Monet und die impressionistische Stadt – Alte Nationalgalerie
Von Holger Jacobs
28.09.2024
Die Impressionisten der ersten Stunde dokumentierten den Umbau der Stadt Paris ab Mitte des 19. Jahrhunderts
Napoleon III.
Fast das gesamte 19. Jahrhundert war Frankreich durch Brüche und Umbrüche geprägt.
Nach der glorreichen Epoche von Napoleon I., als die französischen Heere 1810 fast ganz Mitteleuropa beherrschten, fiel das Land nach der Niederlage Napoleons 1815 bei Waterloo in ein politisches Chaos.
Der Sohn seines Bruders Louis Bonaparte, CHARLES-LOUIS BONAPARTE, der spätere NAPOLEN III., musste sich jahrelang verstecken und landete schließlich als Exilant in London.
Nach der Februarrevolution 1848 und der Verabschiedung einer neuen Verfassung in Frankreich (2. Republik) kehrte CHARLES-LOUIS BONAPARTE aus seinem Exil nach Paris zurück und bewarb sich für das Präsidentenamt, zu dem er am 10. Dezember 1848 mit überwältigender Mehrheit gewählt wurde.
Nur drei Jahre später verübte er einen Staatstreich und erklärte sich zum Kaiser NAPOLEON III.
Georges-Eugène Haussmann
Nach einer erfolgreichen Schlacht auf der Krim, die Russland zwang, sich aus dem Nahen Osten zurückzuziehen, ging NAPOLEON III. die Modernisierung seines Landes an, speziell dem Umbau von PARIS.
Die Hauptstadt Frankreichs sah zu dieser Zeit immer noch wie ein zu groß gewordenes, mittelalterliches Dorf aus mit engen, schmalen Gassen, überwiegend aus Holz gebauten Häusern, schlechter Wasserversorgung und einer veralteten Kanalisation. Die ganze Stadt stank nach Urin und Exkrementen (um das nachempfinden zu können empfehle ich den Film „Das Parfüm“ von Tom Tykwer).
NAPOLEON III. wollte dies ändern, auch um ein visuelles Zeichen für die Großmachtstellung Frankreichs zu setzen.
Es wollte den Bürgern von Paris „Licht, Luft und sauberes Wasser“ bringen.
Dazu beauftragte er den Präfekten des Departement Seine, GEORGES-EUGÈNE HAUSSMANN, der sich durch den Ausbau des Wegenetzes, der Schulverwaltung und der Wasserversorgung verschiedener Gemeinden Frankreichs bereits einen Namen gemacht hatte.
NAPOLEON III. stattete HAUSSMANN mit umfangreichen Befugnissen aus, um aus PARIS eine moderne Metropole des Industriezeitalters zu machen, die sich mit anderen Städten, wie London und St. Petersburg messen konnte.
Besonders wichtig waren ihm weite, lange Sichtachsen (z.B. Boulevard Haussmann), die sich kilometerlang hinzogen und Größe und Erhabenheit präsentieren sollten.
NAPOLEON III. zeichnete dazu selbst auf einem Stadtplan von PARIS die Straßenzüge auf, die komplett verändert werden sollten (siehe Foto).
Neben einem modernen Schienenverkehr wurden weitläufige Grünanlagen gebaut (Jardins des Tuileries, Jardin du Luxembourg, Bois de Boulogne); heute würde man sagen „grüne Lungen“, wie der Central Park in New York oder der Berliner Tiergarten.
Die Schwerpunkte der Umbaumaßnahmen lagen im Bereich des LOUVRE und der angrenzenden Rue de Rivoli, dem ARC DE TRIOMPHE und seinen sternförmig zulaufenden Boulevards, der Gegend um die OPERA GARNIER und dem Bau der großen Markthalle im Zentrum der Stadt (LES HALLES).
Dazu wurden ab 1953 mehrere Tausend kleiner Holzhäuser abgerissen und durch 1250 Steinhäuser mit Sandsteinfassaden im Stil des Klassizismus ersetzt, heute auch als „style haussmannien“ bekannt.
Bei der Weltausstellung 1867 in PARIS war der überwiegende Teil realisiert und die französische Metropole glänzte in einem neuen Licht.
Diese Weltausstellung war übrigens auch der Höhepunkt der Amtszeit NAPOLEONS III.
Nur drei Jahre später wurde er nach dem verlorenen Krieg gegen Deutschland gestürzt und verbrachte seine letzten Jahre wiederum im englischen Exil, wo er am 9. Januar 1873 verstarb.
Die Impressionisten
Doch nicht nur im Städtebau hinterließ NAPOLEON III. seine Spuren.
Auch in der Kunst.
Während seine Frau, KAISERIN EUGÈNIE, die im Interior Design und in der Kleidung dem Stil des Second Empire frönte (viel Samt und Plüsch, üppige Polsterung und Wandverkleidungen, klassizistische Möbelformen im Stil des Louis XVI.- auch „Louis-seize“ genannt), ließ er 1863 neben dem offiziellen SALON DE PARIS, bis dahin wichtigster Gradmesser für die Wertschätzung eines Künstlers, auch einen SALON DES REFUSÉES zu, nachdem durch eine konservative Jury 3000 von 5000 für den Salon de Paris eingereichten Werke abgelehnt wurden.
Auf diesem neuen Salon konnten nun auch zum ersten Mal die impressionistischen Maler wie EDOUARD MANET (mit dem berühmten Bild „Déjeuner sur l‘ Herbe“), CAMILLE PISSARRO und PAUL CÈZANNE ihre Werke zeigen.
Monet und die impressionistische Stadt
Die Alte Nationalgalerie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, diese beiden Themen, den Umbau der Stadt PARIS, Mitte es 19. Jahrhunderts, und den Beginn des IMPRESSIONISMUS, zusammen zu bringen.
Denn in vielen Motiven von MONET, PISSARRO, CAILLEBOTTE und RENOIR findet sich das neue Stadtbild von Paris wieder.
Eigentlich kennt man die Impressionisten hauptsächlich wegen ihrer lichtdurchfluteten Landschaften und Blumenbildern.
Doch auch die Stadt war als Motiv beliebt, eben genau aus dem vorgenannten Grund.
MONET z.B. beantragte als Maler einen Zugang zum LOUVRE, aber nicht, um alte Meister zu kopieren, wie es die meisten (bis heute) machen, sondern um aus den Fenstern einen besseren Blick auf die Umgebung zu haben, um diese auf seiner Staffelei festhalten zu können.
PISSARO wiederum malte die Stadt aus dem Fenster seiner Mansardenwohnung in der rue Halévy mit einem steilem Blickwinkel nach unten.
Und RENOIR malte direkt von der Straße aus in Richtung des Quai Malaquais.
Die Ausstellung umfasst nur ca. 20 Arbeiten in einem einzigen, mittelgroßen Raum.
Doch lohnt sich der Besuch auf jeden Fall, denn diesen Aspekt des Impressionismus hat man bisher so noch nicht gesehen.
Und eine Huldigung an die schönste Stadt der Welt ist schließlich immer ein Besuch wert…
„Monet und die impressionistische Stadt“
27.09.2024 – 26.01.2025
Alte Nationalgalerie
Museumsinsel
Berlin
Die Bilderserie mit 10 Fotos der Ausstellung zeigt Stadtansichten von Paris von Claude Monet und einigen seiner künstlerischen Zeitgenossen:
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.