ochs, der eigentlich gekommen war, um sich der Unterstützung der Feldmarschallin bei der Brautwerbung für die junge Sophie von Faninal (Nadine Sierra) zu versichern, macht als alter Macho sogleich die verkleidete Dienstmagd an. Er selber, wohl um die 45 Jahre alt, will eine 15-jährige Klosterschülerin aus reichem Hause heiraten. Der Vater von Sophie ist trotz des Altersunterschieds einverstanden, denn Ochs kommt aus einem älteren Adelsgeschlecht als er selbst. Ochs wiederum hat zwar kein Geld, dafür den Titel. Die Feldmarschallin soll Ochs einen Rosenkavalier vorschlagen, der am Tag der Hochzeit eine Rose als Zeichen der Liebe an die Braut übergibt. Diese schlägt prompt Octavian vor, um sich mit dem alten Schwerenöter einen Spass zu erlauben. Am Schluss wird in einer dramatischen Szene alles aufgeklärt, doch Octavian hat sich in die gleichaltrige Sophie verliebt und sowohl Baron Ochs wie auch die Feldmarschallin bleiben allein zurück…
5 Bilder der Ausstellung von Xenia Hausner
Kritik
André Heller (*1947) legte in seiner Inszenierung sehr viel Wert auf Wiener Originalität. Für die Rolle des Baron Ochs holte er den Österreichischen Sänger Günther Grossböck (*1974), der diesen Part bereits mit viel Wiener Schmäh in mehreren Inszenierungen sehr erfolgreich singen durfte: So bei den Salzburger Festspielen 2014, sowie in der Met in New York, in Wien und in München. Günther Groissböck war gestern bei der Premiere in Berlin dementsprechend der Star des Abends.
Auch mit der Bühnenbildnerin Xenia Hausner (*1951) holte Heller sich eine waschechte Wienerin. Diese hatte bereits eine langjährige Karriere als Bühnenbildnerin hinter sich, als sie sich 1990 ganz der künstlerischen Malerei zuwandte. Dazu gibt es gleich neben der Staatsoper eine Ausstellung mit ihren Arbeiten im Palais Populaire zu sehen. Für seine Inszenierung des „Rosenkavalier“ konnte André Heller sie wieder auf die Bühne zurückholen. Und das mit großer Kunst: Jedes der drei Akte hat ein akribisch ausgearbeitetes Bühnenbild, wobei das schönste sicher im 2. Akt zu sehen ist, wenn die Szene sich im großbürgerlichen Salon des reichen Fananil abspielt, der seine Räume in einer Mischung aus Jugendstil und Art Déco einrichtete. Mit herrlichen Wandgemälden von Gustav Klimt. Ein Augenschmauss!
20 Bilder vom „Rosenkavalier“:
Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass die Inszenierung hauptsächlich durch die Atmosphäre der Bühnenbilder bestimmt wird. Denn André Hellers Personenregie ist dermaßen zurückhaltend, dass hier mehr von „arrangieren“, als von „inszenieren“ (wie mir Schauspieler Ulrich Matthes in der Pause verriet) gesprochen werden kann. Dadurch wirken viele Szenen langweilig und zäh. In der Schlusssequenz stehen die Sänger gar minutenlang herum, ohne zu wissen, was sie eigentlich tun sollen.
Die Hauptaufgabe André Hellers sah er selbst wohl darin, für jeden Teil dieser Produktion die besten Leute zusammenzubringen, die derzeit zur Verfügung stehen.
Sei es Camilla Nylund, die mit großer Würde und nuancierter Stimme eine überzeugende Feldmarschallin darstellt. Sei es Günther Groissböck, der wienerischer und machohafter nicht sein könnte. Sei es Nadine Sierra, die zauberhaft die junge Sophie spielt und singt. Und schließlich Michèle Losier, die mit ihrem burschikosen Kurzhaarschnitt und guter Stimmlage perfekt die Hosenrolle des Octavian präsentiert.
Und natürlich nicht zu vergessen Zubin Mehta als einer der besten Dirigenten der Welt, der diese wunderbare Musik von Richard Strauss mit viel Musikalität zu interpretieren vermochte.
Fazit: Für Strauss-Fans ein MUSS. Für alle anderen gilt: Die Dauer von 4 1/2 Stunden ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Zumal die Inszenierung viele Längen aufweist.
„Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss
Premiere war am 09.02.2020
Staatsoper Berlin
Musikalische Leitung: Zubin Mehta, Inszenierung: André Heller, Bühnenbild: Xenia Hausner, Kostüme: Arthur Arbesser.
Mit: Camilla Nylund (Feldmarschallin Werdenberg), Günther Groissböck Baron Ochs), Michèle Losier (Octavian), Roman Trekel (Vater Faninal), Nadine Sierra Sophie von Faninal),
Mit dem Staatsopernchor und der Staatskapelle Berlin
Unser Trailer vom „Rosenkavalier“ auf kultur24 TV:
English text
DER ROSENKAVALIER in the Staatsoper Berlin
By Holger Jacobs
09/10/2020
Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 (four out of five)
The Austrian André Heller brought a partly convincing staging onto the stage last night with a lot of Viennese charm. Many bravos and some boos.
