Peter Paul Rubens im Städel Museum Frankfurt
Von Klaus Honnef
12.05.2018
english text below
Seit der Eröffnung der Ausstellung am 8. Februar 2018 kamen bis Ende April bereits mehr als 100.000 Besucher. Weshalb die Leitung des Städel Museums sich entschloss die Schau für zwei Wochen bis Anfang Juni 2018 zu verlängern.
Rubens – Meister der Moderne
Peter Paul Rubens (*1577 – †1640) verbindet vieles mit der Moderne. Am wenigsten jedoch seine Kunst.
So unterhielt er nicht nur einen florierenden Betrieb, wie die meisten der erfolgreichen Künstler seiner Zeit, sondern beschäftigte auch noch die führenden Spezialisten seiner Zeit. Von denen wurden manche später selbst große Meister. Darüber hinaus entwickelte der Flame, der in Siegen geboren wurde, eine unverwechselbares Trademark.
Er war ein hochgebildeter Theoretiker, ein intensiver Kenner der Kunstgeschichte, ein glänzender Verkäufer und ein gewandter Diplomat im Auftrag der spanischen Krone, die damals das Regiment über sein Land innehatte. Das alles blendet das Frankfurter Städel in seiner exzellenten Rubens-Ausstellung aber aus, und stellt den Maler in das Umfeld der Kunst des 16./17. Jahrhunderts, seines künstlerischen Universums. Nachdrücklich demonstriert die Ausstellung zunächst, dass Kunst ohne Können, ohne die absolute Beherrschung der künstlerischen Mittel, eine fragwürdige Angelegenheit ist.
In einem brillant inszenierten Ausstellungsparcours mit vielen exzellenten Leihgaben rückt die Schau den besessenen Zeichner Rubens in den Focus, der nie aufhörte, sich in diesem Metier zu üben und zu vervollkommnen. Natürlich zeigt das Städel keine der üblichen Ausstellungen des barocken Megakünstlers, den Historiker und Kurator Simon Schama mit guten Argumenten Rembrandt vorzieht, sondern arbeitet ein wichtiges Moment der Kunst vor Aufbruch der Avantgarde heraus: den Wettstreit der Künstler mit der Absicht, sich wechselseitig zu übertreffen: in puncto technischer Meisterschaft und Erfindungsreichtum.
Weitgehend verzichtet Die Ausstellung auf die berühmt-berüchtigten „Rubensschinken“, meist Produkte der Werkstatt, deren Konzept und Finish der Meister beitrug, und konzentriert sich stattdessen auf die Zeichnungen und die wirklich berückenden Modelli und Concetti des Künstlers.
Obendrein trägt sie akribisch die Kunstwerke der Antike und der Renaissance zusammen, die Rubens inspiriert haben und die er in Form von Kopien und Varianten förmlich seinem Kopf und Körper einverleibt hat. Damit legte er das Fundament für seine große Kunst und eine Malerei, die mitreißt.
Auch wenn der barocke Überschwang dem vermeintlich coolen Zeitgeist fremd geworden ist und seine quellenden Körper wie ein Antidot von Gesundheitswahn und Magerkeit wirken, vermag man sich der ungeheuren Dynamik – von wegen statische Malerei! – dem Verlangen und Begehren, der Lust und dem Schrecken seiner Bilder, ob winzig oder riesig, nicht zu entziehen. Wieder einmal hat das Städel ein scheinbar bis zum Abwinken bekanntes künstlerisches Werk der Vergangenheit dem (post)modernen Blick erschlossen; wieder einmal setzt es Maßstäbe.
„Rubens. Kraft der Verwandlung“
Städel Museum Frankfurt
Schaumainkai 63
60596 Frankfurt am Main
Verlängert bis 3. Juni 2018
Di – So 10 – 18 Uhr, Do + Fr – 21 Uhr
english text
Peter Paul Rubens at the Städel Museum Frankfurt
By Klaus Honnef
05/12/2018
Since the opening of the exhibition on February 8, 2018, more than 100,000 visitors have been coming by the end of April. Thats why the mammoth show was extended for two weeks until June 2018.
Rubens – Master of Modernity
Peter Paul Rubens (* 1577 – † 1640) is very close to the modern age. But not at all in his art. Because he not only maintained a flourishing business, like most of the successful artists of his time, but also employed the leading specialists of his time. Some of them later became great masters themselves. In addition, the Flame, who was born in Siegen, developed a distinctive trademark. He was a highly educated theoretician, an expert in art history, a brilliant salesman, and a skilled diplomat on behalf of the Spanish crown, who was then in charge of his country. However, the Städel in Frankfurt is hiding all this in his excellent Rubens exhibition, and places the painter in the context of the art of the 16./17. Century, his artistic universe. The exhibition emphatically demonstrates, first of all, that art without skill, without absolute mastery of artistic means, is a questionable matter. In a brilliantly arranged exhibition course with many excellent loans, the show focuses on the obsessed draftsman Rubens, who never stopped practicing and perfecting himself in this profession. Of course, the Städel does not show any of the usual baroque mega-artist’s exhibitions that historian and curator Simon Schama prefers Rubens to Rembrandt with good arguments, but works out an important moment in the art before the avant-garde emerged: the artists‘ contention with the intention of surpassing each other: in terms of technology Mastery and ingenuity. The show largely renounces the notorious „Rubens sweeping baroque style“, mostly products of the workshop, whose concept and finish the master contributed, and focuses instead on the drawings and the really captivating Modelli and Concetti of the artist. On top of that, she painstakingly brings together the works of antiquity and the Renaissance, which inspired Rubens and which he formally incorporated into his head and body in the form of copies and variants. In doing so, he laid the foundation for his great art and a painting that gets carried away. Even if the baroque exuberance has become foreign to the supposedly cool zeitgeist of today and its swelling bodies act as an antidote to the thirst for health and thinness, the visitor can’t escape the desire and lust and sometimes horror of these pictures, whether tiny or huge. Once again, the Städel has opened up a seemingly well known artistic work of the past to a (post) modern look; Once again the Museum sets standards.
„Rubens. Power of Transfiguration “
Städel Museum Frankfurt
Schaumainkai 63
60596 Frankfurt on the Main
Extended until 3 June 2018
Tue – Sun 10am – 6pm, Thu + Fri – 9pm
Author: Klaus Honnef
Klaus Honnef ist ein deutscher Kunsthistoriker, Kunstkritiker, Ausstellungskurator und Theoretiker für künstlerische Fotografie. Er ist Autor zahlreicher Bücher zur zeitgenössischen Malerei und Fotografie (Wikipedia). Er kuratierte u.a. für die DOKUMENTA 6 (1977) die Abteilungen Malerei und Fotografie. Er war Professor an mehreren Hochschulen und Mit-Autor u.a. des Buches „Die Kunst des 20. Jahrhunderts“ aus dem Taschen Verlag.