Shiori – Japan mitten in Berlin erleben

Shiori – Japan mitten in Berlin erleben

 

by Josefine Kammerer

25.09.2019

english text below

Eine kulinarische Reise nach Japan in Berlin Mitte.

Die nächste kulinarische Reise geht nach Japan und dafür muss man nicht einmal Berlin verlassen. In Mitte, unweit vom Alexanderplatz, findet sich das kleine gemütliche Restaurant von Shiori.

Hinein in die sanfte japanische Welt ©Shiori

Bereits wenn man durch die im Winde wehende, zart-rosafarbene, hauchdünne Stoffverkleidung des Eingangs schreitet taucht man in die sanfte japanische Welt ein. Chio, die uns an diesem Abend durch das Menü führt, empfängt uns mit einem herzlichen, warmen Lächeln und weist die Gäste höflich ihrem Sitzplatz zu. Auch die sanft klingenden Töne im Hintergrund, das in zarten Erdtönen gehaltene Interior, puristisch minimalistisch und doch detailverliebt, mit Sinn für Ästhetik, schaffen landestypische Stimmung.

Essen am Tresen: räumliche Nähe zwischen Gast und Koch ©Shiori

Platz finden hier nur 11 Gäste. Diese sind an einer Bar um den Küchentresen herum platziert, um dem Besucher die Möglichkeit zu geben, dem Koch bei der Zubereitung der Speisen zuzuschauen. Ganz getreu dem alten, traditionell japanischen Essenkonzept des omakase KappoOmakase bedeutet übersetzt „Ich überlasse es Ihnen“, in diesem Falle heißt es also: Der Koch entscheidet, was serviert wird. Und das über den gesamten Abend, bei 9 bis 11 Gängen. Kappo bedeutet „Schneiden und Kochen“ und es handelt sich dabei ebenfalls, wie beim vielleicht bekannteren Kaiseki, um eine raffinierte japanische Küche mit saisonalen Speisen aus kunstvoll zubereiten Zutaten, jedoch etwas weniger formell und mit einer weniger strengen Abfolge der Gänge. Die wörtliche Bedeutung unterstreicht die räumliche Nähe, welche zwischen Gast und Koch entsteht, wenn letzterer direkt vor dem Gast schneidet und kocht.

Shiori am „Schneiden und Kochen“ ©JK

An diesem Donnerstagabend servierte uns Shiori 10 Gänge. Die meisten Komponenten der Speisen sind bereits im Mise-en-place (dies bezeichnet die Vorbereitung und Bereitstellung von Zutaten im Vorhinein) vorbereitet und werden dann mit viel Ruhe, Konzentration und Präzision direkt vor den Gästen angerichtet und auf dem Tresen, mit herzlich vorgetragener Erklärung von Chio, serviert.

Eierstich mit Gelee aus Dashi, Krabbe, Seeigel und Okraschote ©JK

Als Erstes gab es ein luftig gequirltes Ei, eine japanische Variante des Eierstichs, mit einem kühlen Gelee aus Dashi, welches dezent nach Algen schmeckte, weicher und doch texturstarker Krabbe, geschmacksintensivem Seeigel und knackiger Okraschote. Dashi ist ein japanischer Fischsud, welcher aus Flocken des Bonito, einer Thunfischart, und braunem Seetang gewonnen wird. Darauf folgte ein fabelhaftes Trio aus Aubergine, Jakobsmuschel und in Reis mariniertem, butterweichen Lachs, dazu eine Sauce aus Miso und würzig scharfem, japanischem Senf, zusammen mit Frühlingszwiebel und Kaviar.

Trio aus Aubergine, Jakobsmuschel und Lachs mit Kaviar ©JK

Der dritte Gang war eines meiner persönlichen Highlights: eine Fischboulette aus Kabeljau, knackigem, leicht blanchiertem Mais und Garnele, badend in einer klaren Suppe aus Dashi, abgeschmeckt mit Yuzu, der etwas säureärmeren, aber intensiven japanischen Zitrone. Besonders begeistert hat mich neben der Textur der Boulette der Geschmack des dekorativen, farnähnlichen Blattes der japanischen Sansho-Pfefferpflanze, namentlich Kinome. Wie auch der Sansho-Pfeffer schmeckt das Kinome-Blatt erfrischend kräftig, duftig-fruchtig nach Zitrone, mit einem Hauch Minze.  Es hat somit die Yuzu im Dashi unterstützt und auch den Fischgeschmack wundervoll ausbalanciert.

Fischboulette dekoriert mit einem Blatt der japanische Sansho-Pfefferplanze ©JK

Darauf folgte ein Sashimi aus der festen und doch zart-fleischigen japanischen Gelbschwanzmakrele (Hamashi) in einer Ponzu-Sauce, aus Soya, Yuzu und Dashi mit frittiertem Gemüse und Ingwer und dem scharfen japanischen Senf. Der Fisch war wundervoll, ohne jegliche Fasern, ganz sauber. Insbesondere im Vergleich zu der darauffolgenden, in einer leicht fruchtigen Pflaumen-Soya-Soße marinierten Wilddorade, deren Fleisch weitaus durchwachsener und bissiger war.

