Die Oscar-Verleihung 2022 mit einem Skandal

OSCAR 2022 - Jessica Chastain © kultur24.berlin

Die Oscar-Verleihung 2022 mit einem Skandal

 

Von Holger Jacobs

28.03.2022

Ein Vorfall auf der Bühne während der Show ließ alle anderen Ereignisse in den Hintergrund treten

Diese Oscar-Nacht wird vielen noch in Erinnerung bleiben.
Nicht wegen der schlechten Moderation, nicht wegen der tollen Filme, nicht wegen besonderer Dankesreden, sondern wegen einer Ohrfeige live auf der Bühne.

Was war geschehen?

Chris Rock, afro-amerikanischer Hollywood-Schauspieler der 2. Kategorie, versuchte in seiner Moderation einen Witz zu reißen, als er über den kahlrasierten Kopf der Ehefrau von Schauspieler Will Smith, Jada Pinkett Smith, meinte, sie könne ja mit dieser „Frisur“ nun GI Joe Teil 2 spielen (in Anlehnung an den Film „GI Joe“ mit  Demi Moore, indem sich diese als Soldatin den Kopf rasiert).

Was Chris Rock wohl nicht wusste war, dass Jada Smith ihr Kopfhaar nicht freiwillig so kurz hält, sondern sie an einer seltenen Krankheit (Alopecia Areata) leidet, die kreisförmigen Haarausfall hervorruft.

Daraufhin erhob sich Will Smith von seinem Stuhl, ging auf die Bühne und gab Chris Rock eine schallende Ohrfeige (siehe Bilderserie), dessen Klang auch noch durch das Mikrofon an Rocks Revers laut über den ganzen Saal verstärkt wurde.

Der Geohrfeigte versuchte sich daraufhin zu fangen und meinte dann mit schmerzverzehrtem Gesicht, dies wäre wohl der größte Moment in der Geschichte des Fernsehens…
Will Smith, zurück an seinem Platz, brüllte dann noch in Richtung Bühne, Chris Rock solle nie mehr den Namen seiner Frau in den Mund nehmen (zwei Tage später hat sich Will Smith bei Chris Rock entschuldigt, die Akademie of Motion Pictures untersucht aber noch den Fall).

Letztlich ging die Show dann normal weiter und gipfelte in der Verleihung des Oscars für die beste männliche Hauptrolle an – Ihr ahnt es schon – WILL SMITH, für „KING RICHARD“, indem er den Vater der Tennis-Stars Venus und Serena Williams spielt.

Weitere Überraschungen des Abends

Der Eklat mit Will Smith war dann noch nicht das Ende der unerwarteten Wendungen:
Der mit 12 Oscar-Nominierungen hochgehandelte Film der neuseeländischen Regisseurin Jane Campion „THE POWER OFT THE DOG“ mit Benedict Cumberbatch (Regie-Preis bei den Filmfestspielen in Venedig 2021), erhielt letztlich nur einen einzigen, dafür aber den für die beste Regie.
Der Film erzählt die Geschichte von Cowboy Phil Burbanks (Benedict Cumberbatch) der nach außen den harten Typen spielt, in Wirklichkeit aber homosexuell ist. Nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Savage von 1967.
Jane Campion hatte 1993 mit ihrem herausragenden Film „DAS PIANO“ damals sowohl einen Oscar für das beste Originaldrehbuch, als auch die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes gewonnen.

Auch der 7-fach nominierte Film „BELFAST“ von Kenneth Branagh (kultur24 berichtete) über die politischen Unruhen in Irland in den 70er Jahren erhielt lediglich einen Oscar, nämlich den für das beste Originaldrehbuch.

Ebenso erging es Steven Spielberg mit „WEST SIDE STORY“.
Das ebenfalls 7-fach nominierte Musical erhielt nur einen einzigen für die beste weibliche Nebenrolle, der der afro-latinischen Schauspielerin Ariana DeBose übergeben wurde. Sie ist damit die erste queere Darstellerin, die einen Oscar erhielt.

Aus deutscher Sicht war höchst erfreulich, dass Komponist HANS ZIMMER einen Oscar für die beste Filmmusik (für „DUNE“) bekam (per Video-Übertragung aus seinem Hotel-Zimmer in Amsterdam zugeschaltet, gekleidet in einen weißen Bademantel, siehe Bilderserie) und GERD NEFZER für die Visual Effects, ebenfalls für „DUNE“.
Dieser Film war dann mit 6 Oscars (u.a. für beste Kamera, bester Ton, bester Schnitt, et.c.) auch der erfolgreichste des Abends, zumindest was die Zahl der Oscars anging.

