Ist BABYLON BERLIN die beste Serie im Deutschen Fernsehen?

Babylon Berlin - Liv Lisa Fries - Volker Bruch © X Film/ ARD Degeto

Ist BABYLON BERLIN die beste Serie im Deutschen Fernsehen?

 

Von Holger Jacobs

15.10.2020

Die dritte Staffel der beliebten Serie ist jetzt im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen.

Schon die ersten beiden Staffeln mit je 8 Episoden von „BABYLON BERLIN“, ausgestrahlt im November 2017 im Bezahlsender SKY und dann ein Jahr später auf ARD, brachte einen enormen Publikumserfolg mit über 7 Millionen Zuschauern pro Folge (der berühmte „Tatort“, der dieses Jahr übrigens sein 50. Jubiläum feiert, kommt im Durchschnitt auch auf ca. 7 Millionen Zuschauer pro Folge).

Mit knapp über 2,5 Million Euro pro Episode ist „BABYLON BERLIN“ die teuerste Serie, die hier in Deutschland produziert wird (der „Tatort“ kostet etwas 1 – 1,5  Millionen Euro pro Folge). Natürlich noch kein Vergleich zu den Produktionskosten einer internationalen Serie wie „GAMES OF THRONES“. Hier kostete eine Folge ca. 10 Millionen Dollar.

Die 3. Staffel von „BABYLON BERLIN“ mit 12 Folgen nach dem Roman „Der stumme Tod“ von Volker Kutscher kam im Januar 2020 zunächst auf SKY und jetzt, kaum ein halbes Jahr später, zur besten Sendezeit auf ARD.

Mein Artikel jetzt auch als Podcast:

Warum hat die Serie „BABYLON BERLIN so einen großen Erfolg?

Für mich gibt es dafür vier Gründe:

  1. Die Schauspieler

Das Regie-Dreiergespann Tom Tykwer, Achim von Borries und Hank Handloegten hatten ein sehr gutes Händchen für die Auswahl der Schauspieler.
Fast alle Nebenrollen sind schon mal mit Top-Schauspielern der deutschen Film- und Fernsehszene besetzt, wie mit Benno Fürmann, Fritzi Haberlandt, Lars Eidinger, Martin Wudtke, Hannah Herzsprung, Udo Samel, Günter Lamprecht, Saskia Rosendahl, Sabin Tambrea und Meret Becker.

Die eigentliche Überraschung aber sind die Hauptdarsteller: Volker Bruch als Kommissar Gereon Rath und Liv Lisa Fries als seine Assistentin Charlotte „Lotte“ Ritter.
Beide waren vor Drehbeginn von „BABYLON BERLIN“ einem größeren Publikum nahezu unbekannt.
Volker Bruch (*1980) stammt aus München und war Schauspielschüler am Max-Reinhardt-Seminar in Wien, Liv Lisa Fries (*1990) ist eine waschechte Berlinerin, weshalb ihr der Dialekt auch so überzeugend gelingt.
Beide passen unheimlich gut zu ihren Rollen und tragen den Film.

Liv Lisa Fries als freche Berliner Göre „Lotte“, die vor nichts und niemandem Angst zu haben scheint und auch durch widrigste Umstände ihre Kaltschnäuzigkeit nicht verliert. Dabei kann sie aber auch einen umwerfenden Charme entwickeln, den man ihr auf den ersten Blick gar nicht zutraut.

Volker Bruch hat großes schauspielerisches Talent und meistert die Darstellung dieses gestörten Charakters, der die psychischen Wunden des 1. Weltkriegs mit sich trägt, auf sehr überzeugende Art.
Besonders wenn Beide auf Tuchfühlung gehen und ein leises Aufflackern der Gefühle zwischen Gereon und „Lotte“ zu spüren ist, wird es spannend.
Mehr davon!

  1. Das Zeitkolorit

Bisher habe ich noch keinen Film gesehen, dem die Darstellung dieser bewegenden Zeit zwischen den Kriegen so gut gelungen ist wie „BABYLON BERLIN“.
Vielleicht „CABARET“ von Bob Fosse aus dem Jahr 1972 mit Liza Minelli. Aber der ist schon lange her…
Sei es die Ausstattung mit diesen wunderbaren Kostümen der 20er Jahre, sei es diese muffigen Wohnungen mit diesen entsetzlich spießigen Einrichtungen. Auch die Art und Weise, wie die Menschen miteinander umgehen, dieses grauenhafte Patriachat, dieses Überhebliche von hochgestellten Persönlichkeiten, das Obrigkeitsdenken und, und, und.
Wir können heute nur froh sein, dass diese Welt untergegangen ist und das wir damals noch nicht geboren waren.
Was hat Bundeskanzler Helmut Kohl einmal gesagt? „Die Gnade der späten Geburt“… So ist es!

  1. Die Geschichte

Der Film „BABYLON BERLIN“ spielt immer wieder auf die wirklich zu dieser Zeit stattgefundenen Ereignisse und deren Personen an.
Sei es Reichspräsident Hindenburg (Günter Lamprecht), mit dessen Hilfe Adolf Hitler 1933 an die Macht kam, sei es Gustav Stresemann (Werner Wölbern), der bis zu seinem viel zu frühen Tod am 3. Oktober 1929 versucht hatte, die Weimarer Republik zu retten und Deutschland wieder in die Völkergemeinschaft einzubinden. Von ihm stammt auch der Wunsch einer Vereinigung der Europäischen Völker, den er vor dem Völkerbundrat in Genf im September 1929 vortrug. Für seine Friedensbemühungen wurden Gustav Stresemann zusammen mit dem französischen Außenminister Aristide Briand 1926 der Friedensnobelpreis verliehen.

  1. Die 20er Jahre in Berlin

Es gibt wohl keine Periode in der jüngeren Geschichte Deutschlands, welche so sagenumwoben ist wie ausgerechnet die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts in Berlin.
Würde man Menschen befragen, die damals hier schon gelebt haben, würden diese sicher sagen, es war eine grauenhafte Zeit. Politische Unruhen, tägliche Straßenkämpfe, hohe Arbeitslosigkeit, hohe Kriminalität, ärmliche Wohnverhältnisse, Krankheiten und Inflation.
Aber was wir heute aus dieser Zeit behalten, ist das explodierende Freiheitsgefühl des Einzelnen, der nach Jahrhunderten von Monarchie und Unterdrückung befreit war. Weshalb auch viele damals geradezu in einer Extase lebten, wie in einem Rausch.
Besonders der Bereich der Sexualität, über die der Bürger noch wenige Jahre vorher in der Kaiserzeit noch nicht einmal öffentlich reden durfte, erreichte nie dagewesene Auswüchse.
Orgiastische Parties, Nacktrevues, erotische Performances in verrauchten Salons, Prostitution an jeder Straßenecke und homosexuelle Liebe, wer auch immer – mit wem auch immer – und wo auch immer – sich vergnügen wollte.

All das finden wir in „BABYLON BERLN“.
Und deshalb lieben wir diese Serie so. Mögen noch viele Staffeln folgen!

Die nächsten Sendungen sind am 15., 21. und 22. Oktober 2020 im ersten deutschen Fernsehen.

Bilderserie mit 24 Fotos der Filmproduktion:

24: „BABYLON BERLIN“, Charlotte (Liv Lisa Fries, re.) und Vera (Caro Kult), Foto: Frédéric Batier/X Filme Creative Pool/ARD Degeto

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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