Premiere DAS RHEINGOLD an der Deutschen Oper Berlin
Von Dagmer Loewe
14.06.2021
Wertung: 🙂 🙂 🙂 (drei von fünf)
Liebe, Lust, Neid und Selbstbetrug in einer Neuinszenierung von Regisseur Stefan Herheim mit einem sensationellen Thomas Blondelle als Loge/ Mephisto.
„Das Rheingold“ ist eine revolutionäre Oper.
Richard Wagner wollte eine Trilogie schreiben, die so kompliziert im Aufbau war, dass er dafür extra eine weitere Oper als Vorabend komponierte, in dem er alle Vorgänge, die sich im darauffolgenden „Ring der Nibelungen“ entwickeln sollten, hier schon andeutet und in seinen Ursprüngen erklärt.
Rückwärts betrachtet nähern wir uns Oper für Oper sowohl einer Götterwelt, einer Riesenwelt und einer Zwergenwelt bis hin zum Sündenfall, als Wotan einen Zweig der Weltesche abbricht, um daraus seinen Speer zu schnitzen, woraufhin der Baum zugrunde geht.
Einen weiteren Sündenfall begeht Alberich, als er aus verschmähter Liebe das Gold der Rheintöchter raubt, um dadurch zu Macht und Ruhm zu gelangen.
Den wichtigen Figuren in Wagners „Ring“ bleibt immer die Möglichkeit, sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden.
Dabei sind die Rollen sehr komplex angelegt, der Zuschauer kann sowohl Sympathie als auch Antipathie für jeden von ihnen empfinden.
Die Inszenierung
Mit Tausenden von Koffern wird auf das Flüchtlingsdrama dieser Welt Bezug genommen.
Weitere zentrale Ideen: ein in der Mitte der Bühne stehender Flügel, der als Ab- und Aufstieg fungiert. Und ein riesiges Bettlaken im Hintergrund, auf dem verschiedene Szenarien per Videobild die Orte des Geschehens darstellen sollen.
Diese wenigen Zutaten auf einer ansonsten leeren Bühne lassen mich leider emotional völlig kalt. Dabei möchte ich mich aber als Zuschauer mitreißen lassen von Wagners unglaublichen Phantasien, möchte sie dargestellt sehen auf der Bühne. Gerne auch zeitgenössisch und verfremdet, aber phantasievoll und mitreißend, wollüstig und üppig – eben ästhetisch und optisch begeisternd.
Das wird hier mit diesen wenigen Mitteln leider nicht erreicht.
Der Premierenabend
Wie schon die im letzten Jahr vorweggenommene Premiere der „Walküre“, beginnt auch der heutige Abend wie oben schon beschrieben mit den vielen Flüchtlingen, die wie ein fließender Strom die Bühne füllen.
Langsam entkleiden sie sich und beginnen ein Liebesspiel.
Eigentlich hätten hier drei Nixen auftreten müssen, die sich frivol im Wasser tummeln.
Und zwar allein, Alberich betörend, verwirrend und verhöhnend.
In dieser Inszenierung von Stefan Herheim sind sie nur ein Teil des Flüchtlingsstroms, alle in weiße Unterwäsche gekleidet.
Auch von wasserähnlicher Substanz oder Optik, um annähernd einen Rhein darzustellen, ist keine Spur, nur der Souffleurkasten schimmert bläulich.
Dagegen aber immer wieder unnötiger Klamauk, wenn z.B. der Souffleurkasten als Einstieg in die Unterwelten gebraucht oder der Klangkörper des Flügels als Ab- und Aufstieg in die Götterwelt benutzt wird.
Eine weitere sinnfreie Idee sind Freias goldene Äpfel, die ihr als pralle, goldfarbene Brüste angeheftet werden.
Wie hierdurch die Jugendlichkeit auf die anderen Götter übertragen werden soll, so Wagners Idee, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Alberich als Joker, Loge als Mephisto
Das Kostüm und die Maske des Nibelungen Alberich erinnern an Batmans „Joker“, sein Bruder Mime mit Kappe an Richard Wagner, der aus dem Souffleurkasten die Rheingold-Partitur hervorbringt.
Viele Zitate und Analogien, die es bei der Vielfalt von Wagners eigenen Einfällen eigentlich nicht gebraucht hätte.
Zu guter Letzt werden auch noch die Judenverfolgung und Hitlers Wehrmacht mit eingebaut, wenn dessen Armee mit erhobenem rechten Arm über die Bühne marschiert.
Musikalisch ein Highlight
Mit der Besetzung aus dem eigenen Haus war der Abend aber musikalisch auf hohem Niveau.
Sir Donald Runnicles mit dem Orchester der Deutschen Oper Berlin, Derek Walton als Wotan, Annika Schlicht als Fricka, Markus Brück als Alberich und alle weiteren Sängerinnen und Sänger ließen die nicht überzeugende Inszenierung zum Glück streckenweise vergessen.
Mein besonderer Held des Abends aber war eindeutig Thomas Blondelle als Feuergott Loge. Die Idee, ihn als Mephisto auftreten zu lassen, war genial. Er spielte, sprang und tanzte über die Bühne, überzeugend charismatisch in jeder Situation. Und gesanglich einfach nur herrlich!
Thomas Blondelle singt zeitgleich auch die Titelfigur in der Neuinszenierung des „Zigeunerbaron“ an der Komischen Oper Berlin. Kultur24 berichtete.
Die Corona-bedingt immerhin wieder halbvolle Deutsche Oper gab den Sängerinnen und Sängern großen Applaus, die Regie wurde jedoch mit unüberhörbaren Buhrufen kommentiert.
„Das Rheingold“ von Richard Wagner
Premiere am 12. Juni 2021
Deutsche Oper Berlin
Nächste Vorstellungen: am 15., 19., 22., 25. Und 27. Juni 2021
Musikalische Leitung: Sir Donald Runnicles
Inszenierung: Stefan Herheim, Bühnenbild: Stefan Herheim, Silke Bauer, Kostüme: Uta Heiseke
Mit: Markus Brück (Alberich), Thomas Blondelle (Loge), Derek Welton (Wotan), Thomas Lehman (Donner), Matthew Newlin (Froh), Andrew Harris (Fasolt), Tobias Kehrer (Fafner), Ya-Chung Huang (Mime).
Annika Schlicht (Fricka), Jacqueline Stucker (Freia), Judit Kutasi (Erda),
Die Rheintöchter: Valeriia Savinskaia (Woglinde), Irene Roberts (Wellgunde) und Karis Tucker (Flosshilde)
Unsere Bilderserie mit 40 Fotos der Aufführung:
Author: Dagmar Loewe
Beraterin für Einrichtungen, Garten- und Modedesign. Passionierte Opern- und Konzertbesucherin. Lebt und arbeitet in Hamburg.