Konzert – live – Musikfest Berlin in der Philharmonie

Musikfest Berlin - Philharmonie - Daniel Barenboim © Jacobs/ kultur24.berlin

Konzert – live – Musikfest Berlin in der Philharmonie

 

Von Holger Jacobs

29.08.2020

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)

English text

Ein Konzert von höchster Qualität in einem fast leeren Saal.

Schon auf der Fahrt mit meinem Fahrrad zur Philharmonie wurde ich mit dem Corona-Thema konfrontiert:
Fast 40.000 Corona-Maßnahmen Gegner hatten sich ausgerechnet direkt vor meinem Haus in Berlin-Mitte platziert, als ihre Demonstration wegen Missachtung der Corona-Auflagen vor dem Brandenburger Tor aufgelöst wurde – und hatten sich jetzt die Friedrichstrasse am Oranienburger Tor als Station ihrer Proteste ausgesucht. In einem Zick-Zack-Kurs über verschiedene Schleichwege schaffte ich es zum Glück dennoch rechtzeitig zum Beginn des Konzertes in der Philharmonie im Tiergarten.

Auch hier in der Philharmonie, wie schon an den Tagen zuvor in der Deutschen Oper und dem Maxim Gorki Theater, strikte Corona-Abstands- und Hygieneregeln.

In der großen Halle musste jeder den farbigen Pfeilen folgen, ph: Holger Jacobs

Gleich zu Beginn wurden wir, je nachdem, was auf unseren Tickets stand, in vier verschiedenfarbige Gruppen aufgeteilt. Meine Gruppe GELB war für den Block C vorgesehen. Über eine fast menschenleere Halle, über fast menschenleere Treppen, ging es hoch in den 3. Stock, wo mich eine freundliche Dame mit (selbstverständlich) Maske empfing. Sie bat mich meine Koordinaten auf einen Zettel zu schreiben und später nach dem Konzert in einen vorgesehenen Kasten zu werfen.

Jeder musste seine Kontaktadresse hinterlegen, ph: Holger Jacobs

Eine weitere Dame brachte uns Zuschauer einzeln zu unseren Plätzen, wobei es keine Platzkarten gab, sondern die Sitzreihen wurden von ihr je nach Ankommen in Block C nacheinander besetzt.

Der gesamte Zuschauerraum wurde insofern auf Corona abgestimmt, indem immer eine Reihe vor jemandem und eine Reihe hinter jemandem frei blieb und zwischen den einzelnen Zuschauern jeweils 2 Plätze abgedeckt waren. Auf diese Weise wurden, wie mir später ein Mitarbeiter erzählte, nur 400 Plätze von insgesamt 2500 möglichen besetzt.
Ich kam mir in dieser riesigen Arena etwas verloren vor…

Viel Abstand zwischen den einzelnen Besuchern, ph: Holger Jacobs

Daniel Barenboim hatte sich zusammen mit seiner Staatskapelle (feiert dieses Jahr 450-jähriges Bestehen) vorgenommen, auf das Thema BEETHOVEN (wir feiern seinen 250. Geburtstag) insofern zu einzugehen, indem er die letzten drei Symphonien seines Vorgängers, Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791), präsentieren wollte.
Alle drei Symphonien beinhalten Elemente, die wir später bei Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) wiederfinden.

Wolfgang Amadeus Mozart hatte seine drei letzten Symphonien, Nr. 39, Nr. 40 und Nr. 41 alle in einem Jahr geschrieben, 1788.
Besonders die Nr. 40 gilt heute als eines der meistgespielten Werke des Meisters, beginnt sie doch gleich mit dieser wunderbaren Melodie als 2/2 Takt in g-Moll.

Hier ein Hörbeispiel mit den Berliner Philharmonikern und Dirigent Simon Rattle aus dem Jahr 2013:


Allen drei Symphonien gemeinsam
wird ein tieferer melancholischer Grundton hineininterpretiert. Mozart verstarb nur 3 Jahre nach diesen drei Kompositionen 1791 ganz unerwartet und sehr früh im Alter von 36 Jahren.

