Die neuen Filme im Kino am 01.12.2022

Die Stillen Trabanten - Nastassja Kinski, Martina Gedeck @ Warner Bros.

Die neuen Filme im Kino am 01.12.2022

 

Von Holger Jacobs

01.12.2022

Schon eine Weile in unseren Kinos, aber immer noch mein absoluter Liebling für die Vorweihnachtszeit:

„MRS. HARRIS UND EIN KLEID VON DIOR“ von Anthony Fabian mit Lesley Manville, Isabell Huppert, Lambert Wilson und Alba Baptista.

Eine Putzfrau in ihren 50er sieht bei einer ihrer Kundinnen ein Kleid von Dior und verliebt sich sofort in dieses Kleidungsstück.
Sie möchte auf jeden Fall auch so eines besitzen und versucht dazu alle Geldquellen anzuzapfen, die möglich erscheinen.
Eines Tages gewinnt sie durch Zufall eine hohe Summe beim Pferderennen und am nächsten Tag sitzt sie schon im Zug nach Paris. Dort angekommen muss sie feststellen, dass Geld allein keine Garantie für den Kauf eines Kleides der Haute-Couture ausreicht (anders als heute…).
Überhaupt einen Eintritt zu den Salons eines solchen Hauses zu bekommen ist fast nur mit Beziehungen oder einem Leumund aus der höheren, französischen Gesellschaft möglich. Aber auch hier hat sie Glück: Ein vornehmer Adliger (Lambert Wilson) erfreut sich an dem englischen Charme der resoluten Dame und nimmt sie mit zu einer der Vorführungen in den Privatsalons von Christian Dior.
Dort angekommen, mischt sie peu à peu den ganzen Laden auf und wird die gute Fee für viele Personen im Umfeld des traditionellen Haute-Couture Hauses – einschließlich der zickigen Assistentin des Maetre (Isabelle Huppert), welche sie zu Anfang noch rausschmeißen lassen wollte.
Fazit: Ein sehr gelungener Feel-Good-Film für die ganze Familie. Ohne Kitsch, aber mit viel Charme und guter Situations-Komik. Und für alle Frankreich-Fans ein Muss!

„Mrs. Harris goes to Paris“, Alba Baptista © Ada Films

 

„ZEITEN DES UMBRUCHS“ von James Gray mit Anne Hathaway, Jeremy Strong, Banks Repeta und Anthony Hopkins. Ein sensibler Film über den latenten Rassismus in den USA und der Beginn der konservativen Reagan-Ära Anfang der 80er Jahre.
Der kleine Paul (Banks Repeta) wächst in einer wohlhabenden jüdischen Familie im Stadtteil Queens von New York auf. Umgeben von einer heilen Welt zu Hause muss er erfahren, dass das Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht für alle ein Honigschlecken ist.
Als er sich in der Schule mit dem farbigen Jungen Jonathan anfreundet und dessen ärmliche Verhältnisse zu Hause sieht, ist dies der erste Schock. Der zweite ist die Ausgrenzung durch die anderen, weil sein Freund ein Afro-Amerikaner ist.
Und als es dann um den Eintritt in eine höhere Schule geht, wird dies nur durch die Beziehungen seines Vaters möglich. Diese konservative Institution ist zwar genau das Gegenteil, was seine liberalen Eltern selber leben, aber alle wissen, dass in dem konservativen Amerika, welches mit dem Wahlsieg Reagans noch einmal einen gewaltigen Ruck nach rechts machen wird, kein anderer Aufstieg in der Gesellschaft möglich ist. Und auch die Freundschaft zu einem schwarzen Freund ist dann nicht mehr möglich.
Gute Milieu-Studie einer jüdischen Familie, die selber Ausgrenzung erleben muss und dennoch mit allen Mittel kämpft, in der Gesellschaft anerkannt zu werden. Farbige hingegen haben da noch weniger Chancen und bleiben auf der Strecke. Den Weg vom Tellerwäscher zum Millionär gibt es in der neuen Welt nicht mehr.

Zeiten des Umbruchs, Anthony Hopkins © Focus Features

 

