„Paul Gauguin – why are you angry“ in der Alten Nationalgalerie

Paul Gauguin - Why are you so Angry? - Alte Nationalgalerie, Photo: Holger Jacobs

„Paul Gauguin – why are you angry“ in der Alten Nationalgalerie

 

Von Holger Jacobs

25.03.2022

Ein neuer Blick auf das Leben und Werk eines der bekanntesten französischen Malers des 19. Jahrhunderts.

Was wurde Paul Gauguin in letzter Zeit nicht alles so nachgesagt:
Er sei ein Narzisst gewesen, ein Pädophiler, ein Sexist.
Die angesehene englische Zeitung THE TELEGRAPH aus London schrieb sogar, er wäre „The Harry Weinstein oft he 19th Century“.

Wie kommen alle diese schlechten Meinungen zustande? Warum wird ein so großartiger Künstler dermaßen verleumdet?

Genau dieser Frage wollte die Alte Nationalgalerie nachgehen.
Zusammen mit der Ny Carlsberg Glyptotek in Kopenhagen, von der die meisten Exponate stammen, organisierte sie eine Ausstellung, die zeigt, wie Paul Gauguin zu seinem Hauptthema, dem Leben, der Liebe und den Frauen auf Tahiti, kam und wie er heute von Künstlerinnen und Künstlern aus Tahiti gesehen wird.

Skizzenbuch „Noa Noa“ von Paul Gauguin, Photo; Holger Jacobs

Um es gleich vorneweg zu sagen: Bilder mit provokanter Sexualität, wie z.B. bei Gustave Courbets „l’ Origine du Monde“, gibt es gar nicht. Selbst reine Akte findet man selten. Gauguins Gemälde sind eher sinnlich schön und bestechen durch ihre starke Farbigkeit, ähnlich den Arbeiten der deutschen Expressionisten oder den französischen Fauves.

Das Paul Gauguin heute moralisch so in Verruf geriet liegt wohl hauptsächlich daran, dass er auf Tahiti und den umliegenden Inseln insgesamt 10 Jahre seines Lebens verbracht hat und dort mit drei Frauen liiert war, die alle nicht älter als 13 oder 14 Jahre alt waren. Zu einer Zeit, wo er selbst schon Ende 40 war.

PAUL GAUGIUIN „Selbstportrait“, 1893 -cc- Wikimedia Commons

Paul Gauguin

Das Leben dieses 1848 geborenen Mannes war in sich schon so aufregend, dass darüber mehrere Romane geschrieben wurden (z.B. „The Moon and the Sixpence“ von Sommerset Maugham, 1919).
In Paris geboren, in Peru (wegen seiner Mutter mit peruanischen Wurzeln) aufgewachsen, wurde er in Paris Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst erfolgreicher Börsenmakler und lebte in großem Wohlstand.
Von seiner dänischen Frau Mette bekam er 5 Kinder.
Alles änderte sich, als er 1882 durch einen Börsenkrach seinen gutbezahlten Job verlor. Durch Freunde hatte er zuvor Kontakt mit den französischen Malern der Gruppe der Impressionisten bekommen und lernte persönlich Camille Pissarro, Edgar Degas, Renoir und Manet kennen.
Die Familie zog in die Normandie, um Kosten zu sparen. Paul Gauguin begann nun selbst zu malen und besuchte die Künstlergemeinschaft Pont-Aven, um seine Technik zu verfeinern. Durch Theo van Gogh lernte er Vincent van Gogh kennen und ging mit ihm 1888 gemeinsam nach Arles. Doch die Freundschaft zerbrach. In einem Streit hat sich van Gogh ein Stück seines Ohres abgerissen.

Inauguration de l’Exposition Universelle de 1889. Musée Carnavalet, Paris

Die Weltausstellung 1989 in Paris

Bei einem Besuch der Weltausstellung 1989 in Paris kam Paul Gauguin auch in die französische Ausstellungshalle Palais des Colinies, wo er zum ersten Mal Bilder, Fotografien und Texte über die Insel Tahiti in Polynesien zu Gesicht bekam, die erst seit 1880 französische Kolonie geworden war.
Sein Interesse war sofort geweckt, da er schon längere Zeit auf der Suche nach einem ursprünglicheren, einfacheren Leben war.

Zusätzlich mag Paul Gauguin auch das Exotische gereizt haben. Seit der Entdeckung dieser Inselgruppe im Südpazifik kursierten in Europa wilde Gerüchte über das zügellose, freie Sexleben der Insulaner (in England war dagegen die strenge Viktorianische Zeit angebrochen).
Als erster hatte dies der französische Entdecker Louis Antoine de Bourgainville nach seinem dortigen Besuch 1768 in seinem Reisebericht „Yoyage autor du monde“ beschrieben. Andere Berichte in ähnlicher Art folgten.
Der Begriff „Exotik“ wurde gleichbedeutend mit „Erotik“ verstanden.

