DIE WALKÜRE in der Staatsoper Unter den Linden

Die Walküre - Staatsoper Berlin @ kultur24.berlin

DIE WALKÜRE in der Staatsoper Unter den Linden

 

Von Holger Jacobs

23.06.2022

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Mit Bravo-Rufen schon zur 1. Pause wurde der zweite Abend des „Ring“-Zyklus zu einem großen Erfolg für die Lindenoper

Vorfreude

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Lust und Vorfreude ich am Montag, dem 3. Oktober 2022, zur Premiere von „DIE WALKÜRE“ in die Staatsoper fuhr.
Noch vor wenigen Jahren konnte ich Opern und insbesondere Opern von Richard Wagner nicht ausstehen. Diese gekünstelten, hochgezüchteten und damit unnatürlichen Stimmen, diese kitschigen, komplett unwahrscheinlichen Handlungen, eine Sprache, die man nicht versteht (früher gab es noch keine Übertitel durch Projektion) und eine heroische Orchestermusik mit ständigen Paukenschlägen, als wolle man in den Krieg ziehen…

Nein, das war lange Zeit nichts für mich. Vielleicht auch, weil mein Vater ein so großer Wagner-Anhänger war und die Eltern regelmäßig nach Bayreuth pilgerten. Ein junger Mann von 20 Lenzen hatte in den 80er und 90er Jahren doch weiß Gott andere Musik im Kopf!

Als ich vor über acht Jahren mit meinem Kulturmagazin kultur24.berlin begann war allerdings von Anfang an klar, dass auch Opernkritiken dazugehören sollten – allein schon der Tatsache geschuldet, dass es keine andere Stadt auf dieser Welt gibt, die sich drei staatliche Opernhäuser leistet – auch New York, London oder Paris nicht.

Ich arbeitete mich also langsam in die Opernwelt hinein und umso mehr ich erfuhr, umso mehr verstand ich: Die Musik, den Gesang, die Libretti und den Bühnenzauber – denn Oper ist vielleicht die einzige Kunstform, die alle Künste in sich vereint: MUSIK, GESANG, KOSTÜMBILD/ MODE, BÜHNE/ ARCHITEKTUR/ MALEREI, TANZ/ BALLETT und SCHAUSPIEL und manchmal sogar noch VIDEO/ FILM – mehr geht nicht!

Ich selbst in der Staatsoper Unter den Linden zur Premiere von „Die Walküre“ @ kultur24.berlin

Staunen

In der letzten Woche hatte ich bereits das Vergnügen alle vier Neuinszenierungen des „RING“ in den Generalproben zu erleben, da ich, wie Ihr ja wisst, zu jeder meiner Opern-Rezensionen auch ein kleines Video auf kultur24 TV produziere, um meinen Lesern nicht nur meine in Worte gefassten Beschreibungen des Bühnengeschehens zu präsentieren, sondern auch um die Mimik und Gesang im Originalton zu zeigen – ein Service, den sonst kein anderes Medium leistet.

Also saß ich letzte Woche insgesamt 20 Stunden (mit den Pausen) in der Staatsoper und zog mir Wagner rein. Doch zu meinem Erstaunen wurde mir weder langweilig (außer in ein paar einzelnen Szenen), noch kam mir Wagners Musik aus den Ohren raus.
Es war anstrengend, ja, aber nicht unangenehm oder nervig.
Es war einfach nur berauschend.

Mein Video-Trailer von „Die Walküre“:

Handlung

Gott Wotan zeugte einst zwei Geschwister, Sieglinde und Siegmund, die sich aber im Laufe der Zeit verloren.
Während Sieglinde eines Tages wider Willen mit einem Mann namens Hunding verheiratet wird, irrt Siegmund allein durch die Wälder und wird immer wieder in gewalttätige Auseinandersetzungen hineingezogen.
Als er eines Tages wieder auf der Flucht vor Verfolgern ist, landet er im Haus von Sieglinde und Hunding, ohne dass die Geschwister sich zunächst erkennen. Hunding erkennt in Siegmund einen flüchtigen Straftäter und will ihn am nächsten Morgen zum Kampf auffordern. Doch die gutmütige Sieglinde befreit in der Nacht Siegmund und beide erkennen ihre gemeinsame Herkunft – und verlieben sich ineinander. Und es kommt zum Liebesakt.

