Unsere Bücher Tipps im März 2022

Titel Bücher Tipps im März 2022 © kultur24.berlin

Unsere Bücher Tipps im März 2022

 

Von Jörg Braunsdorf

14.02.2022

Aus Anlass des Krieges in der Ukraine gibt Buchhändler Jörg Braunsdorf (Tucholsky-Buchhandlung in Berlin-Mitte) fünf Buchempfehlungen zum brandaktuellen Thema.
Vom Anti-Kriegs-Klassiker „“DRAUSSEN VOR DER TÜR“ von Wolfgang Borchert von 1947 bis zum gerade erst vor wenigen Tagen erschienen „ERDGAS ALS WAFFE“ von Frank Umbach. (Anm. d. Red.)

Zwölf Ringe, Juri Andruchowytsch, Suhrkamp
Der Autor wurde 2006 für seinen Roman Zwölf Ringe mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet. Geschichten können Länder erzählen.
Dieses Buch beschreibt die Ukraine nach dem Mauerfall in grotesker, satirischer Form. Es brachte mich zum Schmunzeln, Lächeln, Mitfiebern. Es erzählt die Chuzpe mit der die Menschen Übergänge leben. Von der anarchischen Kraft, mit der Brüche gemeistert, erlitten oder überlebt werden. Ein Land muss sich Anfang der 90er Jahre neu erfinden, Ordnungen bröckeln oder setzen ungeahnte Kräfte und Ideen frei. Immer wieder habe ich beim Lesen an John Steinbecks Strasse der Ölsardinen gedacht. Das Leben ist wie es ist und trotzdem geht es immer weiter, immer weiter. Die Mauer war gefallen, damals. Gerade versucht der russische Bär die Mauer wieder aufzubauen. Es muss scheitern.

„ZWÖLF RINGE“, Juri Adruchowytsch © Suhrkamp Verlag

edition.fotoTAPETA – Ein Berliner Verlag mit klarem Profil
Der Berliner Verlag edition.fotoTAPETA verlegt immer wieder wichtige Bücher aus Osteuropa. Polen, Belarus, Ukraine.
Drei Beispiele:

In Isolation, Stanislaw Assejew
In Isolation versammelt Texte von Assejew von 2015 – 2017 aus dem Donbass.
Ein Kriegsberichterstatter, einer der wenigen Aufklärer jenseits der Frontlinie. Assejew wurde 2017 verschleppt und erst 2019 auch aufgrund öffentlicher Proteste freigelassen. Diese Erzählungen aus einem Kriegsgebiet verdeutlichen, weshalb und wie heute in der Ukraine Zerstörung definiert und realisiert wird.

„IN ISOLATION“, Stanislaw Assejew © editioin.fotoTAPETA

Verstellter Blick – Die Deutsche Ostpolitik, Thomas Urban
Der Autor war langjähriger Osteuropa-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung. Jahrelange Aufenthalte in Warschau, Moskau und Kiew schärften seinen Blick für die Realitäten in Osteuropa. Dieses Buch ist aktuell erschienen und stellt auch die Frage, welchen Anteil die Politik Berlins an den Entwicklungen im Osten Europas hatte. Zweifellos trägt der Mann im Kreml die alleinige Verantwortung dafür, dass im Jahr 2022 wieder Krieg herrscht in Europa. Für mich ist aber auch klar, ein KALTER KRIEG wird immer von 2 Seiten geführt. Sicher ist es schwer Angesicht des Krieges sachlich zu analysieren. Kluge Diplomatie erfordert aber Analysefähigkeit und dafür liefert Urban Argumente.

„VERSTELLTER BLICK – DIE DEUTSCHE OSTPOLTIK“, Thomas Urban © editioin.fotoTAPETA

Erdgas als Waffe, Frank Umbach
Die edition.fotoTAPETA mischt sich mit ihrer Essay-reihe immer wieder aktuell ein. Gerade erschienen ist der Text Erdgas als Waffe – Der Kreml, Europa und die Energiefrage. Umbach forschte als Energieexperte in Brüssel, Moskau, Washington und Tokio. Seit 2012 ist er für die NATO Energie-Consultant für Energiesicherheit und Mitinitiator eines Aufrufs in 2022 für eine grundlegend neue Russland – und Osteuropapolitik. Es ist ein Kreuz. Seit Jahrzehnten weisen Viele auf die Notwendigkeit neuer unabhängiger Energieversorgung hin. Der Träger des Alternativen Nobelpreises Hermann Scheer hatte die Ideen und Programme dafür vorgelegt. Seit dem Klimabericht des Club of Rome von 1972 wissen wir um die Präsenz. Verhindert wurde es immer von der internationalen Energielobby, verkörpert auch durch deutsche Energieversorgungsunternehmen und den Partnern in Regierung und Bundestag. Umbach spricht klar an, dass der deutsche und europäische Steuerzahler das Putin-Regime und die militärische Intervention mitfinanziert hat – eine unbequeme Wahrheit! Wir fordern eine möglichst schnelle Beendigung des Krieges und benötigen für die Analyse eine Sicherheitspolitik unter Einbeziehung ALLER Argumente. Hier erhalten wir sie.

„ERDGAS ALS WAFFE“, Frank Umbach © editioin.fotoTAPETA

Draußen vor der Tür, Wolfgang Borchert, Rowohlt Verlag
Borchert lebte nur von 1921 bis 1947. Er war einer der bekanntesten Autoren der Trümmerliteratur. Sein bekanntester Text ist „Dann gibt es nur eins“.
Es ist sein Vermächtnis gegen den Krieg, von einem, der selber Soldat war.
Borchert fordert uns auf Partei zu ergreifen. Fordert auf, militärischer Logik eine Verweigerungshaltung entgegenzusetzen.
Eine Vision, die angesichts der aktuellen Realität schwierig erscheint. Und doch ohne Alternative.

„DRAUSSEN VOR DER TÜR“, Wolfgang Borchert © Rowohlt Verlag

Für die Literatur steht diese Strophe:

Du, Dichter in deiner Stube. Wenn sie dir
morgen befehlen, du sollst keine Liebeslieder,
du sollst Haßlieder singen, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!

Jörg Braunsdorf
Tucholsky Buchhandlung
Tucholskystr. 47
10117 Berlin
030/27577663
kurt@buchhandlung-tucholsky.de

 

Author: Jörg Braunsdorf

Jörg Braunsdorf ist Inhaber der 2010 gegründeten Tucholsky-Buchhandlung in der Tucholskystraße 47 in Berlin-Mitte.
Auszeichnungen: 4-maliger Gewinner des Deutschen Buchhandlungspreises, zuletzt für das Jahr 2020

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