Premiere La Traviata – Staatsoper Berlin

La Traviata, Sonya Yoncheva, Abdellah Lasri, Staatsoperb Berlin © Holger Jacobs

Premiere La Traviata – Staatsoper Berlin

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂    (vier von fünf)

Von Holger Jacobs

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20.12.2015

Intro:

Um es gleich vorneweg zu sagen: Die Premiere am 19.12.2015 war ein bewegter und bewegender Abend, nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Publikum. Aber davon später. Zunächst sollte der Ausnahme-Regisseur Dieter Dorn erwähnt werden, der hier für die Inszenierung verantwortlich zeichnete. Dorn gehörte in den 80er-und 90er Jahren zu den wichtigsten Persönlichkeiten seines Faches. Mit ihm machten die Münchner Kammerspiele Furore, zusammen mit seiner damaligen Partnerin Sunnyi Melles, später wechselte er zum Münchner Residenztheater. Als ich ihn bei der Probe auf seine Zeit an den Kammerspielen ansprach, strahlte er über das ganze Gesicht!

Die Handlung:

La Traviata von Guiseppe Verdi wurde 1853 in Venedig uraufgeführt und geht auf den Roman und das spätere Bühnenstück von Alexandre Dumas „Die Kameliendame“ zurück:

Die Kurtisane Violetta Valéry lebt das fröhliche Dasein einer jungen und selbstbewussten Frau im Paris des Second Empire unter Napoleon III. In dieser Zeit des industriellen Aufschwungs in Frankreich gab es zahlreiche so genannter „Salons“, die eine Mischung aus Bordell, Club und geistreichem Zusammensein der gehobenen Gesellschaft waren. Eines Abends kommt auch Alfredo Germont in Violettas Salon und verliebt sich sofort in sie. Als er ihr seine Liebe erklären will weist sie ihn zunächst ab mit dem Hinweis, dass sie gar nicht wüsste was Liebe wäre. „Meine Gedanken sollen nur um neue Sinnesfreuden kreisen“. Nichts desto trotz überreicht sie ihm eine Kamelie mit dem Hinweis, wenn sie verblüht sei, solle er wiederkommen. Wenig später sind Alfredo und Violetta ein Paar und wohnen etwas außerhalb von Paris. Als Alfredo einmal in die Stadt fährt kommt sein Vater Giorgio Germont bei Violetta vorbei. Er erklärt ihr, dass der zukünftige Ehemann seiner Tochter die Hochzeit platzen ließe, würde nicht die Verbindung Alfredos zu der Kurtisane beendet. Er bittet deshalb Violetta auf die Liebe zu Alfredo zu verzichten. Da sie weiß, dass sie schwer an Tuberkulose erkrankt ist und nicht mehr lange zu leben hat, willigt sie ein. Als Alfredo wiederkommt, findet er Violetta einen Brief schreibend. Kurz versichern sich beide noch einmal ihrer Liebe, bevor Violetta verschwindet. Als er den Brief öffnet ist er verzweifelt. Jedoch erfährt er von einem Fest bei der auch Violetta sein wird. Schnell macht er sich auf den Weg. Das Wiedersehen wird zum Drama. Violetta weigert sich mit Alfredo zurückzukehren und Alfredo seinerseits beschimpft sie. Einen Monat später hat sich der Zustand Violettas stark verschlechtert. Der Vater macht sich mittlerweile große Vorwürfe, hatte er die Geschichte seiner Tochter doch nur erfunden, um seinen Sohn Alfredo wieder heim zu holen. Eines Tages tauchen beide unerwartet bei der sterbenden Violetta auf, der Vater bittet um Verzeihung. Ein letztes Mal versichern sich Alfredo und Violetta ihre Liebe. Violetta stirbt.

Die Kritik:

Dass es sowohl auf der Bühne wie auch im Publikum bewegt zuging erwähnte ich schon oben. Es lag daran, dass nach den Arien nur zögerlich Applaus gespendet wurde und wenn, dann einhergehend mit lauten Buh-Rufen. Diesen Unzufriedenen kann ich nicht folgen, denn mir hatte es gefallen. Erst einmal ist die Musik einfach umwerfend schön und das Lied der Zigeuner hat jeder schon einmal im Radio gehört. Daniel Barenboim hatte seine Staatskapelle wie immer gut im Griff. Großes Kino für die 34-jährige Bulgarin Sonya Yoncheva, die hier die Violetta singt. Sie singt- ja sie schmettert geradezu ihre Arien heraus, das Haus erbebte. Bei den leisen und verhaltenen Stellen gefiel sie mir besser, wie beim Duett mit dem Vater (Simone Piazzola) oder am Schluss bei der Arie „Lebe wohl mein unglückliches Leben“ hat sie ein wunderschönes Timbre. Zumal sie eine durchaus attraktive Frau ist. Abdellah Lasri als Alfredo dagegen konnte nicht ganz überzeugen, weshalb die Reaktion beim Publikum entsprechend negativ ausfiel. Dagegen fand ich Simone Piazzola als Vater von Alfredo hervorragend. Sowohl wegen seinem Spiel als auch wegen seiner Stimme.

Kommen wir zur Inszenierung von Dieter Dorn. Auch diese hat mir gut gefallen. Die Idee mit der ablaufenden Sanduhr als zu Ende gehende Lebenszeit von Violetta ist klasse, ebenso wie die weißen Todesengel, die das ganze Stück über präsent sind und der Violetta immer näher rücken. Zwischendurch formen sie einen Totenkopf hinter einem halbdurchsichtigen Spiegel. Die Bühne ( Joanna Piestrzynska) ist karg und sehr reduziert. Die Handlung bleibt deshalb frei von einer zeitlichen Zuordnung. Es kann vor 100 Jahren oder auch heute spielen.

Am Ende großen Applaus und nochmals Buhrufe. Eine lebhafte Diskussion entbrannte zwischen den Besuchern und ich hörte Negatives wie Positives. Dennoch liefen alle am Ende strahlend nach Hause – ob das wohl an Weihnachten lag?

„La Traviata“ von Verdi
Staatsoper im Schillertheater
Musikalische Leitung: Daniel Barenboim, Regie: Dieter Dorn, Bühne: Joanna Piestrzynska
Mit: Sonya Yoncheva (Violetta), Abdellah Lasri (Alfredo), Simone Piazzola (Vater)

Violetta mit der Vorahnung ihres Todes, "La Traviata", Staatsoper Berlin 2015, © Holger Jacobs

45 Bilder: Violetta mit der Vorahnung ihres Todes, „La Traviata“, Staatsoper Berlin 2015, © Holger Jacobs

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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