In jungen Jahren waren Mozarts Werke geprägt von Ausgelassenheit und Fröhlichkeit. Nicht umsonst eignete sich seine Musik für aller Art von ausschweifenden Festen.

Es wäre jedoch falsch heute seine Kompositionen als reine Populärmusik des 18. Jahrhunderts zu sehen. Wird die Interpretation von Mozarts Noten zu leicht, versinkt der gesamte Vortrag in der Bedeutungslosigkeit. Gibt sich der Musiker jedoch die Mühe mehr Tiefe in Mozarts Werken zu suchen, so kann das Konzert ganz einzigartig werden.

Große Abstände auch zwischen den Musikern auf der Bühne, ph: Holger Jacobs

Auch der Samstag Abend wurde einzigartig, in vielerlei Hinsicht:

Daniel Barenboims bekannte Art, musiksalische Werke etwas in die Länge zu ziehen und bestimmte Passagen sehr zu betonen kommt der Idee der Tiefe und Ernsthaftigkeit der Interpretation zu Mozarts letzten Symphonien sehr nahe.

Der Bezug zu Ludwig van Beethoven findet sich in der Tatsache, dass wir heute wissen, wie intensiv der junge Komponist aus Bonn sich mit den Werken seines älteren Kollegen in Wien auseinandersetzte.

Gerade die Symphonie Nr. 40 von Mozart fand damals schnell seine Anhänger und bereits 12 Jahre nach seiner Komposition, im Jahre 1800, wurde sie überall gespielt.
Beethoven war zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt und bereits seit 8 Jahren ebenfalls in Wien ansässig. Er wird diese drei letzten Symphonien von Mozart auf jeden Fall gekannt und als weitere Inspirationsquelle für seine Arbeit genutzt haben.
Und so kommt die Verbindung dieser beiden Genies zusammen.

Nur wenige Male kam Barenboim zum Verbeugen auf die Bühne – es kam einfach keine Applaus-Stimmung auf, ph: Holger Jacobs

Gerade weil der Saal der Philharmonie quasi leer war gaben sich alle 400 Zuschauer große Mühe viel Applaus zu spenden, aber ihr Klang verhallte schnell in diesem großen Raum. Daniel Barenboim kam deshalb zum Applaus nur noch 2 Mal auf die Bühne, dann war Schluss.
Kein Händeschütteln von ihm mit all seinen Konzertmeistern, Vorspielern und Solisten. Keine Küsschen links und rechts mit seinen weiblichen Musikerinnen. Kein Standing Ovation des Publikums. Somit endete dieser eigentlich schöne Abend etwas blutleer.
Die Emotionen blieben auf kleiner Flamme. Doch nicht wegen der Musik, sondern wegen der wenigen Menschen im Raum.

Musikfest Berlin
Vom 25. August bis zum 23. September 2020

Hier unsere Bilderserie mit 5 Fotos des Abends:

5 photos: MUSIKFEST BERLIN, Philharmonie, 29.08.2020, Staatskapelle, Daniel Barenboim, ph: Monika-Karczmarczyk

 

English Text

 

Concert – live – Musikfest Berlin in the Philharmonie

 

By Holger Jacobs


08/29/2020

Rating: 🙂 🙂 🙂 🙂 (four of five)

A concert of the highest quality in an almost empty hall.

I was confronted with the Corona issue on my bike ride to the Philharmonie:
Almost 40,000 opponents of the federal government’s corona measures had placed themselves right in front of my house in Berlin-Mitte when their demonstration was due to disregard the Corona requirements the Brandenburg Gate was dissolved – and had now chosen Friedrichstrasse at the Oranienburger Tor as the station for their protests.
Fortunately, in a zigzag course over various secret paths, I made it in time for the start of the concert in the Philharmonie im Tiergarten.

