Die Bücher Tipps im März 2021

Die Bücher Tipps März 2021 © kultur24.berlin

Die Bücher Tipps im März 2021

 

Von Jörg Braunsdorf

10.02.2021

Hoffnung in irrationalen Zeiten speist sich im Monat März aus den Errungenschaften der Frauenbewegung, die das Land Berlin seit 2019 mit dem 8. März als gesetzlichen Feiertag würdigt.

Deshalb unsere Bücher Tipps heute mit gleich mehreren starken Frauen:

„Weite Wege in die Freiheit- Erinnerungen an die Resistenza“, Joyce Lussu, Mandelbaum Verlag.
1945 erschienen, ist es eine der frühesten biographisch-literarischen Zeugnisse der italienischen Resistenza.
Gleichzeitig ist es eine europäische Geschichte.
Die Aristokratin, Sozialistin, Schriftstellerin und Übersetzerin Joyce Lussu erzählt von ihrem und ihrem Ehemann Emilio Einsatz für Freiheit und gegen den Faschismus zwischen 1940 – 1943 in Frankreich, Spanien, Portugal, England und Italien.
Spannend und authentisch ist es sowohl Biographie, Dokumentation des antifaschistischen Widerstands, als auch Abenteuerroman.
Bemerkenswert, daß alle Kapitel des Buches mit Frauennamen bezeichnet sind, Hommage an starke Persönlichkeiten, ohne die das klandestine Leben gegen die Barbarei kaum möglich gewesen wäre.
Mit Humor zeichnet sie dabei europäische Diversität auf, wenn sie, z. Bsp. über die „Kunst der Konversation in England“ schreibt: … „Worüber plaudert man denn unter wohlerzogenen Engländerinnen? Über sich selbst darf man nicht sprechen, das wäre geschmacklos… Die einzigen Argumente, die man in der guten Gesellschaft Englands sorglos vorbringen kann, sind Golf, Gartenbau und die Krankheiten von Jagdhunden.
Da ich diesbezüglich vollkommen unkundig war, mußte ich notgedrungen schweigen.“ (S. 83)

„WEITE WEGE IN DIE CREIHEIT“, Joyce Lussu © Mandelbaum Verlag

„Menschlichkeit in Zeiten der Angst“, Julia Leeb, Suhrkamp Verlag.
Die Fotojournalistin Julia Leeb berichtet von den gefährlichsten Orten der Welt, öffnet uns eindringlich die Augen über Alltäglichkeiten in Kriegs- und Krisengebieten, die schwer zu verdauen sind. Sie erzählt persönlich und authentisch, verzichtet auf den Pathos angeblicher Heldengeschichten. Hoffnung schöpft sie aus Begegnungen, vor allem mit Frauen, deren Alltag einen Weg aus Gewalt und Zerstörung weist.
Dabei verschweigt sie keine Widersprüche, etwa die der Kämpferin Justine im Kongo, die ihr sympathisch sei, die aber zugleich vom Opfer zur Täterin wurde: „Ich war Bäuerin, sagt sie mit heller Stimme. „Heute bin ich Soldatin.“ (S. 150)
Allerdings, sie individualisiert nicht, sie erkennt, was Krieg aus Menschen machen kann (S. 139ff). In dem bemerkenswert reflexiven Kapitel „Die Arbeit als freie Journalistin“ in der Mitte des Buches beschreibt sie ihren Anspruch an unabhängigen Journalismus in dem sie u.a. ausführt, „Machtmissbrauch halte ich für böse, aber ebenso die Indifferenz, mit der wir dem Bösen begegnen“ (S. 115ff/Zitat S. 125)
DAS ERSTE brachte am 17.01.2021 in der Sendung „Titel, Thesen, Temperamente“ einen Beitrag über Julia Leeb.

