FIDELIO – eine Freiheitsoper in Zeiten des Krieges

FIDELIO - Deutsche Oper Berlin - Foto: Jacobs/ Uhlig @ kultur24.berlin

FIDELIO – eine Freiheitsoper in Zeiten des Krieges

 

Von Holger Jacobs

25.11.2022

Wertung: 🙂 🙂 🙂 (drei von fünf)

Beethovens Freiheitsoper zur Zeit des Krieges in der Ukraine

 

Epilog

Der Namen „Fidelio“ vernahm ich erstmals Anfang der 90er Jahre – und keineswegs in Zusammenhang mit Musik. Vielmehr hatte ein guter Bekannter von mir, Dietmar Müller-Elmau (seines Zeichens Besitzer des Hotels Schloss Elmau in Oberbayern), eine Software speziell für Hotels entwickelt, die er „Fidelio“ nannte. Bald konnte man überall auf der Welt auf den Hotel-Computern den Namen „Fidelio“ lesen…

Beethoven

Der Komponist Ludwig van Betthovens (1770 – 1827) gilt sicher deshalb als so bedeutend, weil er es geschafft hatte, in fast allen Genres der Klassischen Musik (Sonaten, Quartette, Sinfonien et.c.) die vielleicht wichtigsten Werke der Musikliteratur zu schreiben. Bis heute gehören seine Kompositionen zu den meistgespielten auf allen Bühnen dieser Welt. Seien es die Klavier-Sonaten „Pathétique“ oder die „Mondscheinsonate“ (deren romantischer Titel gar nicht von ihm selbst stammt), seien es die Klavierkonzerte Nr. 3 oder Nr. 5, oder seien es die Sinfonien Nr. 3 („Eroica“) oder Nr. 5 („Schicksalssinfonie“), immer zählen sie zu dem Besten, was es in der klassischen Musik zu finden gibt. Und über allem thront natürlich die 9. Sinfonie, deren Kraft und Stärke nur derjenige verstehen kann, der sie einmal selbst erlebt hat!

Fidelio

Gehört „FIDELIO“, uraufgeführt 1805, auch zu den Meilensteinen der Musikgeschichte?
Vielleicht nicht. Auf jeden Fall hatte Beethoven hier im Bereich Oper mit Mozart (1756 – 1791) und Verdi (1813 – 1901) große Konkurrenz. Von späteren Opernkomponisten, wie Berlioz, Wagner, Strauss und Puccini ganz zu schweigen.
Ich selbst liebe die Musik in „FIDELIO“ sehr. Doch die Partituren sind für die Sänger*innen nur schwer zu singen, allzu „sinfonisch“ hat Beethoven sie angelegt. Vermutlich ging es ihm mehr um den musikalischen Gesamteindruck, als um die spezielle Sängerdarstellung.

Freiheit und Menschenrechte

Doch eine Tatsache hebt die Oper „FILDELIO“ auf jeden Fall von anderen dieses Genres heraus:
Der explizite Fokus der Handlung auf den Freiheitsgedanken, den viele Menschen Anfang des 19. Jahrhundert in Europa beschäftigte.
Freiheit von der Unterdrückung durch die autokratischen Regime!
Erst wenige Jahre zuvor war 1789 durch die Erstürmung der Bastille in Paris die Französische Revolution ausgebrochen und damit die mächtigste absolutistische Monarchie Europas beendet worden.
Plötzlich bekamen Begriffe wie individuelle Freiheit, allgemeine Menschenrechte, Versammlungs- und Meinungsfreiheit und das politische Mitspracherecht des Volkes eine Bedeutung. Weshalb „FIDELIO“ auch als „Freiheitsoper“ in die Geschichte der Musik eingegangen ist.
Sinnbild hierfür ist das berühmte Lied des Gefangenenchors im 1. Akt dessen Text lautet (gesungen nach einem kurzen Freigang von den Gefängnismauern):
„O welche Lust, den Atem leicht zu heben! Nur hier, nur hier ist zu leben! Der Kerker eine Gruft.“

Seht dazu meinen Video-Trailer der Aufführung:

Handlung

Ausgehend von der 1798 vom Franzosen Pierre Gaveaux komponierten Oper „Léonore ou l’ amour conjugal“ konzipierte Ludwig van Beethoven zusammen mit seinen Librettisten Joseph Sonnleithner, Stephan von Breuning und Georg Friedrich Treitschke die Oper „Fidelio“.
Wobei sie den Namen aus dem Theaterstück „Cymbeline“ von Shakespeare entliehen, in dem ebenfalls eine sich „Fidelio“ nennende Dame in Männerkleidern erscheint, um ihre Umgebung zu täuschen.