„CALL JANE“ von Phyllis Nagy mit Elisabeth Banks und Sigourney Weaver
Der Inhalt dieses Films ist hoch-aktuell seit am 22. Juni 2022 der oberste Gerichtshof das seit 50 Jahren geltende Recht auf Abtreibung in den USA kippte. Im Jahre 1973 stellte der Supreme Court in seinem berühmten Grundsatzurteil „Roe vs. Wade“ fest, dass es verfassungswidrig sei, einen Schwangerschaftsabbruch per Gesetzt zu verbieten.
50 Jahre später stellte dieses Gericht nun genau das Gegenteil fest, nachdem Donald Trump in seiner Amtszeit drei von neun Richtern neu ernannte hatte (die natürlich alle stock konservativ sind).
Wie aber durch die Midterm-Wahlen in denn USA gerade gezeigt wurde, haben fast alle konservativen Kandidaten, die dieses Urteil vehement verteidigt hatten, ihren Sitz im Senat oder im Repräsentantenhaus verloren.
Die New York Times meinte in einem Kommentar, dass dies zusammen mit den Geschehnissen vom 6. Januar 2021 dazu geführt hat, dass bei diesen Wahlen, anders wie sonst üblich, der amtierende Präsident und seine Partei nicht haushoch abgestraft wurden, sondern ihre Mehrheit im Senat behaupten konnten. Damit hatte keiner vor der Wahl gerechnet.
Der Film spielt Ende der 60er Jahre in den USA. Joy (Elizabeth Banks) ist eine gut bürgerliche Hausfrau mit einem netten, verständnisvollen Mann. Als sie zum zweiten Mal schwanger wird, teilt ihr jedoch der Arzt mit, dass durch die erneute Schwangerschaft eine ernste Gefahr für ihr Leben bestehen könnte. Sie und ihr Mann rennen nun von Pontius zu Pilatus, um einen Arzt zu finden, der eine Abtreibung vornehmen könnte. Doch vergeblich. Damals gilt jede Abtreibung als illegal und unmoralisch und solange nicht 100 prozentig feststeht, dass die Mutter durch die Schwangerschaft sterben würde, unternimmt kein Arzt den Eingriff.
Joy ist komplett am Leben zerstört, zumal die Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Kind leben, sie aber bei der Geburt sterben wird…
Als sie schon nicht mehr weiß, was sie tun soll, lernt sie durch Zufall das so genannte „Jane Collective“ kennen. Jane (Sigourney Weaver) ist die Anführerin dieser Gruppe, die heimlich Abtreibungen organisiert. So auch bei Joy. Doch danach wird sie selber Mitglied der Gruppe, um auch anderen Frauen zu helfen. Ihr Mann unterstützt sie dabei. Der Film endet mit dem Urteil 1973 „Roe vs Wade“ des Supreme Court und großem Jubelgeschrei. Ob sie sich hätten denken können, dass 50 Jahre später wieder alles vorbei ist?
Fazit: Toll gespielt mit einer überzeugenden Handlung. Für die ganze Familie ab 12 Jahren.

„Call Jane“, Elizabeth Banks, Sigourney Weaver – courtesy Sundance Institute

 

„DIE STILLEN TRABANTEN“ von Thomas Stuber mit Martina Gedeck und Nastassja Kinski („Paris Texas“), Charly Hübner, Albrecht Schuch, Lilith Stangenberg („Wild“), Irina Starshenbaum, Peter Kurth („Babylon Berlin“).
Geschichten über die Nachwendezeit in den neuen Bundesländern gibt es viele. So auch die Publikationen des Leipziger Autoren Clemens Meyer, der 13 Jahre alt war, als die DDR unterging. Nach dem Absturz als Jugendlicher in die Kleinkriminalität und in das Drogenmilieu mit anschließendem Gefängnisaufenthalt bekehrte er sich selbst, als er 1998 begann Literatur zu studieren. Gleich sein erster Roman, „Als wir träumten“, erschienen 2006, wurde ein großer Erfolg und erzählte ziemlich autobiographisch das Leben von vier Jugendlichen in Leipzig zwischen 1985 und 1995. Das Buch wurde ebenfalls recht erfolgreich 2015 von Andreas Dresen verfilmt.
Seit 2012 verfilmt auch der Leipziger Regisseur Thomas Stuber die Texte von Clemens Meyers. Drei Filme sind daraus schon entstanden. Ein Kurzfilm und zwei Langfilme. Einer davon ist der neue „DIE STILLEN TRABANTEN“.
Darin erzählt Stuber die Geschichten mehrerer Personen am Rande der Gesellschaft. Da wären einmal die Putzfrau Christa (Martina Gedeck), die immer nachts nach ihrer Arbeit in eine Bahnhofskneipe geht und dort die einsame Friseurin Birgitt (Nastassja Kinski) kennenlernt. Oder der Wachmann Erik (Charly Hübner), der sich in die Migrantin Marika (Irina Starshenbaum) verliebt, als er deren Ausländerwohnheim bewachen muss. Und Imbissbudenbesitzer Jens (Albrecht Schuch) verliebt sich in seine Nachbarin Jana (Lilith Stangenberg), die erst vor kurzem in den Islam konvertiert ist. Alle sind irgendwie Außenseiter und keiner hat es geschafft in der neuen Gesellschaft erfolgreich zu werden – menschlich, wie beruflich. Wird es für diese Menschen, die als Trabanten unter uns leben, einmal Hoffnung auf Besserung geben?

Unsere Bilderserie mit 9 Fotos aus „Die Stillen Trabanten“:

Nastassja Kinski, Martina Gedeck, „Die Stillen Trabanten“ © Warner Bros.

 

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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