Onkel Wanja im Maxim Gorki Theater

Tim Porath als Onkel Wanja und Anastasia Gubareva als Jelena, Foto: Holger Jacobs

Onkel Wanja im Maxim Gorki Theater

Premiere von Onkel Wanja am Maxim Gorki Theater in Berlin.

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂   (vier von fünf möglichen)

Von Holger Jacobs (Text und Fotos)

3.5.2015. Großer Schlussapplaus und Bravo-Rufe gestern Abend bei der gelungenen Premiere der Neuinszenierung von „Onkel Wanja“ von Anton Tschechow am Maxim Gorki Theater in Berlin.

Die Handlung:

Anton Tschechow schrieb diese Tragikkomödie mit 36 Jahren, als er schon als Bühnenautor und Schriftsteller einen Namen gemacht hatte. Drei Jahre später, 1899, war die Uraufführung in einem Moskauer Theater. Das Stück spielt Ende des 19. Jahrhunderts auf einem Gutshof mitten auf dem Lande in Russland. Dort leben Iwan Petrowitsch, genannt Onkel Wanja, mit seiner Mutter Maria, Nichte Sonja und Amme Marina. Häufig kommen der Landarzt Michael Astrow und auch der verarmte Gutsbesitzer Telegin vorbei. Es ist die vorrevolutionäre Zeit in Russland, ein gewisser gesellschaftlicher Stillstand macht sich breit. Der Familie von Onkel Wanja geht es recht gut, man braucht sich finanziell keine Sorgen zu machen. Entsprechend langweilig fließt das Leben vor sich hin, ohne große Höhepunkte, aber auch ohne große Dramen. Unterbrochen wird die Trägheit durch die Ankunft von Onkel Wanjas Schwagers, Prof. Serebrjakow, der seine neue, junge und hübsche Ehefrau Jelena mitgebracht hat. Seine erste Frau, die Schwester von Onkel Wanja und Mutter von Sonja, war vor einiger Zeit verstorben. Die Ankunft bringt nicht nur Unruhe in das eintönige Leben der Protagonisten, sondern weckt auch lang unterdrückte Sehnsüchte. Onkel Wanja verliebt sich in die neue Frau des Professor und merkt, dass er nicht nur auf diesem Sektor in seinem Leben versagt hat. Der Hausfreund und Arzt Astrow verliebt sich ebenfalls in Jelena, obwohl er eigentlich mit diesem Kapitel „Liebe“ abgeschlossen und sich mehr dem Alkohol hingegeben hatte. Nichte Sonja, die ihrerseits schon lange den Arzt verehrt, wird auf die neue Frau eifersüchtig. Die Situation eskaliert, als der Professor ankündigt, das Gut zu verkaufen. Obwohl fast alle über ihr bisheriges Leben enttäuscht sind, bedeutet doch der Verlust ihrer Heimat ein Verlust ihrer Identität. Und plötzlich fallen Schüsse…

Rezension:

Regisseur Nurkan Epulat lässt es langsam angehen. So langsam, wie auch das Leben auf dem Lande. Man sitzt gemeinsam um den Tisch, rückt die Stühle nebeneinander, um sich das Publikum näher anzusehen und genießt die Ruhe, nur unterbrochen von Liedern, die alle gemeinsam anstimmen und von Telegin (gespielt von einer Frau, Marina Frenk) begleitet werden. Dabei geht die Langweile keineswegs auf den Zuschauer über, denn schnell wird klar, wo hier die (seelischen) Spannungen vergraben liegen. Die Wiederkehr des Professors mit seiner attraktiven jungen Frau Jelena (Anastasia Gubareva) weckt Begehrlichkeiten unterschiedlichster Art. Bei Onkel Wanja, etwas schnoddrig gespielt von Tim Porath, ist es seine Aufopferung für das Gut, obwohl er viel lieber Schriftsteller geworden wäre. Der Arzt Astrow, überzeugend gespielt von Dimitri Schaad, sieht, wie das Leben auf dem Land an ihm vorbeizieht, ohne ihm die ersehnte Erfüllung zu bringen. Und Sonja (Mareike Beykirch), unglücklich verliebt in den Arzt, merkt, dass der sich für eine andere interessiert und wohl nie ihre Liebe erwidern wird. Das Bühnenbild ( Alissa Kolbusch) bringt hierzu kleine Überraschungen. Wie auch bei fast allen modernen Stücken heute üblich, verändert es sich während der verschiedenen Akte nicht. In den kleinen Umbauphasen wird gesungen und den Bühnenarbeitern beim Stühle rücken zugesehen. Im Hintergrund sieht man viel Wald, der sich den Jahreszeiten entsprechend farblich anpasst. Ab und zu kann man Vogelschwärmen beim vorbeiziehen zusehen. Die Drehbühne bewegt dabei Personen und Hühner langsam immer weiter. Ja, Ihr habt richtig gelesen: Der Gag des Abends sind zwei Hühner, die fröhlich und ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, über die Bühne wandern und freundlich mit „Gaaaagaga“ antworten, wenn die Schauspieler ihnen gerade ihr Herz ausschütten. Wie man sich denken kann: Großes Gelächter beim Publikum. Am Schluss sitzen wieder alle auf ihren Stühlen und schauen in das Publikum – letztlich wird der Professor mit seiner Frau wieder in die Stadt ziehen und auf dem Lande bleibt alles, wie es immer war…

 

Regie: Nurkan Erpulat, Bühne: Alissa Kolbusch, Kostüme: Elke von Sivers.

Mit: Tim Porath (Onkel Wanja), Falilou Seck (Prof. Serebrjakow), Anastasia Gubareva (seine Frau Jelena) Mareike Beykirch (Sonja), Dimitri Schaad (Michael Astrow, Arzt und Freund von Onkel Wanja), Ruth Reinecke (Maria, Mutter von Onkel Wanja), Marina Frenk (Telegin), Sema Poyraz (die Amme Marina ).

 

 

 

 

Das Eröffnungsbild: Die Familie versammelt sich um Onkel Wanja, "Onkel Wanja", Foto Holger Jacobs

Das Eröffnungsbild: Die Familie versammelt sich um Onkel Wanja, „Onkel Wanja“, Foto Holger Jacobs

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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