In der großen Halle musste jeder den farbigen Pfeilen folgen, ph: Holger Jacobs

Here, too, as on the days before in the Deutsche Oper and the Maxim Gorki Theater, strict corona distance and hygiene rules.
Right at the beginning we were divided into four different colored groups, depending on what was on our tickets.
My group YELLOW was intended for block C.
Over an almost deserted hall, over almost deserted stairs, I went up to the third floor, where a friendly lady with a (of course) mask received me.
She asked me to write my coordinates on a piece of paper and to put them in a box provided after the concert.
Another lady brought us spectators to our seats one by one, whereby there were no seat numbers, but the rows of seats were occupied by her one after the another depending on arrival in block C.

Jeder musste seine Kontaktadresse hinterlegen, ph: Holger Jacobs

The entire auditorium was adjusted to Corona in the way that a row in front of someone and a row behind someone always remained free and 2 seats were covered between the individual spectators left and right.
As an employee later told me, only 400 places out of a total of 2500 possible were filled. I felt a little lost in this huge arena …

Viel Abstand zwischen den einzelnen Besuchern, ph: Holger Jacobs

Daniel Barenboim, together with his Staatskapelle (celebrating its 450th anniversary this year), decided to address the subject of BEETHOVEN (we are celebrating its 250th birthday) by performing the last three symphonies of his predecessor, Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791).
All three symphonies contain elements that we will later find in symphonies of Ludwig van Beethoven (1770 – 1827).

Die Musiker der Staatskapelle, ph: Holger Jacobs

Wolfgang Amadeus Mozart had written his last three symphonies, No. 39, No. 40 and No. 41, all in one year, 1788.
No. 40 in particular is considered to be one of the master’s most frequently performed works, as it begins with this wonderful one Melody as 2/2 time in G minor.
Here is the melody:

A deeper melancholy keynote is interpreted into all three together. Only 3 years after these three compositions, Mozart died unexpectedly and very early in 1791 at the age of 36.

At a young age, Mozart’s works were characterized by exuberance and happiness. It was not for nothing that his music was suitable for all kinds of extravagant celebrations.

Große Abstände auch zwischen den Musikern auf der Bühne, ph: Holger Jacobs

However, it would be wrong to see his compositions today as pure popular music of the 18th century.
If the interpretation of Mozart’s notes becomes too easy, the entire performance sinks into insignificance.
If, however, the musician tries to look for more depth in Mozart’s works, the concert can be quite unique.

Saturday evening was also unique, in many ways:
Daniel Barenboim’s well-known way of lengthening musical works and emphasizing certain passages comes very close to the idea of ​​depth and seriousness in the interpretation of Mozart’s last symphonies.

The reference to Ludwig van Beethoven can be found in the fact that we know today how intensively the young composer from Bonn dealt with the works of his older colleague in Vienna.

Mozart’s Symphony No. 40 in particular quickly found its fans, and just 12 years after its composition, in 1800, it was played everywhere.
Beethoven was 30 years old at that time and had also been living in Vienna for 8 years.
He will definitely have known these last three Mozart symphonies and used them as a further source of inspiration for his work. And so the connection of these two geniuses comes together.

Nur wenige Male kam Barenboim zum Verbeugen auf die Bühne – es kam einfach keine Applaus-Stimmung auf, ph: Holger Jacobs

Even if the hall of the Philharmonie was almost empty, all 400 spectators tried very hard to give a lot of applause, but their sound quickly faded away in this large room.
Daniel Barenboim only came for the applause on stage twice, then it was over.
No shaking hands from him with all his concert masters, auditors and soloists. No kisses left and right with his female musicians. No standing ovation from the audience.
So this actually beautiful evening ended a little bloodless. The emotions remained on a low flame. But not because of the music, but because of the few people in the room.

Musikfest Berlin
From August 25th to September 23rd, 2020

Here you find our picture series:

5 photos: MUSIKFEST BERLIN, Philharmonie, 29.08.2020, Staatskapelle, Daniel Barenboim, ph: Monika-Karczmarczyk

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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