Unsere Bücher Tipps im Mai 2022

Die Bücher Tipps für Mai 2022 @ kultur24.berlin

Unsere Bücher Tipps im Mai 2022

 

Von Jörg Braunsdorf

12.05.2022

Buchhändler Jörg Braunsdorf von der Tucholsky Buchhandlung in Berlin-Mitte stellt Euch hier seine Buchempfehlungen für den Monat Mai vor (Anm. d. Red.)

Ein Kriegsroman mit Anklang an den zurzeit stattfindenden Krieg in der Ukraine, zwei Romane über das Leben in der ehemaligen DDR, ein illustriertes Kinderbuch von Thomas Brasch und ein Buch über die Flucht von der Großstadt aufs Land.

 

„FUCHSROT UND FELDGRAU“ von Axel Lawacteck

„Fuchsrot und Feldgrau“ Axel Lawaczek, Volk Verlag
In seiner Eindringlichkeit erinnert der Roman an Remarques „Im Westen Nichts Neues“.
Aus einem Kriegstagebuch, gefunden in einer Kiste, wird ein Antikriegsroman, basierend auf einer wahren Begebenheit.
Ein Lazarettzug startet im südrumänischen Galatz, mit fast 1500 verwundeten deutschen Soldaten, die Rote Armee steht vor den Toren der Stadt. Es wird eine Reise entlang der zusammenbrechenden Front. Parallel erzählt der Roman die ebenfalls wahre Geschichte des jungen russischen Juden Walodja.
Die Ereignisse spielen zu Teilen im unmittelbaren Kriegsgebiet der heutigen Ukraine, nur es ist der Spätsommer 1944.
Realer Krieg als Verbrechen an den Menschen und fiktionale Erzählung überschneiden sich. Nicht leicht auszuhalten verdeutlicht es doch, dass der Soldat nur Kanonenfutter der Herrschenden ist.
Oder wie es Kurt Tucholsky radikal ausdrückte: „Alle Soldaten sind Mörder“.

 

„HAUS DES KINDES“ von Helga Kurzchalia © Volk Verlag

„Haus des Kindes“ Helga Kurzchalia, Friedenauer Presse
Die Autorin schildert in dem Episodenroman das Leben in der Stalinallee zwischen 1950 und 1965 (ab 1961 Karl-Marx-Allee). Sie wohnte dort mit ihrer Familie im Haus des Kindes.
Es ist erbaut nach den Plänen des legendären Architekten Hermann Henselmann.
In dem Wohn- und Kinderkaufhaus am Straußberger Platz lebten auch die Henselmanns, die Havemanns, das Schriftstellerehepaar Grete und F.C. Weiskopf, ein Ort privilegierten DDR-Lebens (noch) überzeugt vom Aufbau des Neuen Deutschlands.
Helga Kurzchalia belässt es nicht bei dieser Schilderung.
Die Risse im System, am Glauben an die sowjetische Besatzungsmacht werden deutlich, so im bemerkenswerten Kapitel „Drei Jugoslawen“, in dem sie schreibt:
„Wer sich von Moskau absetzte, wurde als faschistisch abgestempelt, wie die Ukraine noch Jahrzehnte später.“ (S. 81).
Der Roman ist in seiner Erzählstruktur nicht präzise und genau das macht seinen Reiz aus.
Er deutet an, entwickelt Spurensuche ohne sie bis zum Ende zu erzählen. Bietet sich als Basis für eigene Recherchen über das Erzählte an.
Am Dienstag, den 28. Juni 2022, besteht Gelegenheit, die Autorin und ihr Buch im Rahmen einer Lesung in der Tucholsky-Buchhandlung kennenzulernen.

 

