Die lustigen Weiber von Windsor in der Staatsoper
Von Holger Jacobs
04.10.2019
Wertung: 🙂 🙂 🙂 (drei von fünf)
Großer Applaus gestern Abend bei der Premiere in der Staatsoper Unter den Linden.
Shakespeares Dramen und Komödien wurden schon immer gerne als Grundlage für Opern genommen. So gibt es allein vom „Sommernachtstraum“ vier Adaptionen: von Mendelssohn-Bartholdy, Henry Purcell, Ambroise Thomas und Benjamin Britten.
Auch „The Merry Wives of Windsor“, ca. 1598 von William Shakespeare geschrieben, wurde sowohl von Guiseppe Verdi unter dem Titel „Falstaff“ (ebenfalls als Inszenierung seit 2018 an der Staatsoper Berlin), als auch von Otto Nikolai unter dem Titel „Die lustigen Weiber von Windsor“ vertont.
Carl Otto Ehrenfried Nicolai (*1810 – †1849) ging es ähnlich wie ein halbes Jahrhundert zuvor dem Komponisten Antonio Salieri: Er stand im Schatten eines noch Größeren. Während Salieri in Vergessenheit geriet wurde sein Altersgenosse Mozart zum Genie erklärt (Der Film „Amadeus“ von Milos Forman zeigt die Rivalität auf eindrucksvolle Weise).
Auch Otto Nicolai musste neben Guiseppe Verdi (*1913 – † 1901) den kürzeren ziehen. Dessen „Falstaff“ wird immer wieder auf allen Opernbühnen der Welt gesungen, Nicolais „Weiber“ nur selten.
Der Unterschied beider Werke war gestern auch deutlich zu hören (und zu sehen). Verdis Oper kommt zwar humorvoll daher, bleibt aber dennoch immer seriös. Verdi nimmt seine Protagonisten trotz ihrer Fehler ernst. Demgegenüber erscheint Nicolais „Weiber“ wie eine seichte Komödie im Stile einer Rosamunde Pilcher.
Die Partitur Otto Nicolais ist aber durchaus ansprechend. Ein paar besonders schöne Arien kommen in seiner Oper vor, wie z.B. die von Frau Fluth gesungene Arie „Wir schworen uns ewige Liebe“ am Ende des ersten Aktes oder das Duett der beiden Liebenden, Fenton und Anna, Mitte des zweiten Aktes, begleitet von einem wunderschönen Geigen-Solo.
Handlung
Sir John Falstaff möchte zwei Frauen, Frau Fluth und Frau Reich, für sich gewinnen, obwohl sie verheiratet sind. Doch die beiden machen sich nur lustig über ihn und seiner dicklichen Gestalt und spielen ihm einen bösen Streich. Währenddessen schäumt der Ehemann von Frau Fluth vor Eifersucht. So wird auch er zum Gespött der listigen Frauen. Die Tochter von Herr und Frau Reich, Anna, wird gleich von drei Männern umschwärmt. Doch diese liebt nur Fenton und läßt die anderen beiden kalt abblitzen. In einer hellen Mondnacht kommt es zum großen Showdown mit allen Beteiligten im Wald.
Kritik
Obwohl an diesem Premierenabend auch dem Regisseur David Bösch und seinem Team, Patrick Bannwart für das Bühnenbild und Falko Herold für die Kostüme, große Begeisterung entgegenbrandete, konnte ich diese Begeisterung nicht teilen.
Gleich nachdem sich der Vorhang hebt, werden zwei hässliche 60er Jahre Beton-Bungalows sichtbar, in denen die Familien Fluth und Reich wohnen. Mit Satellitenschüssel auf dem Dach und mehreren Wäscheleinen um das ganze Haus. Laut Aussage des Regisseurs soll dies eine Vorstadt-Idylle darstellen, für mich wirkte es eher wie ein Präkariat-Milieu. Hässlich die Häuser, hässlich die Gärten, hässlich die Einrichtung und hässlich die Kleidung. Der Hintergrund einfach nur schwarz. Diese Szenerie fand ich weder komisch noch Interessant und auch nicht als Karikatur zu verstehen. Somit viel es mir schwer in diese Geschichte einzutauchen.
Neben der durchaus ansprechenden Musik war die Leistung der Sänger*innen hervorragend. Allen voran Mandy Fredrich als Frau Fluth. Einen so wohl klingenden und präzisen Koloratursopran habe ich schon lange nicht gehört. Michael Volle als ihr Bühnen-Ehemann Herr Fluth ist ebenfalls großartig. Besonders sein überzeugendes Spiel hat mich begeistert. Auch Anna Prohaska als Tochter Anna Reich kann wieder einmal ihre schöne Stimme zum Ausdruck bringen. Sie würde ich gerne öfters in der Staatsoper hören. Einzig René Pape als John Falstaff hat mir weniger gefallen. Ob es an seiner Partitur, oder an dem schwerfälligen Kostüm lag, kann ich nicht sagen. Aber irgendwie war seine Stimme am gestrigen Abend nur wenig zu vernehmen. Sowohl im realen, wie auch im übertragenen Sinne. Schade.
Der Chor unter Martin Wright war wie immer ohne Fehl und Tadel, Daniel Barenboim und seine Staatskapelle lebendig und schwungvoll.
Fazit: Im Vergleich beider Inszenierungen, „Falstaff“ und die „Weiber“, würde ich Verdi den Vorzug geben.
