Die Glasmenagerie im Deutschen Theater Berlin
Von Holger Jacobs
18.12.2016
Liebe Kulturfreunde,
die beste Inszenierung seit langem? Bisher habe das ich Theaterstück von Tennesse Williams drei Mal gesehen. Einmal in München, einmal in der Komödie am Kudamm (siehe unsere Rezension vom 10.03.2016) und jetzt am Deutschen Theater. Gerade weil Regisseur Stephan Kimmig eine ganz neue Interpretation fand ist diese hier die beste Inszenierung.
Handlung:
Die Geschichte spielt in den 30er Jahren in den USA. Amanda, Tom und Laura Wingfield leben als Kleinfamilie in ärmlichen Verhältnissen. Mutter Amanda wurde von ihrem Mann verlassen und versucht ihre übrig gebliebene Familie zusammenzuhalten. Sohn Tom arbeitet in einer Schuhfabrik und hält damit die Familie über Wasser. Am liebsten würde er aber seine Sachen packen und abhauen, wie einst sein Vater. Tochter Laura hat eine Behinderung, ist schüchtern und wenig attraktiv, was ihre Zukunftschancen, sowohl im Beruf als auch auf dem Heiratsmarkt, deutlich verringert.
In dieser verzweifelten Lage kommt ein Arbeitskollege von Tom zu Besuch, Jim O’ Connor. Alle Hoffnungen richten sich nun an ihn der Tochter Laura vielleicht noch eine Möglichkeit als Ehefrau zu geben. Tatsächlich kommt es zu einem Flirt zwischen beiden, doch am Ende stellt sich heraus, dass Jim bereits verlobt ist. Traurig bleibt die Familie zurück. Am Schluss verlässt Tom die Familie, sein letzter Gedanke richtet sich an seine Schwester Laura.
Kritik:
Es ist schon erstaunlich, dass die wichtigsten Theaterstücke aus Amerika der 40er und 50er Jahre alles sozial- und gesellschaftskritische Dramen sind, mit einer eindeutig depressiven Grundstimmung. Sei es Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ (1949), Eugene O’ Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ (1956) oder eben „Die Glasmenagerie“ (1944) von Tennesse Williams.
Ganz anders, als es zu dieser Zeit die Hollywood Filmproduktionen zeigen. Und ganz im Gegensatz zum wirtschaftlichen Aufschwung Amerikas in dieser Zeit. Es scheint, dass ähnlich wie heute, nur ein gewisser Prozentsatz der Gesellschaft diese wirtschaftliche Blüte erlebte.
Und diese Millionen der Abgehängten haben, zumindest nach Meinung der meisten Analytiker, im Jahre 2016 die Wahl von Donald Trump zum 44. Präsidenten der USA erst ermöglicht.
Viele meiner Kollegen der Presse fragten sich, was dieses Stück für unsere heutige Zeit bedeutet. Hier scheint die Antwort.
Regisseur Stephan Kimmig wählte einen ganz eigenen Ansatz für dieses im Grunde triste Kammerspiel. Er hob durch das dynamische Spiel der Protagonisten und manch humorvoller Szene das gesamte Schauspiel auf eine andere Ebene. Weg von der depressiven Grundstimmung hin zu einer schwungvollen Darstellung einer zwar problembehafteten Familie, die aber durch ihren Willen und Kraft es eines Tages schaffen wird. Am besten zu erkennen an Anja Schneider als Mutter Amanda, die selbst bei Niederlagen nie de Mut verliert und auf immer neue Ideen kommt.
Und natürlich Linn Reusse als Tochter Laura, die sowohl in Sprache wie Gestik zeigt, dass sie am wenigsten von allen Drei an der Situation leidet und durch die Beschäftigung mit ihren Glastieren, den Schallplatten des Vaters oder den hauseigenen Hühnern (hier als lebende Exemplare auf der Bühne, die immer wieder den einen oder anderen Lacher beim Publikum erzielen) eine gewisse Zufriedenheit in ihrem Dasein spüren lässt.
Weder ist sie depressiv oder frustriert und kann sogar plausibel erklären, warum sie den Schreibmaschinenkurs gemieden hat. Dementsprechend kann sie auch recht erfolgreich mit dem Gast Tom O’Connor flirten. Erst als sie, kurz bevor die beiden gerade Sex haben wollen, erfährt, dass dieser doch eigentlich schon verlobt ist, scheint sie geschockt. Aber keineswegs so, als wäre das nun das Ende der Welt. Sie wird sicher eines Tages einen anderen finden…
So wird der Zuchauer nicht mit einem Knoten im Hals nach Hause geschickt, sondern eher mit dem Gedanken, dass noch so schwierige Situationen von jedem gemeistert werden können. Auch von Tennesse Williams wissen wir (der hier fast autobiographisch seine Jugend beschreibt), dass er ein berühmter Autor wurde und zwei Mal den Pulitzer Preis bekam.
Ein schöner Gedanke kurz vor dem Fest der Freude und Liebe.
Regie: Stephan Kimmig
Bühne: Katja Haß
Kostüme: Anja Rabes
Dramaturgie: Ulrich Beck
es spielen:
Linn Reusse (Laura Wingfield)
Anja Schneider (Amanda Wingfield)
Marcel Kohler (Tom Wingfield)
Jim O’Connor (Holger Stockhaus)
Deutsches Theater Berlin
Schumannstr. 13a
10117 Berlin
Nächste Vorstellungen: 23. und 25. Dezember 2016
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.