Gelbschwanzmakrele in Ponzu-Sauce aus Soya, Yuzu und Dashi ©JK

Gang 6 gefiel mir außerdem sehr gut. Er bot was fürs Auge, mit der Kombination aus weißem Onsen-Ei, der eingelegten roten Tomate, übersäht von zart-lilafarbenen Schnittlauchblümchen, und auch für den Gaumen. Ein kaltes, zart rosa gebratenes Rindersteak mit einer Sauce aus basierend auf Soja Soße, Mirin (ein hauptsächlich zum Kochen verwendeter süßlicher Reiswein), Sake und Brühe und dazu ein geschmacksbindendes Onsen-Ei waren in der Kombination schlichtweg umami – schmackhaft, würzig. ­Ein Onsen-Ei wird nach japanischer Garmethode bei 68 Grad für mindestens eine Stunde lang gekocht, wodurch Eiweiß und Eigelb eine ganz eigene, cremig geschmeidige und gleichmäßige Struktur bekommen.

Rindersteak mit Onsenei und Schnittlauchblüten ©JK

Ein weiteres besonderes Geschmackserlebnis erfuhr ich, als ein Tablettchen mit „Verschiedenen Kleinigkeiten“, im Japanischen Hassun genannt, aus Produkten der Region serviert wurde. Neben einer leicht süßlichen Kreation aus Birne und Feige in einer cremigen Tofu-Sesamsoße mit erdigem Rote-Beete Chip, Oktopusscheiben mit grünem Spargel verquirlt mit Eigelb und säuerlicher Brombeere, oder einem mit Lachskaviar gefülltem Kumquat (Zwergorangen)-Biskuit, stach für mich insbesondere die Kombination aus gegrillte Rotbarsch mit Limette und Seeteufeleber hervor.

„Verschiedenen Kleinigkeiten“ (Hassun) ©JK

Und natürlich durfte auch nicht eine japanische Nudelsuppe fehlen – und zwar eine kalte Sōmen-Nudelsuppe. Dies sind extrem dünne, weiße Weizennudeln. Die Suppe wurde serviert mit einem Glibber aus geriebenem Rettich, welcher sich zwar zunächst im Mund etwas komisch anfühlte, dann aber doch eine schöne erfrischende Schärfe hinzufügte, mit junger Kartoffel, Pfifferlingen und Bonito-Flocken und begossen mit der sich durch das Menü ziehenden Dashi.

Sake ©JK

Selbstverständlich gibt es hier auch fein ausgewählte Sake. Bestellt man zu zweit einen Sake, wird eine Box gereicht, aus der man sich einen der zahlreichen Sake Becher in unterschiedlichsten Formen und Designs aussuchen darf. Als Aperitif bekam ich einen sehr aromatischen Sake empfohlen, welcher einen direkt lieblich blumig willkommen hieß. Zum Dessert bestellte ich mir aus Neugier einen Pflaumensake, welcher sich aber als vollmundige Ergänzung zum locker leichten Blätterteiggebäck entpuppte.

Pflaumensake zum Dessert ©JK

Insgesamt hat mir der Abend wirklich gut gefallen. Eine schöne, inspirierende und einfühlsame kulinarische Reise nach Japan. „Der Ort Shiori kommt nur dann zustande, wenn sich Zeit und Raum mit dem Herz vereinen“ – und der Gaumenfreude noch dazu.

Philosophie des Shiori ©JK

english

Shiori – Experiencing Japan in the heart of Berlin

A culinary trip to Japan in Berlin-Mitte.

The next culinary journey takes us to Japan and for that you don’t even have to leave Berlin. In Mitte, not far from Alexanderplatz, you will find Shiori’s cosy little restaurant.

Enter the japanese world ©Shiori

As soon as you step through the wafer-thin, pink fabric cloth covering entrance, blowing in the wind, you are immersed in the gentle and delicate Japanese world. Chio, who guides us through the menu this evening, welcomes us with a warm smile and politely assigns the guests to their seats. The soft-sounding tones in the background, the interior in fainted earthy tones, puristically minimalistic and yet with love to detail, with a great sense for aesthetics, create a mood typical for the country.

Eat at the counter: physical intimacy between guest and cook ©Shiori

Only 11 guests can be accommodated here. These are placed around the kitchen counter to give the visitor the opportunity to watch the chef preparing the food. True to the old, traditional Japanese food concept of the omakase Kappo. Omakase translates to “I leave it to you”, which in this case means: the cook decides what is served for the entire evening, with 9 to 11 courses. Kappo means “cutting and cooking” and, similar to the perhaps more famous Kaiseki, it is also a refined Japanese cuisine with seasonal dishes made from elaborately prepared ingredients, but somewhat less formal and with a less strict sequence of courses. The literal meaning underlines the physical intimacy that arises between guest and cook when the latter cuts and cooks directly in front of the guest.