„MENSCHLICHKEIT IN ZEITEN DER ANGST“, Julia Leeb © Suhrkamp Verlag

„Senor Herreras blühende Intuition“, Linus Reichlin, Galiani Verlag.
Ein Schriftsteller zieht für einige Zeit in ein bettelarmes Zisterzienserkloster im Süden Spaniens, um Ruhe zum Schreiben seines neuen Romans zu finden. Empfangen wird er von dem Ex-Matador, Koch des Klosters und Gästebetreuer, Senor Herreras.
Dort leben drei uralte und eine jüngere Nonne. Letztere interpretiert ihr Klosterleben sehr individuell, es deutet sich ein krimineller Plot an, aber lest selber!
Um es vorwegzunehmen, es ist eine turbulente, witzige und lebenskluge Geschichte, deren Höhepunkte immer wieder in den herrlichen Dialogen der beiden Männer gipfeln, die den Vergleich mit dem Humor von LORIOT nicht zu scheuen brauchen.

„SENOR HERRERAS BLÜHENDE INTENTION“, Linus Reichlin © Galiani Verlag

„Ein Stadtmensch im Wald“, H. D. Walden, Galiani Verlag.
Ein weiterer Roman aus dem Galiani Verlag, der übrigens seine Verlagsräume in meiner unmittelbaren Nachbarschaft, in der Friedrichstrasse, hat.
110 Seiten Natur- und Walderfahrungen eines typisch-urbanen Berliners, der zu Beginn der aktuellen Pandemie in die Datscha seiner Freundin, mitten im Wald des Ruppiner Wald- und Seengebietes, zieht.
Statt Infektions- und  Inzidenzzahlen trifft der Naturbanause auf einen räudigen Fuchs, lernt die Cleverness eines Waschbären und heimische Vogelarten kennen und fragt sich, weshalb eine winzige Maus nachts einen Lärm veranstalten kann, der ihm den Schlaf raubt.
Wer den Autorennamen H.D. Walden recherchiert, stößt schnell auf den Autor des zivilisationskritischen Schriftstellers Henri David Thoreau und dessen 1854 erschiene Reflexionen über seine Aussteigerzeit in einer Blockhütte: „Walden – oder vom Leben in den Wäldern“.

„EIN STADTMENSCH IM WALD“, H.D. Walden © Galiani Verlag

„Voll fiese Flora“, Monika Geier, Ariadne Argument Verlag
Hilfreich für H.D. Waldens Naturkonfrontationen, die ich bereits oben beschrieben habe, wäre garantiert das wunderschön von der Autorin selbst illustrierte Buch „Voll fiese Flora“, in der die Kriminalautorin Monika Geier in vier Jahreszeiten zugeordnete Kapitel 30 einheimische Giftplanzen „schwesterlich“ betrachtet.
Zum Beispiel zum Monat Frühling: „Das ist die Zeit der Petersilien. Denn Petersilie hält Distanz. … Abstand einhalten, muß ihr niemand vorschreiben, …
Daher könnten wir sie im Moment als Vorbild betrachten, quasi als Corona-Kraut…
Jede Not hat halt ihre Helden… nicht immer die Nettesten. “ (S. 24).
Und die Hundspetersilie kann, so Geier, schon in kleinen Mengen toxisch sein.

„VOLL FIESE FLORA“, Monika Geier © Ariadne Argument Verlag

Monika Geier hat übrigens bei Ariadne Argument schon acht Kriminalromane mit der Kommissarin Bettina Boll geschrieben.
Zum Beispiel entdeckt in dem Buch „Schwarzwild“ eine Ärztin beim Wandern im Pfälzer Wald verdächtig menschenähnliche Knochen in einem Wildschweinpferch…

Falls Ihr noch Fragen habt oder gern weitere Buchempfehlungen benötigt:
Unseren kultur24-Autoren Jörg Braunsdorf findet Ihr in seiner Tucholsky Buchhandlung, Tucholskystr. 47 in 10117 Berlin-Mitte.

Hier ein paar Bilder der Fotografin und Autorin JULIA LEEB aus Ihrem Buch „Menschlichkeit in Zeiten der Angst“:

Kairo, Tarier Platz, 2011 © Julia Leeb/ Suhrkamp Verlag

 

 

Author: Jörg Braunsdorf

Jörg Braunsdorf ist Inhaber der 2010 gegründeten Tucholsky-Buchhandlung in der Tucholskystraße 47 in Berlin-Mitte.
Auszeichnungen: 4-maliger Gewinner des Deutschen Buchhandlungspreises, zuletzt für das Jahr 2020

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