Wotans Ehefrau Fricka, Hüterin der Moral, konfrontiert ihren Ehemann mit dem inzestuösen Treiben seiner Kinder und verlangt, dass Siegmund am nächsten Tag im Kampf gegen Hunding fällt. Trotz Widerwillen muss sich Wotan dem Verlangen seiner Frau fügen.
Seine andere Tochter Brünnhilde soll als Walküre den Tod Siegmunds garantieren.
Doch sie weigert sich, da sie Mitgefühl gegenüber den Liebenden zeigt. Als es zum Kampf kommt hat Siegmund das Schwert Nothung zur Verfügung, welches ihn eigentlich unbesiegbar macht. Doch Wotan kommt im letzten Augenblick hinzu und zerstört das Schwert. Siegmund stirbt. Zur Strafe, dass Brünnhilde nicht den Anweisungen ihres Vaters folgte, verbannt er sie auf einen Felsen, umgeben von einem Feuerkreis, den nur ein Mann ohne Furcht bezwingen kann. Dass wird dann später Siegfried sein, der Sohn, der in der Liebesnacht von Sieglinde und Siegmund gezeugt wurde.

„Die Walküre“, Walhalla als Forschungslabor, Staatsoper Berlin, Photo: Holger Jacobs

Kritik

Wie mein Kritiker-Kollege Marty Sennewald schon in seiner Rezension zum ersten Teil „DAS RHEINGOLD“ feststellte, versetzte Regisseur Dmitri Tcherniakov (*1970) Wagners „RING DES NIBELUNGEN“ Tetralogie nicht in eine mystische Götterwelt mit viel Bühnenzauber, Feuer und Rauch, sondern in eine nüchterne Versuchsanstalt, bzw. Entwicklungslabor, wo die Götter die Anstaltsleiter und die gemeinen Menschen die Versuchsopfer sind, die für allerlei Experimente herhalten müssen.
Ob Alberich, gefesselt an einen Stuhl und mit Elektroschocks traktiert oder die Rheintöchter als lästernde Krankenschwestern (wie in „DAS RHEINGOLD“) – alle sind auch in „DIE WALKÜRE“ Teil eines Forschungslabors, deren Inneres die Götter durch eine Glasscheibe beobachten (siehe Fotoserie am Ende des Artikels).

Ich selbst empfinde die optische Reduzierung auf der Bühne in nur wenige kleine Räume mit wenig Details und fast gar keinen Farben als äußerst angenehm, da es der opulenten Musik Wagners mit über 100 Musikern im Bühnengrabgen angenehme Zurückhaltung im Gesamteindruck bietet.
Sprich: Die gewaltige Partitur kann sich ganz unaufgeregt entfalten und die wenigen Details lassen den Sängerinnen und Sängern maximale Präsenz.

Übrigens ganz im Gegenteil zur überschwänglichen „Ring“ Inszenierung von Stefan Herheim letztes Jahr an der Deutschen Oper Berlin

Einfach herausragend und sowohl optisch wie gesanglich ist das Highlight des Abends die litauische Sopranistin Vida Miknevičiūtė (*1979) als Sieglinde. Wunderbar ihr Timbre, ihr Spiel und ihre Ausstrahlung.
Wer dabei keine wässrigen Augen bekommt, dem ist nicht mehr zu helfen…

Etwas schwächer ihr Konterpart Robert Watson als Siegmund, der sowohl stimmlich, als auch äußerlich nicht mithalten konnte. Er wurde am Schluss gnadenlos ausgebuht, was ich aber auch nicht in Ordnung fand. Ein bisschen Respekt haben schließlich alle Sänger verdient.

