PIQUE DAME von Peter Tschaikowski in der Deutschen Oper

PIQUE DAME von Peter Tschaikowski in der Deutschen Oper

 

Von Holger Jacobs

10.03.2024

Wertung: 🙂 🙂 🙂 🙂 (vier von fünf)

Eine Nacht voller berauschender Musik und schöner Bilder

In den 10 Jahren als Herausgeber des online Kulturmagazins kultur24.berlin habe ich viele Neuinszenierungen von Opernkompositionen an allen drei Berliner Opernhäusern gesehen. Viele habe mir gefallen, viele nicht.
Einige waren sogar so schlecht, dass ich meine Augen geschlossen hielt, um nur die Musik zu hören.

Das ist mir bei der Neuproduktion der Oper „Pique Dame“ von PETER TSCHAIKOWSKI nicht passiert.
Ganz im Gegenteil.
Die Optik der Bühnenarchitektur und der Kostüme hat mich beeindruckt und wurden nur noch von der wirklich berauschenden Musik von TSCHAIKOWSKI übertroffen. Doch von einigen Sängerinnen und Sängern war ich enttäuscht.

Dass die Oper „Pique Dame“ so selten gespielt wird ist mir ein Rätsel.
Dagegen ist TSCHAIKOWSKIS „Eugen Onegin“ (sei 2016 in der Komischen Oper Berlin, kultur24 berichtete von der Premiere)  in fast jedem Repertoire der Opernhäuser dieser Welt zu finden.
Klar, die Geschichte von der jungen Tatjana, die sich in „Eugen Onegin“ in den Lebemann Onegin verliebt, der sie aber zurückweist, nur um Jahre später festzustellen, was für einen Fehler er gemacht hat, ist sehr berührend.
Aber die leidenschaftliche Liebe zweier Menschen in „Pique Dame“, die durch die mindere Herkunft und die Spielsucht des Mannes tragisch endet, ist nicht minder spannend und herzzerreißend.
Die Musik TSCHAIKOWSKIS ist natürlich bei beiden Opern berauschend schön.

Portrait des Komponisten Peter Tschaikowski

Pique Dame

Das Libretto, geschrieben nach einer Novelle von ALEXANDER PUSCHKIN, erzählt von einem typischen gesellschaftlichen Phänomen des 19. Jahrhunderts: Dem unmöglich zu überwindenden Unterschied der Stände.
Die Geschichte beginnt mit dem jungen Hermann, der bereits als Kind von Altersgenossen aus reichen Familien gehänselt (heute würde man sagen „gemobbt“) wird.
Im zweiten Bild, jetzt als reifer Mann, lernt Hermann die hübsche Lisa kennen und verliebt sich in sie. Diese ist aber bereits dem Fürsten Jelenzki versprochen. Als Hermann es schafft, sich Lisa zu nähern und ihr seine Gefühle zu offenbaren, ist sie von seiner Ehrlichkeit und Leidenschaft begeistert und verliebt sich ebenfalls in ihn.
Doch Hermanns Problem ist sein niederer Stand und sein bescheidenes Dasein. Um das zu ändern will er das Spielgeheimnis „Der Drei Karten“ von Lisas Großmutter erfahren, die wegen ihrer Spielleidenschaft auch „Pique Dame“ genannt wird. Dieses Spielgeheimnis verhalf „Pique Dame“ einst zu großem Reichtum, bevor ein Fluch ihr voraussagte, dass das Glückspiel selbst, sowie die Weitergabe des Geheimnisses, ihr einst den Tod bringen wird.
Was dann auch wirklich geschieht.
Letztlich wird Hermanns Verlangen nach dem großen Gewinn im Glücksspiel die Liebe zu Lisa zerstören und ihm das Leben kosten.

Mein Video mit Ausschnitten aus dem 2. Akt „Maskenball“:

Kritik

Dirigent SEBASTIAN WEIGLE schaffte es der mitreißenden Musik Tschaikowskis die richtige Dramatik zu geben.
Tempi und Ausdruck stimmten und ließen die Zuschauer begeistert ihre Ohren spitzen.
Besonders die Chormusik bei „Pique Dame“ ist bemerkenswert. Selten habe ich in einer Oper so viele vielstimmige Partituren gehört.
Und jede Choreinlage ist von Tschaikowski so komponiert, dass sie auch für sich alleine stehen und aufgeführt werden könnte (seht und hört dazu mein Video).

So begeistert ich von der Musik, dem Orchester und den Chören (Leitung: Jeremy Bines) war, so wenig war ich es von den beiden wichtigsten Protagonisten: Der Sängerin der Lisa, SONDRA RADVANOSSKY und dem Sänger des Hermann, MARTIN MÜHLE.
Letzterer gab seiner Stimme nicht genug Tragweite. Und Sopranistin SONDRA RADVANOVSKY verwechselte Lautstärke mit dramatischem Ausdruck. Beide ließen Souveränität und natürliches Volumen vermissen.
Dem Regisseur SAM BROWN oblag die Aufgabe, der Oper eine ansprechende Optik und eine nachvollziehbare Personenregie zu geben.
Dabei haben mir die Bühnenarchitektur und die Kostüme (beides Stuart Nunn) sehr gut gefallen.
Allerdings zweifelte SAM BROWN wohl daran, in welcher Epoche er die Oper ansiedeln wollte.
Während die Kostüme fast ausschließlich das 19. Jahrhundert repräsentierten, waren die Bauten mit Wänden aus dem französischen Empire und daneben Neonlicht mit diagonalen Strukturen aus den 60er Jahren in ihrer Bedeutung nicht schlüssig.
Hinzu kamen Stummfilmszenen aus den 1920er Jahren, die an die Wände projiziert wurden.
Auch der Regieeinfall, Lisa als hässliches Mauerblümchen mit dicker Brille à la Prof. Trelawney aus „Harry Potter“ darzustellen, gefiel mir gar nicht.

Fazit: Selbst wenn die Inszenierung Schwächen zeigt und die Haupt-Sänger nicht die Qualität mitbringen, die ich mit gewünscht hätte, so lohnt sich der Abend allein schon wegen der wunderbaren Musik, der tollen Chöre und schönen Optik, trotz (oder vielleicht auch wegen) der Stilbrüche.

„Pique Dame“ von Peter Tschaikowski
Aufführung in russischer Sprache mit deutschen und englischen Untertiteln
Premiere war am 9. März 2024
Musikalische Leitung: Sebastian Weigle, Inszenierung: Sam Brown, Bühne + Kostüme: Stuart Nunn, Chöre: Jeremy Ines.
Mit: Martin Mühle (Hermann), Sondra Radvanovsky (Lisa), Dean Murphy/ Thomas Lehman Premiere (Fürst Jelezki), Lucio Gallo (Graf Tomski), Karis Tucker (Polina)

Bilderserie mit 14 Fotos aus „Pique Dame“:

Lucio Gallo (Tomski), Martin Mühle (Hermann), „Pique Dame“, ph: Holger Jacobs

 

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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