Der spanische Edelmann FLORESTAN ist seit zwei Jahren verschwunden. Seine Frau LEONORE glaubt, dass ihn sein Widersacher DON PIZARRO in einem Gefängnis versteckt hält, weil FLORESTAN dabei war DON PIZARROS kriminelle Aktivitäten aufzudecken.
Also entschließt sich LEONORE ihren Mann aus dem Gefängnis zu befreien, indem sie sich als Mann verkleidet und unter dem Namen FIDELIO als einfache Angestellte im Gefängnis arbeitet.
Dort herrscht ROCCO als Oberaufseher. Als ROCCOS hübsche Tochter MARZELLINE sich in den vermeintlichen Mann FIDELIO verliebt, wird die Sache kompliziert.
Währenddessen kündigt sich der Minister DON FERNANDO an, der von exzessiver Gewalt gegenüber den Gefängnisinsassen gehört hat und deshalb der Sache auf den Grund gehen will.
Da der Minister aber den zu Unrecht im Gefängnis sitzenden FLORESTAN nicht finden darf, will DON PIZARRO seinen Widersacher FLORESTAN umbringen und tief unten im Verlies verscharren. ROCCO soll schon mal mit Hilfe von FIDELIO ein Grab ausheben.
Als DON PIZARRO dann nach unten kommt, um FLORESTAN zu erschießen, wirft sich LEONORE dazwischen, doch DON PIZARRO kann sie überwältigen. Zum Glück ertönt in diesem Moment das Signal, dass der Minister angekommen ist. Für erschießen und begraben ist nun keine Zeit mehr und DON PIZARRO und ROCCO müssen dem Minister entgegeneilen. Glücklich schließt LEONORE ihren Ehemann in die Arme und flieht mit ihm aus dem Verließ. Die Gefangenen werden befreit.

„Fidelio“, Deutsche Oper Berlin, Photo: Holger Jacobs

Kritik

Der Vorhang öffnet sich und eine graue Wand und ein rechteckiges, nach vorne geöffnetes graues Mauerwerk wird sichtbar. Wobei die graue Rückwand fast ¾ des gesamten Bühnenhintergrundes und die Mauer nur einen kleinen unteren Rand bildet. In dem gemauerten Raum befindet sich eine Art halbhoher Brücke aus Metall, auf der in der Anfangsszene Leonore und Marzelline ihr Duett singen.

Bühnenbildner Johannes Schütz soll ja laut Programmheft ein gefeierter Mann sein, aber mit dieser Arbeit wird er meiner Meinung nach keine Lorbeeren ernten. Weder die graue Mauer, noch die eiserne Brücke oder der endlos graue Hintergrund können irgendeine Form von Emotion bei mir hervorrufen. Im Gegenteil: Es wirkt langweilig.

Bei den Kostümen ähnlich: Graue Tageskleidung bei den Gefangenen. Nur die Hauptpersonen stechen ein wenig hervor. Leonore in einer unförmigen ledernen Motorradkluft, Marzelline in schwarzer Lederhose mit blauer Bluse und Don Pizarro in einem schwarzen Anzug mit schwarzer Krawatte. Die Langweile setzt sich fort.

Besser wird es erst, als Leonore (Ingela Brimberg), Marezelline (Sua Jo, Gerhard-Baum.Stipendiatin), Rocco (Albert Pesendorfer) und Joaquino (Gideon Poppe) ihr Quartett anstimmen, welches zumindest den ersten musikalischen Höhepunkt bildet.

Wobei mir Ingela Brimbergs Timbre etwas zu scharf, Sua Jo’s Stimme vielleicht ein Tick zu zart, aber Albert Pesendorfers Bass vorzüglich klingt. Da die Hauptcharaktere recht viele gesprochene Dialoge zu absolvieren haben, kommt die Schwierigkeit ausländischer Sänger*innen zu Tage, deutsche Texte gut und verständlich über die Bühne zu bringen. Das gelingt hier nicht immer.

Die Kerkerszene im 2. Akt wirkt noch langweiliger. Ein schwarzer Sandboden und ein Loch im Vordergrund, in das später Don Pizarro hineingedrängt wird. Auch hier in diesem Dreier-Konzert mit Leonore, Rocco und Florestan gefällt mir Albert Pesendorfer am besten. Robert Watson als Florestan überzeugt mich dagegen am wenigsten. Seine Stimme kann sich nicht im Raum entfalten. Zusätzlich passt seine Körperfülle (noch unterstrichen durch ein schlabberndes Unterhemd) ganz und gar nicht zu einem halb-verhungerten Kerkerinsassen. Auch die Stimme von Jordan Shanahan als Don Pizarro kommt nur schwer über die Bühnenkante hinaus. Und Sir Donald Runnicles gelingt es nur bedingt, der Musik von Beethoven die nötige Kraft zu verleihen. Am Ende viel Applaus für die Sänger*innen und Buh-Rufe für Regisseur David Hermann.

Fazit: Tolle Musik in einer langweiligen Inszenierung.

„FIDELIO“ von Ludwig van Beethoven
Deutsche Oper Berlin
Premiere war am 25.11.2022
Musikalische Leitung: Sir Donald Runnicles, Inszenierung: David Hermann, Bühne und Kostüme: Johannes Schütz.
Mit: Robert Watson (Florestan), Ingela Brimberg (Leonore/ Fidelio), Albert Pesendorfer (Rocco), Sua Yo (Marzelline), Jordan Shanahan (Don Pizarro), Gideon Poppe (Jaquino), Thomas Lehmann (Don Fernando)

Bilderserie mit 10 Fotos aus „Fidelio“:

Sua Jo (Marzelline), Gideon Poppe (Jaquino), „Fidelio“, Deutsche Oper Berlin, Foto: Bernd Uhlig

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

Cookies help us deliver our services. By using our services, you agree to our use of cookies.