„HERUMTREIBERINNEN“ von Bettina Wilpert © Verbrecher Verlag

„Herumtreiberinnen“ Bettina Wilpert, Verbrecher Verlag
Drei Frauen, drei mal Deutschland, ein Gebäude in Leipzig. Schwerpunkt des Romans der in Leipzig lebenden Autorin ist die Geschichte der siebzehnjährigen Manja, die im Leipzig der 80er Jahre lebt, stromert, im Zimmer eines Vertragsarbeiters aus Mozambique landet, erwischt und in eine Venerologische Station (bis zur Wende 1989/ 90 wurden in der DDR in den so genannten geschlossenen Venerologischen Stationen Tausende Mädchen und Frauen wegen angeblicher Geschlechtskrankheiten eingesperrt, doch nur ca. 30 % waren wirklich krank) eingeschlossen wird.
Herumtreiberinnen in der DDR, Frauen, die eigen sein wollten, wurden so „behandelt“und mißbraucht, ein dunkles Kapitel, dem sich der Roman stellt.
Lilo, die in den 40er Jahren den kommunistischen Widerstand gegen die Nazis unterstützt, wird an diesem Ort ebenfalls festgehalten, Robin arbeitet heute als Sozialarbeiterin in diesem Haus, nunmehr eine Unterkunft für Geflüchtete.
Ein bemerkenswertes Buch über junge Frauen, die nicht einfach im gesellschaftlichen Einerlei mitschwimmen, Suchende sind.
Und gleichzeitig eine fiktionale Geschichte, die nah an den Realitäten von drei Frauen erzählt wird, drei politische Systeme Deutschlands beschreibt, den Spannungsbogen von Individualität und gesellschaftlichem Druck aufnimmt.

 

„Heute wird sich alles ändern“. Drei Geschichten“ von Thomas Brasch © Edition Mückenschwarm

„Heute wird sich alles ändern. Drei Erfinder-Geschichten“,  Thomas Brasch, Illustration Matthias Mücke, Edition Mückenschwarm
Drei Kindergeschichten von Thomas Brasch (Deutscher Schriftsteller und Dramatiker, *1945 – †2001) für Menschen von 3 – 99 Jahren.
Es sind literarische Miniaturen von einem der streitbarsten Künstler seiner Generation, inspiriert vom Familienleben einer Funktionärsfamilie, von gesellschaftlichem Aufbegehren und politischem Aufruhr.
Hier die drei Geschichten:

  • Peter Henlein, arbeitete vor allem als Uhrmacher. Er wurde 1479 in Nürnberg geboren.
    Der Titel: Die Geschichte vom langsamen Herrn Henlein
    Schlossermeister Henlein erfindet eine Uhr. „… der Bürgermeister wollte uns mit der Uhr zur Arbeit antreiben, doch zur Strafe ist die Zeit stehengeblieben.“
  • Louis J. M. Daguerre gehört zu den Pionieren der Fotografie. Er wurde 1787 in Cormeiles-en-Parisis geboren.
    Der Titel:  Der König vor dem Fotoapparat
    Das Volk sagt, der Vorsitzende König ist ein Schwein. In alles steckt er seine Schnauze und wälzt sich in dem Geld … der Staat soll der Misthaufen sein.“
  • Alexander G. Bell entwickelte das Telefon bis zur Marktreife. Er wurde 1847 in Edinburgh geboren.
    Der Titel: Die Geschichte vom dicken Herrn Bell
    „Vorsicht! Das Telefon! Ich rede zuviel.“ „Genug rief Frau Bell zu ihrem Mann. Wozu sind wir eigentlich verheiratet, wenn Du den ganzen Tage telefonierst?“

    „ANGSTTIER“ von Lola Randl @ Matthes & Seitz Verlag


    „Angsttier“, Lola Randl, Matthes & Seitz Verlag

    Ich nenne ihn den Lola-Randl-Kosmos.
    Geschichten der Filmemacherin und Autorin, die vor 12 Jahren aus Berlin in die Uckermark zog. In drei Büchern erzählt sie vom Versuch, auf dem Land Abstand zum Stadtleben zu bekommen (Der große Garten, 2019), erzählt von Pflanzen, Tieren, Menschen, einem Mann und einem Liebhaber, beide ohne Namen.
    Im zweiten Roman (Die Krone der Schöpfung, 2020) mischt sich ein neuartiges Virus in die Versuche, den Neurosen des Stadtlebens zu entkommen.
    Und nun das dritte Buch (Angsttier, 2022). Ein Landidyll wird zum gelebten Alptraum. Roman, Horrorgeschichte, Satire, psychologischer Roman, es ist von allem etwas und mitunter verschlucken wir uns beim Lesen an der eigenen Spucke, manches ist nicht nur lustig, sondern auch ein wenig traurig. Trotzdem: Sehr Gute Unterhaltung!

 

 

 

Author: Jörg Braunsdorf

Jörg Braunsdorf ist Inhaber der 2010 gegründeten Tucholsky-Buchhandlung in der Tucholskystraße 47 in Berlin-Mitte.
Auszeichnungen: 4-maliger Gewinner des Deutschen Buchhandlungspreises, zuletzt für das Jahr 2020

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