Shiori „Cutting and Cooking“ ©JK

This Thursday night Shiori served us 10 courses. Most components of the food are already prepared in the mise-en-place (this means the preparation and provision of ingredients in advance) and are then prepared with much calm, concentration and precision and served directly in front of the guests and on the counter with a warmly recited explanation of Chio.

Eierstich with Dashi jelly, crab, sea urchin and okra ©JK

First, there was an airy beaten egg, a Japanese variant of the German “Eierstich” (a solid mass produced out of egg with milk and broth), with a cool jelly from Dashi, which tasted discreetly like algae, soft carb, yet strong in texture, tasty sea urchin and okra pod firm to the bite. Dashi is a Japanese fish stock made from flakes of bonito, a species of tuna, and brown seaweed. It followed a fabulous trio of eggplant, scallop and rice marinated buttery salmon, a sauce of miso and spicy hot Japanese mustard, together with spring onion and caviar.

Trio of eggplant, scallop and salmon topped with caviar ©JK

The third course was one of my personal highlights: a fish ball of cod, firm, slightly blanched corn and shrimp, bathing in a clear soup of dashi, seasoned with yuzu, the slightly less acidic but intensely aromatic Japanese lemon. In addition to the texture of the fish ball, I was particularly impressed by the taste of the decorative, fern-like leaf of the Japanese Sansho pepper plant, namely Kinome. Like the Sansho pepper, the Kinome leaf tastes refreshingly strong, fragrant and fruity like lemon, with a hint of mint. It thus supported the Yuzu in the dashi and also wonderfully neutralised the fish taste.

Fish ball decorated with leaf of Japanese Sansho-pepper plant ©JK

This was followed by a sashimi made from the Japanese yellowtail mackerel (Hamashi) in a ponzu sauce, made from soya, yuzu and dashi with fried vegetables and ginger and the spicy Japanese mustard. The fish was wonderfully firm, yet tender, without any fibres, completely clean. Especially in comparison to the following wild gilt-head bream marinated in a slightly fruity plum soy sauce, the meat of which was more marbled and firmer.

Yellowtail mackerel in ponzu sauce ©JK

I also liked course number 6 very much. He offered something for the eye, with the combination of white Onsen-egg, the pickled red tomato, covered with delicate purple chive flowers, and also for the palate. A cold, tender pink roasted beef steak with a sauce based on soy sauce, mirin (a sweet rice wine mainly used for cooking), sake and broth and a taste-binding Onsen-egg were simply umami in combination – tasty, savoury. An Onsen-egg is cooked according to the Japanese cooking method at 68°C for at least one hour, giving the egg white and yolk the identical creamy, smooth and even structure.

Steak with Onsen-egg and chive flowers ©JK

I experienced another special taste experience when a small tablet with “Variation of little things“, so-called Hassun in Japanese, was served from products of the region. In addition to a slightly sweet creation of pear and fig in a creamy tofu sesame sauce with earthy beetroot chip, octopus slices with green asparagus whisked with egg yolk and sour blackberry, or a kumquat (olive-sized orange) biscuit filled with salmon caviar, the combination of grilled redfish with lime and anglerfish liver stood out for me.

„Variation of little things“ (Hassun) ©JK

And obviously a Japanese noodle soup was also not to be missed – namely a cold Sōmen noodle soup. These are extremely thin, white wheat noodles. The soup was served with a somewhat slime made from grated radish, which at first felt a little strange in the mouth, but then added a nice refreshing spice, served with young potatoes, chanterelles and bonito flakes and sprinkled with the dashi running through the menu.

Sake ©JK

Evidently, there are also a selection of finely assorted sake. If you order a sake for two, you will be handed a box from which you can choose one of the numerous sake cups in various shapes and designs. As an aperitif I was recommended a very aromatic sake, which welcomed me directly sweetly floral. For dessert I ordered a plum sake out of curiosity, but it turned out to be a full-bodied addition to the loosely light puff pastry.

Plum sake to the dessert ©JK

Overall, I really enjoyed the evening. A beautiful, inspiring and sensitive culinary journey to Japan. As it says in their welcoming text: “The place Shiori only comes into being when time and space unite with the heart” – and the culinary delight as well.

Philosophy of Shiori ©JK

Author: Josefine Kammerer

Josefine Kammerer arbeitet bei einem Incubator von Unternehmen in Berlin und ist Besitzer des neuen israelischen Restaurants AVIV 030 in Berlin-Neukölln. Während eines Sabbatical besuchte sie eine Kochschule in Südamerika und betätigt sich in Berlin als Foodguide für das online Kulturmagazin kultur24.berlin.

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