Michael Volle als Wotan war überzeugend wie immer, Anja Kampe als Brünnhilde und Claudia Mahnke als Fricka ebenfalls.

Das zweite Highlight des Abends war Christian Thielemann (*1959) am Dirigentenpult. Obwohl ich Daniel Barenboim sehr liebe und viele wunderbarte Abende mit ihm als Maestro erlebt habe und der jetzt leider wegen einer Erkrankung ausfallen musste, war ich doch sehr begeistert von der Energie und Brillanz, mit der Thielemann die Musik Wagners über uns Zuschauer brachte.
Ein absoluter Gewinn für die Staatsoper Unter den Linden!

Die nächste Premiere von „SIEGFRIED“ am Donnerstag, den 6. Oktober, wird wieder mein Kollege Marty Sennewald übernehmen.

„DIE WALKÜRE“ von Richard Wagner
Premiere war am 03.10.2022
Staatsoper Unter den Linden
Musikalische Leitung: Christian Thielemann
Inszenierung + Bühnenbild: Dmitri Tcherniakov
Kostüme: Elena Zaytseva
Mit: Robert Watson (Siegmund), Vida Mikneviciute (Sieglinde), Michael Volle (Wotan), Anja Kampe (Brünnhilde), Mika Kares (Hunding), Claudia Mahnke (Fricka)

Bilderserie mit 20 Fotos der „WALKÜRE“ Produktion:

Vida Miknevičiūtė und Robert Watson, „Die Walküre“, Staatsoper Berlin, Photo: Holger Jacobs

English text

 

DIE WALKÜRE in the Staatsoper Unter den Linden

 

By Holger Jacobs


06/23/2022

With shouts of bravo as early as at the first break, the second evening of the “Ring” cycle was a great success for the Lindenoper

It’s amazing how excited I drove to the State Opera for the premiere of „DIE WALKÜRE“ on Monday, October 3, 2022.

Just a few years ago I couldn’t stand operas and especially operas by Richard Wagner.
These artificial, sophisticated and therefore unnatural voices, these kitschy, completely improbable stories, a language that you don’t understand (there was no supertitles at that time) and heroic orchestral music with constant drumbeats, as if somebody want to go to war.. .
No, that wasn’t for me. Maybe also because my father was such a big Wagner fan and my parents made regular pilgrimages to Bayreuth. A young man of 20 years had other music in his head in the 80s and 90s!
When I started my culture magazine kultur24.berlin more than eight years ago, however, it was clear from the start that opera reviews should also be part of it – if only because there is no other city in the world that can afford three state-owned opera houses – not New York City, London or Paris.
So I slowly worked my way into the world of opera and the more I learned, the more I understood:
The music, the singing, the libretti and the magic of the stage – because opera is perhaps the only art form that combines all arts: MUSIC, SINGING , COSTUMES/ FASHION, STAGE/ ARCHITECTURE/ PAINTING, DANCE/ BALLET and ACTING and sometimes even VIDEO/ FILM – more is not possible!

Myself at the State Opera Berlin at the premiere of „Die Walküre“ © kultur24.berlin

Amazement
In the last week I had the pleasure of hearing all four new productions of „RING“ in the general rehearsals, because, as you know, I also produce a small video for each of my opera reviews on kultur24 TV, so that my readers can not only get my words of what is happening on stage, but also to show the facial expressions and singing in the original sound – a service that no other medium provides.

So last week I sat in the State Opera for a total of 20 hours (including the breaks) and listened to Wagner music.
But to my astonishment, I didn’t get bored (except for a few individual scenes). It was exhausting, yes, but not uncomfortable or annoying. It was just exhilarating.

