Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein

Vaterland - Galerie Stammelbachspeicher © Katrin Jakobsen

Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein

Von Holger Jacobs

18.3.2017

„Vaterland“ – eine Ausstellung von Katrin Jakobsen in Hildesheim

Die Aufarbeitung der braunen Vergangenheit Deutschlands ist bereits vielfältig geschehen. Manchmal auch dessen zuviel, wenn wir beim Durchzappen des nächtlichen Fernsehprogramms auf Dokumentarfilme wie „Hilter und der Blitzkrieg“, „Hitler und seine Hunde“, Hitler und seine Frauen“, Hitler und seine Geheimwaffen“, et.c. stoßen.

Doch gerade unserer Generation, die in den 50er- und 60er Jahren geborenen, oblag es, dort Licht in das Dunkel zu bringen, wo viele unserer Eltern es am liebsten dunkel gelassen hätten.

Die Künstlerin Katrin Jakobsen, Jahrgang 1958, fing mit der Recherche über die Vergangenheit des Vaters im 3. Reich spät an – am Tage seiner Beerdigung. Auslöser war ein Notizbuch, welches sie durch Zufall fand und die Flucht 1945 des Vaters aus russischer Kriegsgefangenschaft beschreibt – von der Ukraine über Ungarn und Österreich bis zurück nach Norddeutschland.

Viele ihrer Generation schämten sich der Väter und schämten sich für die Vergangenheit des eigenen Volkes. Man vermied tunlichst die eigene Nationalität vor Fremden preiszugeben. Am besten man konnte sie ganz verschweigen.

So ging es auch Katrin Jakobsen. In Deutschland geboren, mit einem Schweden verheiratet, lebt sie mittlerweile seit 25 Jahren in Frankreich.

Als sie feststellte, dass ihr Vater gerade einmal sechs Jahre alt war, als Hitler an die Macht kam und 19 Jahre, als das 1000-jährige Reich zum Glück schon wieder endete, begann die Überlegung, wie stark ein Kind von außen beeinflusst werden kann, um einem Massenmörder bedingungslos in den Tod zu folgen. Mit der implizierten Frage, ob dies auch heute noch möglich wäre?

Katrin Jakobsen begann die vielen kleinen und größeren Dinge des täglichen Lebens der 30er Jahre zu nehmen und auf ihre Weise zu verändern. Alles, was ein Kind in den Zeiten des Faschismus umgab, wurde wieder hergestellt. Doch beim genaueren Hinsehen merken wir, dass hier etwas nicht stimmt.

So wird aus einer Tapete mit scheinbaren Hakenkreuz Symbolen eine (fast) ganz normale Wohnzimmer Tapete. Oder Plakate im Stil der damaligen faschistischen Zeit, jedoch mit völlig neuen Texten. Oder ein Radio, damals Volksempfänger genannt, aus dem im 3. Reich die Hassparolen Hitlers gebrüllt wurden, ertönen jetzt Liebeslieder. Und das Buch „Mein Kampf“ wird zu „Kein Kampf“.

Wie schnell falscher Nationalismus wieder entflammen kann und Rechtspopulisten Wahlen selbst in ur-demokratischen Ländern gewinnen können, sehen wir in den Vereinigten Staaten von Amerika. Aber auch in Ungarn, Polen, Niederlanden und Frankreich sind die Rechts-Nationalen auf dem Vormarsch.

Deshalb bleibt das Sich-Erinnern an die dunkelste Zeit der Europäischen Geschichte so wichtig. Und auch daran, wie schnell sich alles wiederholen kann, wenn die Vorzeichen nicht erkannt werden.

„Vaterland“

Galerie Stammelbachspeicher
Wachsmuthstrasse 20
31134 Hildesheim

Ausstellung 12. März – 8. Okober 2017

Ausstellung „Vaterland“ von Katrin Jakobsen in der Galerie Stammelbachspeicher © Katrin Jakobsen, Foto: Holger Jacobs

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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