„Yes But No“ am Maxim Gorki Theater Berlin

Yes But No - Maxim Gorki Theater © Holger Jacobs

„Yes But No“ am Maxim Gorki Theater Berlin

 

Von Anna Müller

10.09.2018

english text below

🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)

Die israelische Autorin Yael Ronen über #MeToo, einvernehmlichen Sex und die unterschiedlichen Erlebnisse des Missbrauchs.

Am vergangenen Freitagabend startete auch das Maxim Gorki Theater endlich in die neue Theatersaison. Die österreichisch-israelische Regisseurin Yael Ronen hat sich einem Thema gewidmet, dass uns alle betrifft, und aus der Diskussion um Gleichberechtigung nicht mehr wegzudenken ist. Die #metoo Debatte. Wie hat die Debatte unser Zusammenleben verändert und vor allem: wie schauen wir vielleicht auch auf unsere eigenen Erlebnisse zurück?

Wie sieht die Zukunft aus nach #metoo? Eines machen Yael Ronen und ihr starkes Ensemble auf jeden Fall klar, wir müssen alle viel mehr miteinander kommunizieren.

Wie immer bei Yael Ronen durchläuft man als Zuschauer jede erdenkliche Art von Emotionen während der Aufführung, die im übrigen aufgeteilt war in eine Stunde klassische Bühnenperformance à la Ronen mit persönlichen Erlebnissen der Schauspieler und auch einigen, sehr gelungenen Musicaleinlagen, und einen anschließenden Workshop, in den das Publikum mit einbezogen wurde und sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen konnte. Hier unser Video auf kultur24 TV:

Es wurde herzlich und viel gelacht, als die Darsteller zu Anfang von der Entdeckung ihrer eigenen Sexualität erzählten, von missglückten Masturbationsversuchen und peinlichen ersten Malen. Schnell schlägt die Stimmung aber um, als es zu Erzählungen über Missbrauch und Vergewaltigung kommt. Wutausbrüche und fliegende Objekte auf der Bühne inklusive.

Natürlich wird auch das Theater als Arbeits- und Schaffensort selbst nicht aus den Augen gelassen. Die Patriarchie die sich in den Theaterhäusern dieser Welt über lange Jahre eingeschlichen und gefestigt hatte, und erst langsam, besonders von Frauen wie der Intendantin des Gorki, Shermine Langhoff, aufgebrochen werden, zeigt sich hier wohl am deutlichsten an der Geschichte, die der Schauspieler Taner Sahintürk erzählt. Es geht um den Volksbühnenregisseur Johann Kresnik, der seine Schauspieler am liebsten nackt proben ließ und seine Schauspielerinnen allesamt „Ilse“ nannte, um sie bewusst kleinzuhalten. Das Stück welches hier einstudiert wurde, war „Die 120 Tage von Sodom“ nach Pasolini. Die Premiere war im Mai 2015 und Kultur24 hatte darüber berichtet.

Das Ensemble wendet sich hier an das Punlikum, und durch Fragen nach eigenen Missbrauchserfahrungen, beantwortet durch Handheben, werden wir daran erinnert dass #metoo eben gerade nicht von Einzelfällen handelt, und wie weit der Weg noch ist der uns bevorsteht, um eine gleichberechtigte und vor allem respektvolle Welt voranzubringen.

In den anschließenden Workshops versucht das Ensemble gemeinsam mit dem Publikum, die Menschen füreinander zu sensibilisieren. Empathie und Rücksicht kann man trainieren, das zeigt das Ensemble hier ganz klar. Ein Nein des Gegenübers zu erkennen und vor allem zu akzeptieren, ist etwas dass wir uns schon viel früher, vielleicht sogar als Unterrichtsfach in der Schule gewünscht hätten. Das Gorkitheater beweist hier einmal mehr, dass eine „Kultur des Einvernehmens“ (culture of consent), wie Yael Ronen es beschreibt, nicht nur eine Utopie ist, und wie wir alle verantwortlich sind an diesem Ziel mitzuwirken.