My video-trailer of „Die Walküre“:

Story
God Wotan once fathered two siblings, Sieglinde and Siegmund, who lost each other over the time.
While Sieglinde is being married against her will to a man named Hunding, Siegmund is wandering through the woods alone and is repeatedly drawn into violent arguments.
One day, when he is again on the run from pursuers, he ends up in the house of Sieglinde and Hunding, without the siblings initially recognizing each other. Hunding recognizes a fugitive criminal in Siegmund and wants to challenge him to fight the next morning.
But the good-natured Sieglinde frees Siegmund in the night and both recognize their common origin – and fall in love with each other. And it comes to the act of love.
Wotan’s wife Fricka, guardian of morality, confronts her husband about the incestuous activities of his children and demands that Siegmund die the next day in the fight against Hunding. Despite his reluctance, Wotan has to submit to his wife’s requests.
His other daughter Brünnhilde as a valkyrie is supposed to guarantee Siegmund’s death.
But she refuses, showing compassion for the lovers. When it comes to fighting, Siegmund has the sword „Nothung“ at his disposal, which actually makes him invincible. But Wotan himself comes and destroys the sword.
Siegmund dies. As punishment for not following her father’s instructions, Brünnhilde is banished to a rock surrounded by a circle of fire that only a fearless man can conquer. That will later be Siegfried, the son who was conceived by Sieglinde and Siegmund on the night of love.

„Die Walküre“ – Walhalla as labratory, Photo: Holger Jacobs

Critics
As my critic colleague Marty Sennewald already stated in his review of the first part „DAS RHEINGOLD“, director Dmitri Tcherniakov (*1970) did not set Wagner’s „RING DES NIBELUNGEN“ tetralogy in a mystical world of gods with lots of stage magic, fire and smoke, but in a sober experimental institute, or „Forschungszentrum“ (development laboratory, see picture above), where the gods are the directors of the institute and the common people are the experimental victims who have to serve for all kinds of experiments.
Whether Alberich, tied to a chair and treated with electric shocks, or the Rhinemaidens as blasphemous nurses (as in „DAS RHEINGOLD“) – in the „RING DES NIBELUNGEN“ they are all part of a research laboratory, which the gods observe through a pane of glass.

I myself find the optical reduction on stage to just a few small rooms with few details and almost no colors to be extremely pleasant, as it offers Wagner’s opulent music with over 100 musicians in the stage pit a pleasant restraint in the overall impression.
In other words: the powerful score can unfold calmly and the few details give the singers maximum presence.
Incidentally, quite the opposite of the exuberant production by Stefan Herheim last year at the Deutsche Oper Berlin.

Simply outstanding and both visually and vocally, my highlight of the evening is the Lithuanian soprano Vida Miknevičiūtė (*1979) as Sieglinde. Her timbre, her playing and her charisma are wonderful.
If you don’t get watery eyes, you can’t be helped anymore…
Her counterpart Robert Watson as Siegmund, who couldn’t keep up both vocally and physically, was a little weaker.
He was mercilessly booed at the end, which I didn’t think was right either.
After all, all singers deserve a little respect.
Michael Volle as Wotan was convincing as always, as was Anja Kampe as Brünnhilde and Claudia Mahnke as Fricka.
The second highlight of the evening was Christian Thielemann (*1959) at the conductor’s podium.
Even if I love Daniel Barenboim very much and have experienced so many wonderful evenings with him as maestro (he unfortunately had to be absent due to illness), I was very enthusiastic about the energy and brilliance with which Thielemann brought Wagner’s music to the audience.
An absolute win for the Staatsoper Unter den Linden!
The next premiere of „SIEGFRIED“ on Thursday, October 6th, will again be reviewed by my colleague Marty Sennewald.

„DIE WALKÜRE“ by Richard Wagner
Premiere was on October 3rd, 2022
Staatsoper Unter den Linden
Musical direction: Christian Thielemann
Direction + Set Design: Dmitri Tcherniakov
Costumes: Elena Zaytseva
With: Robert Watson (Siegmund), Vida Miknevičiūtė (Sieglinde), Michael Volle (Wotan ), Anja Kampe (Brünnhilde), Mika Kares (Hunding), Claudia Mahnke (Fricka)

Picture series with 20 photos of the „DIE WALKÜRE“ production:

Vida Miknevičiūtė und Robert Watson, „Die Walküre“, Staatsoper Berlin, Photo: Holger Jacobs

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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