When the premieres of the 2019/2020 season were announced last spring, the name André Heller immediately caught on. Isn’t that this songwriter from Vienna? What does it have to do with operas? Nothing really, and yet he was supposed to stage Richard Strauss‘ „Rosenkavalier“ in Berlin.
The name André Heller appeared in my studies in Munich in the late 1970s and early 1980s. Several of my fellow female students raved about this handsome man from Austria, whose music didn’t say much to me. Since I left the German-speaking area in the mid-1980s, his name came to my attention only 40 years later in the press release by the State Opera.
Involving artists from various creative professions as directors for operas can be exciting. It is no coincidence that the opera lover expects new impulses for this old stage art. For example, Philipp Stölzl, originally realizer of music clips for Rammstein, Madonna and Garbage and commercials for BMW, Nokia, Rolex and Sony, has had great success as an opera director since 2005. Also in Berlin: Stölzl staged Boris Godunow’s „Faust“ quite successfully for the Deutsche Oper in 2015.
Story
The place is Vienna around the turn of the century, in which estates, titles of nobility, rules of conduct and artificial expressions still played a major role. Richard Strauss’s „Comedy with Music“, premiered in 1911 with a libretto by Hugo von Hofmannsthal, is not quite as cheerful as the above term suggests. It is about people of advanced age who are still yearning for sexual fulfillment and are looking for younger partners. And it is about the time that is running inexorably for everyone and cannot be stopped.
The wife of Field Marshal Werdenberg, Marie-Therese (Camilla Nylund), has acquired the young lover Octavian. After a night of love with Octavian, her cousin Baron Ochs (Günther Groisböck) appears unexpectedly one day. To prevent a scandal, the lover quickly dresses up as a maid. Ochs, who had actually come to ensure the support of Mrs Werdenberg in the bridal advertisement for the young Sophie von Faninal (Nadine Sierra), immediately hits on the disguised maid as an old macho. He himself, probably around 45 years old, wants to marry a 15-year-old monastery student from a rich family. Sophie’s father agrees despite the age difference, because Ochs comes from an older noble family than himself. Ochs, on the other hand, has no money, but the title. Marie-Therese is to propose a „Rosenkavalier“ to Ochs, who hands a rose to the bride on the day of the wedding as a sign of love. She proposes Octavian as „Rosenkavalier“ to trick Baron Ochs. In the end everything is cleared up in a dramatic scene, but Octavian fell in love with young Sophie of the same age and both, Baron Ochs and Marie-Therese, are left alone …
Critics
André Heller (* 1947) placed great emphasis on Viennese originality in his production. For the role of Baron Ochs he brought in the Austrian singer Günther Grossböck (* 1974), who had already been able to sing this part very successfully in several productions: at the Salzburg Festival 2014, as well as at the Met in New York, in Vienna and Munich. Günther Groissböck was the star of the evening yesterday at the premiere in Berlin.
With the stage designer Xenia Hausner (* 1951), Heller also got a real Viennese. She had already had a long career as a stage designer when she turned completely to artistic painting in 1990. There is also an exhibition with her works in the Palais Populaire right next to the State Opera.
André Heller was able to bring her back on stage for his production of the „Rosenkavalier“. And that with great work: each of the three acts has a meticulously worked out stage design, whereby the most beautiful you can certainly see in Act 2, when the scene takes place in the bourgeois salon of the rich Fananil, who decorated his room in a mixture of Art Nouveau and Art Deco set up. With wonderful murals by Gustav Klimt. A feast for the eyes!
I would even go so far as to say that the staging is mainly determined by the atmosphere of the stage sets, thanks to Xenia Hausner.
André Heller’s directing is so minimalistic that there is more to say about „arranging“ than „staging“ (as actor Ulrich Matthes told me during the break). This makes many scenes look a little bit boring.
In the final sequence, the singers stand around for minutes without knowing what to do.
André Heller’s main task was probably to bring together the best people available for each part of this production.
So with the wonderful soprano Camilla Nylund, who represents a convincing Feldmarschallin Weidenberg with great dignity and a nuanced voice. So with Günther Groissböck, who could not be more Viennese and macho. So with Nadine Sierra, who magically plays and sings the young Sophie. And finally Michèle Losier, who perfectly presents the Octavian „male role“ with her boyish short haircut and good voice.
And of course not to forget Zubin Mehta as one of the best conductors in the world, who was able to interpret this wonderful music by Richard Strauss with a lot of musicality.
Conclusion: a MUST SEE for Strauss fans.
For everyone else: The duration of 4 1/2 hours may not be for everyone. Especially since the staging has many lengths.
„Der Rosenkavalier“ by Richard Strauss
Premiere was on 09.02.2020
Staatsoper Berlin
Musical direction: Zubin Mehta, production: André Heller, set design: Xenia Hausner, costumes: Arthur Arbesser,
With: Camilla Nylund (Feldmarschallin Werdenberg), Günther Groissböck Baron Ochs), Michèle Losier (Octavian), Roman Trekel (father Faninal), Nadine Sierra Sophie von Faninal), with the Staatsopernchor and the Staatskapelle Berlin
20 pictures of „Der Rosenkavalier“
Author: Holger Jacobs
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Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.