Zum besten Auslandsfilm (International Feature Film) wurde der japanische Streifen „DRIVE MY CAR“ von Ryusuke Hamaguchi gekürt.
Er hatte bereits bei den Filmfestspielen in Cannes 2021 den Regie-Preis erhalten, danach noch einen Golden Globe und einen BAFTA, ebenfalls für die beste Regie, bei den British Film Academy Awards in London.
Der Film handelt vom Schicksal zweier Menschen, die sich durch Zufall als Fahrgemeinschaft  in einem Auto kennenlernen und bei jeder erneuten Fahrt immer mehr von ihren Geheimnissen preisgeben. Vorlage ist eine Kurzgeschichte des japanischen Autors Huraki Murakami.

Als beste Hauptdarstellerin bekam Jessica Chastain den Oscar für ihre Rolle in „THE EYES OF TAMMY FAYE“. Der Film ist ein Biopic über die ehemalige Fernsehpredigerin Tammy Faye Bakker, die in den 70er Jahren den größten religiösen Fernsehkanal der USA betrieb.
Ihr Aussehen und ihr schräges Make-Up machten sie in den Vereinigten Staaten zur Legende.

Bester Film 2022

Die Oscar-Verleihung an den besten Film, immerhin der Hauptpreis, war dann  eine weitere Überraschung.
Nicht einer der Favoriten gewann diese prestigeträchtige Trophäe, sondern der Film „CODA“ der US-amerikanischen Regisseurin Siân Heder.
Dieser nur im APPLE Streaming-Dienst zu sehne Film hatte schon im Frühjahr 2021 beim Sundance Filmfestival in Colorado den Grand Prix der Jury bekommen und hatte jetzt wohl auch die über 1000 Mitglieder der American Film Academy überzeugt.

Der Film erzählt die Geschichte der 17-jährigen Ruby (Emilia Jones), die in einer 4-köpfigen gehörlosen Familie aufwächst, mit ihr als einzige, die hören kann.
Als ein Lehrer ihrer Schule ihr Talent für Gesang erkennt, schlägt er ihr ein Musikstudium vor. Doch wie werden ihre Eltern damit umgehen?
Der Film ist ein Remake der französischen Tragikomödie „Verstehen Sie die Beliers“ von Eric Lartigau aus dem Jahr 2014.
Ein sehr gefühlvoller Film, ohne zu kitschig zu werden, mit einem unglaublichen Schauspiel-Ensemble, darunter auch Marleen Matlin, die 1987 als erste gehörlose Schauspielerin den Oscar für „Gottes vergessene Kinder“ bekam.
Die Belohnung: drei Oscars!
Für den besten Film des Jahres, das beste adaptierte Drehbuch und den besten Nebendarsteller, den gehörlosen Troy Kotsur.
Bei dessen Dankensrede bekam sogar der Gebärdensprach-Übersetzer vor Rührung einen Kloß im Hals…

Die wichtigsten Preise:

Bester Film: „CODA“ von Siân Heder
Beste Regie: „TH POWER OF THE DOG“ von Jane Campion
Beste Hauptdarstellerin:  Jessica Chastain für ihre Rolle in „THE EYES OF TAMMY FAYE“
Bester Hauptdarsteller: Will Smith für seine Rolle in „KING RICHARD“
Beste Nebendarstellerin: Ariana DeBose für ihre Rolle in „WEST SIDE STORY“
Bester Nebendarsteller: Troy Kotsur für seine Rolle in „CODA“
Bester Song: „No Time to Die“ im gleichnamigen Film der James-Bond-Reihe von Billie Eilish und ihrem Bruder Finneas
Bester fremdsprachiger Film: „DRIVE MY CAR“ von Ryusuke Hamaguchi
Bester Dokumentarfilm: „SUMMER OF SOUL“ von Ahmir „Questlove“ Thompson.

Dieser Letztgenannte ist ein äußerst bemerkenswerter Dokumentarfilm.
„SUMMER OF SOUL“ berichtet über das „Harlem Cultural Festival“, welches auch als „Black Woodstock“ bezeichnet wird, weil es zeitgleich zum echten WOODSTOCK Festival im Jahre 1969 stattfand.
Mit dabei waren Top-Künstler wie Stevie Wonder, B.B. King, Gladys Night, The 5th Dimension, Mahalia Jackson und Nina Simone.
„Es war der Sommer, als die Bezeichnung ‚Nigger‘ verschwand und durch ‚Black‘ ersetzt wurde“, wie ein Zeitzeuge im Film berichtet.
Den Film kann man bei Disney + streamen. Sehenswert!

Hier 20 Bilde aus der Oscar-Nacht in Los Angeles:

Will Smith mit seiner Familie, links Frau Jada © Instagram

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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