Georg Baselitz – Die Helden in Frankfurt
Liebe Kulturfreunde,
unsere Korrespondentin in Frankfurt am Main, Christiane von Zitzevitz, hat sich die sensationelle Ausstellung von Georg Baselitz im Städel Museum angesehen. Es ist auch die letzte Ausstellung des scheidenden Direktors Max Hollein.
Georg Baselitz „Die Helden“
Von Christiane von Zitzevitz
7.7.2016
Die Helden – so heißt die jüngst von Georg Baselitz selbst und dem bereits „geschiedenen“ Städel-Direktor Max Hollein eröffnete Ausstellung, die noch bis zum 23. Oktober im Frankfurter Städel Museum zu sehen sein wird.
Max Hollein, der seit dem 1. Juni die Geschicke des Fine Arts Museums in San Francisco lenkt, ließ es sich nicht nehmen, diesen seinen letzten (in Frankfurt) Geniestreich selbst zu präsentieren.
In einem Spiel aus Leere und Verdichtung, so die Co-Kuratorin Eva Mongi-Vollmer, präsentiert das Städel Museum die „Helden“ – Bilder Baselitz’ auf zwei Stockwerken. Besonderer Wert werde auf die einzelnen Bilder und Zeichnungen gelegt. „So wird sowohl durch die variierenden Wandfarben als auch durch eine stark rhythmisierte und immer wieder überraschende Hängung der Ausstellungsbesuch die Wahrnehmung für die Kunstwerke schärfen und den Betrachter sensibilisieren.“
Genauso widersprüchlich wie die klobigen Gestalten in ihren zerschlissenen Kampfanzügen mit ihrer verletzten, zerbrechlichen Aura erscheinen, so verwirrend stimmen den Betrachter die vibrierenden Farbkompositionen, die manches Mal fast leicht und fröhlich daherkommen wie ein Frühlingshauch, um einen dann wieder mit der Zerrissenheit der gemarterten Seelen zu konfrontieren und auf den Boden der Tatsachen zwingen.
Die Werkgruppe der „Helden“ und „Neuen Typen“ entwickelte der damals 27 jährige Künstler 1965/66 in explosionsartiger Produktivität während eines halbjährigen Stipendiums der Villa Romana in Florenz. Er beendete sie im Anschluss an seine Rückkehr nach Berlin. Auf der Leinwand und auf Papier – rund 60 Gemälde, 130 Zeichnungen und 38 Druckgrafiken – ließ er jene dramatischen wie martialisch anmutenden Figuren entstehen, die in einer merkwürdigen Spannung zwischen Aggression und Verletzlichkeit, zwischen großer Geste und Beklommenheit schweben. „Versehrte, und ihrer Autorität abhanden gekommene, entblößte, rudimentär uniformierte Gestalten, melancholische Überlebende in einer zerstörten, chaotischen Welt.“ (Max Hollein)
„Ich bin in eine zerstörte Ordnung hineingeboren worden, in eine zerstörte Landschaft, in ein zerstörtes Volk, in eine zerstörte Gesellschaft. Und ich wollte keine neue Ordnung einführen. Ich hatte mehr als genug sogenannte Ordnungen gesehen“, beschreibt Baselitz seine damalige, durch die Erschütterungen der Nachkriegszeit geprägte Einstellung zur Kunst. Er wagte den Rückblick. Das mache den Visionär aus, „zurückschauen ist viel besser, als durchs Schlüsselloch zu schauen und an einer Utopie zu basteln – das finde ich sehr mühsam.“
Damit bildete der Künstler eine Wirklichkeit ab, wie sie in der bundesrepublikanischen Erfolgsgeschichte des Wirtschaftswunders ungern gesehen wurde. Er war den 68igern sozusagen drei Jahre voraus.
So sehr seine Helden ihre Geburtsstunde dieser speziellen Gemengelage von kollektiver Verdrängung des Grauens und Wirtschaftswunder-Euphorie verdanken, so erscheinen sie dem heutigen Betrachter dennoch zeitlos, sie bevölkern die Krisengebiete unserer modernen Welt; verwüstete Landschaften, gebrochene, zerstörte Seelen voller Aggression, Getriebene, ihrer Wurzeln und einer Zukunft beraubt.
„Als Grenzgänger und Überwinder kann nur der autonome Künstler jenseits von opponierenden Gesellschaftsordnungen, zerstörerischen Ideologien und fragwürdigen Stildiktaten Neues schaffen“, so Max Hollein, „Werke, die wir heute sowohl als stringente Gruppe als auch als künstlerisches Manifest sowie als prägnanten Markstein der Geschichte der zeitgenössischen Malerei, ja gar als historisches Dokument ansehen.“
Städel Museum, Schaumannkai 63
60596 Frankfurt
Öffnungszeiten: Di-So 10 – 18 Uhr, Do + Fr bis 21 Uhr
Author: Christiane von Zitzewitz
Journalistin und Buchhändlerin