(Anmerkung der Redaktion: Heute, am 10.09.2018, kam die Meldung, dass der Chef von CBS, einem der größten Fernsehsender der USA, wegen Missbrauchsvorwürfen zurückgetreten ist. Der „New Yorker“ hatte gestern die Anschuldigungen von 6 Frauen veröffentlicht. CBS will jetzt 20 Millionen Dollar an die #MeToo Association spenden).

„Yes But No“
Maxim Gorki Theater Berlin
Text, Bühne und Regie: Yael Ronen & Ensemble
Musik: Yaniv Fridel, Ofer Shabi, Shlomin Shaban
Mit: Riah May Knight, Lindy Larsson, Orit Nahmias, Taner Sahintürk, Svenja Liesau

Nächste Vorstellungen: 13. und 28. September und 5. und 29. Oktober 2018

Hier unsere Bilderserie von „Yes But No“:

12 Photos: Orit Nahmias, Riah May Knight und Taner Sahintürk, „Yes But No“, Maxim Gorki Theater © Holger Jacobs

english text

Yes But No at the Maxim Gorki Theater Berlin
By Anna Müller
09/10/2018

The Israeli author Yael Ronen on #MeToo, consensual sex and the different experiences of abuse.
Last Friday, the Maxim Gorki Theater finally started the new theater season. The Austrian-Israeli director Yael Ronen has dedicated herself to a topic that concerns us all, and that the debate about equal rights is an indispensable part of the discussion. The #metoo debate. How has the debate changed our coexistence and how, in particular, how do we look back on our own experiences?
What does the future look like after #metoo? One thing is clear to Yael Ronen and her strong ensemble, we all have to communicate much more together.
As always with Yael Ronen, you will be able to experience every imaginable type of emotion during the performance, which was divided into an hour of classical stage performance à la Ronen with personal experiences of the actors and also some very successful musical inserts, and a subsequent workshop, in the audience was involved and could actively deal with the topic.

It was a heartfelt and much laughter as the performers began by telling about the discovery of their own sexuality, failed masturbation attempts and embarrassing first times. However, the mood quickly changes when it comes to stories about abuse and rape. Including rages and flying objects on stage.
Of course, the theater itself as a place of work and creation is not forgotten either. The patriarchy that had crept in and settled in the theaters of the world over many years, and only slowly, especially by women like the director of the Gorky, Shermine Langhoff, shows here most clearly the story that the actor Taner Sahintürk tells. It’s about the Volksbühnen director Johann Kresnik, who liked to have his actors rehearsed naked and all of his actresses called „Ilse“, in order to deliberately keep them small. The piece rehearsed here was „The 120 Days from Sodom“ by Pasolini. The premiere was in May 2015 and Kultur24 reported about it.
The ensemble turns to the audience, and by asking for their own abuse experiences, answered by lifting hands, we are reminded that #metoo is just not acting on individual cases, and how far the way is still ahead of us on an equal and above all to promote a respectful world.
In the subsequent workshops, the ensemble and the audience try to sensitize people to each other. Empathy and respect can be trained, as the ensemble clearly shows here. Recognizing and, above all, accepting a counterpart is something that we would have liked much earlier, perhaps even as a subject at school. Once again, the Gorkitheater proves that a „culture of understanding,“ as Yael Ronen describes, is not just a utopia, and that we are all responsible for contributing to that goal.
(Editor’s note: Today, 10.09.2018, the news came that the CEO of CBS, one of the largest television stations in the US, has resigned for allegations of abuse, while the „New Yorker“ published the allegations of 6 women yesterday now donate $ 20 million to the #MeToo Association).

 

Author: Anna Müller

Literaturstudentin auf der Europa Universität Viadrina in Frankfurt/ Oder

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