„Die lustigen Weiber von Windsor“
Staatsoper Unter den Linden
Musikalische Leitung: Daniel Barenboim, Inszenierung: David Bösch, Bühnenbild: Patrick Bannwart, Kostüme: Falko Herold, Licht: Michael Bauer, Dramarturgie: Detlef Giese.
Mit: René Pape (John Falstaff), Michael Volle (Herr Fluth), Mandy Fredrich (Frau Fluth), Michaela Schuster (Frau Reich), Wilhelm Schwinghammer (Herr Reich), Anna Prohaska (Anna Reich), Pavol Breslik (Fenton), Linard Vrielink (Spärlich), David Ostrek (Cajus)
Nächste Vorstellungen: 5., 9., 11., 13. und 19. Oktober 2019
Hier unsere Bilderserie mit 15 Fotos der Produktion „Die lustigen Weiber von Windsor“:
English text
The Merry Wives of Windsor in the Staatsoper Berlin
By Holger Jacobs
04/10/2019
Rating: 🙂 🙂 🙂 (three out of five)
Big applause last night at the premiere in the Staatsoper Unter den Linden.
Shakespeare’s dramas and comedies have always been taken as a basis for operas. So there are four adaptations of „Midsummer Night’s Dream“: by Mendelssohn-Bartholdy, Henry Purcell, Ambroise Thomas and Benjamin Britten.
„The Merry Wives of Windsor“, written by William Shakespeare in 1598, was taken by both Guiseppe Verdi for his „Falstaff“ (also staged at the Berlin State Opera since 2017) and Otto Nikolai for his „Wives“.
Carl Otto Ehrenfried Nicolai (* 1810 – † 1849). His situation was similar to Antonio Salieri, half a century before: He stood in the shadow of someone more famous. While Salieri fell into oblivion, Mozart was declared a genius (The film „Amadeus“ by Milos Forman shows the rivalry in an impressive way).
Otto Nicolai had to give preference next to Guiseppe Verdi (* 1913 – † 1901). Verdis „Falstaff“ is sung again and again on all opera stages in the world, but Nicolai’s „wives“ are rarely on view.
The difference between the two works could also be clearly heard (and seen) yesterday.
Verdi’s opera is humorous, but it still remains a serious story. Verdi takes his protagonists seriously despite their mistakes.
In contrast, Nicolai’s „Wives“ appears like a shallow comedy in the style of a the kitschy author Rosamunde Pilcher.
But the music of Otto Nicolais is quite appealing. A few particularly beautiful arias occur in his opera, such as the aria sung by Mrs. Fluth „We swore eternal love“ at the end of the first act or the duet of the two lovers, Fenton and Anna, in the middle of the second act, accompanied by a beautiful violin solo.
Story
Sir John Falstaff wants to win over two women, Mrs Fluth and Mrs Reich, even though they are married. But the two just make fun of him and his pudgy shape and play him a nasty trick. Meanwhile, Mrs. Fluth’s husband foams with jealousy. So he becomes the laughingstock of the crafty women. Meanwhile, the daughter of Mr. and Mrs. Reich, Anna, is swarmed by three men. But this only Fenton loves and lets the other two cold off. On a bright moonlit night there is a big showdown with everyone involved in the forest.
Critics
On this premiere evening the director David Bösch and his team, Patrick Bannwart for the stage design and Falko Herold for the costumes, received great applause. But I could‘ nt share this enthusiasm.
As soon as the curtain rises, two ugly 1960s concrete bungalows become visible in which the Fluth and Reich families live. With satellite dish on the roof and several clotheslines around the house. According to the director, this should be a suburban idyll, for me it seemed more like a precariat environment. Ugly the houses, ugly the gardens, ugly the furnishings and ugly the clothes. The background just black. I did not find this scenery funny or interesting or caricature. So it was hard for me to dive into the story.
In addition to the quite appealing music, the performance of the singers was outstanding.
Above all Mandy Fredrich as Mrs. Fluth. I have not heard such a well-sounding and precise coloratura soprano for a long time.
Michael Volle as her stage husband Mr. Fluth is also great. Especially his convincing play inspired me.
Also Anna Prohaska as daughter Anna Reich can once again express her beautiful voice. I would like to hear her more often in the State Opera.
Only René Pape as John Falstaff I didn’t like so much. Whether it was due to his partitur, or the lumbering costume, I can’t say precisely. But somehow his voice was barely audible yesterday evening.
The choir under Martin Wright was, as always, without blemish, Daniel Barenboim and his Staatskapelle lively and peppy.
Conclusion: Compared to both productions, „Falstaff“ and the „Wives“, I would prefer Verdi.
„The Merry Wives of Windsor“
Staatsoper Unter den Linden
Musical Direction: Daniel Barenboim, Direction: David Bösch, Stage Design: Patrick Bannwart, Costumes: Falko Herold, Light: Michael Bauer, Dramarturgy: Detlef Giese.
With: René Pape (John Falstaff), Michael Volle (Mrs. Fluth), Mandy Fredrich (Mrs. Fluth), Michaela Schuster (Mrs. Reich), Wilhelm Schwinghammer (Mr. Reich), Anna Prohaska (Anna Reich), Pavol Breslik (Fenton), Linard Vrielink (Sparse), David Ostrek (Cajus)
Next performances: 5th, 9th, 11th, 13th and 19th October 2019
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.