Installation von Angela Tiatia, 2020, Alte Nationalgalerie, Photo: Holger Jacobs

Tahiti

Wer genau diese Inselgruppe als erster entdeckt hat ist heute nicht mehr eindeutig zu klären. Die ersten bestätigten Aufzeichnungen stammen von dem Engländer Samuel Wallis aus dem Jahr 1767. Dann kam Bougainville ein Jahr später und viele weitere folgten. Ende des 18. Jahrhunderts versuchten die Briten die Inseln zu missionieren. Ab 1842 wurde es französisches Protektorat mit nunmehr katholischen Missionaren. 1880 dankte der letzte tahitianische König ab und Tahiti wurde französische Kolonie.

TAHITI, 2006 – cc- Wikimedia Commons

„Paul Gauguin – Why are you angry“

Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf ein Gemälde von Gauguin mit dem Titel „ No te aha oe riri?“ (Warum bist du böse?), gemalt 1896 auf Tahiti.
Zwar ist dieses Bild gar nicht in der Ausstellung zu sehen, wurde aber von dem zeitgenössischen Künstlerpaar Rosalind Nashashibi und Lucy Skaer als Aufhänger benutzt, um einen 18-minütigen Film zum Thema Paul Gauguin und dem heutige Tahiti zu drehen.

Filmstill von „Why are you so angry“ von Nashashibi/ Skaer von 2017, courtesy Grimm Gallery, Amsterdam

Dieser Film ist jetzt in der Ausstellung zusehen. Neben 12 Gemälden, verschiedenen Zeichnungen, Skizzen und Plastiken von Paul Gauguin sind auch Arbeiten heutiger Künstler zu sehen, die sich mit der Hinterlassenschaft Paul Gauguins und dem (exotisch-erotischen) Mythos von Tahiti befasst haben, wie z.B. Angela Tiatia und Yuki Kihara.

Filmstill von „Hibiscus“ von Angela Tiatia von 2010, Courtesy Angela Tiatia

Fazit: Die Kuratoren der Ausstellung, Ralph Gleis (Leiter der Alten Nationalgalerie) und Anna Kaersgaard Gregersen (Ny Carlsberg Glyptotek in Kopenhagen) haben sich zwar große Mühe gegeben mit überdimensionalen Schautafeln und durchaus sinnvoller Themenräume sich der problematischen Figur Paul Gauguins anzunähern, kommen dabei aber nur zum Teil dem Phänomen eines Ausnahmekünstlers näher.
Klar, Paul Gauguin war Teil der Kolonialmacht, klar, er war deutlich älter als seine Modelle, klar, er romantisierte das dortige Leben, dass schon längst seine Ursprünglichkeit durch die Kolonialisierung verloren hatte. Dabei lebte er dort aber in sehr bescheidenen, ärmlichen Verhältnissen und starb letztlich an Mangel an ärztlicher Versorgung im frühen Alter von 54 Jahren.

Filmstill von „First Impression“, von Yuki Kihara, 2018, Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen

Überhaupt halte ich es für schwierig Künstlern ihre sexuellen Ausschweifungen anzukreiden.
Ob es die Künstlergruppe der BRÜCKE mit ihren blutjungen Modellen an den Moritzburger Seen war oder Emil Schiele mit seinen explizit sexuellen, ja fast pornographischen, Darstellungen junger, weiblicher Aktmodelle – von Picasso will ich erst gar nicht anfangen – Sexualität war und wird für Kreative immer ein starker Antrieb ihrer Arbeit sein.

Kuratorin Anna Kaersgaard Gregersen von der Ny Carlsberg Glyptotek in Kopenhagen, Photo: Holger Jacobs

Und überhaupt: Geht der Besucher einmal durch die anderen Räume der ehrenwerten Alten Nationalgalerie findet er haufenweise Gemälde mit üppiger, wollüstiger Weiblichkeit – ob die Künstler dabei nur an die Farbmischungen dachten?

„Paul Gauguin – why are you so angry“
25.03 – 10.07.2022
Alte Nationalgalerie
Bodestr. 1-3
10178 Berlin-Mitte
Di – So 10 – 18 Uhr

Hier unsere Bilderserie mit 7 Gemälden von PAUL GAUGUIN:

PAUL GAUGUIN, Tahitianische Frauen“, 1891, Musée d‘ Orsay, Paris

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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