Wiedereröffnung des legendären Clärchen’s Ballhaus

Yoram Roth and Holger Jacobs in front of Clärchens Ballhaus © Jung/ Jacobs/ kultur24.berlin

Wiedereröffnung des legendären Clärchen’s Ballhaus

 

Von Holger Jacobs

15.07.2020

English text

(Titelbild: Yoram Roth (links) und Holger Jacobs (rechts) im Garten von Clärchen’s Ballhaus)

Nach einem halben Jahr der Ungewissheit eröffnet der neue Besitzer das traditionsreiche Haus in (fast) unverändertem Äußeren.

Kaum jemand in Berlin-Mitte, der nicht Clärchens Ballhaus kennt.
Es ist eines der letzten Überbleibsel aus vergangener Zeit. Es überlebte den 1. Weltkrieg, die Naziherrschaft, den 2. Weltkrieg und den real-existierenden DDR-Sozialismus und war nach der Wende ein wichtiger Anlaufpunkt für alle, die gerne tanzten, Spass haben und in einer authentischen Umgebung den Alltag hinter sich lassen wollten.

Im Jahre 1895 wurde in der Auguststrasse 24 ein Haus mit einem Ballsaal und mit einem Spiegelsaal gebaut.
Clara und Fritz Bühler  gründeten darin am 13. September 1913 das „Bühlers Ballhaus“.
Nach dem Tod des Ehemanns führte Clara das Haus alleine weiter und schnell setzte sich der Begriff „Clärchens Ballhaus“ durch.

Clärchen’s Ballhaus © Holger Jacobs/ kultur24.berlin

Nach dem 2. Weltkrieg konnte Clärchen das Tanzlokal in Eigenregie weiter betreiben, das Vorderhaus an der Strasse allerdings war dem Bombenkrieg zum Opfer gefallen.
Aber das Ballhaus fand auch in der DDR-Zeit große Beliebtheit und selbst nach der Wiedervereinigung standen die Tanzwütigen am Abend vor der Tür Schlange.
Das Besondere: Nicht Disco-Musik, Rap oder Techno erschallte aus den Lautsprechern, sondern eine Live-Band spielte Foxtrott, Walzer oder Tango.

Clärchen’s Ballhaus © Holger Jacobs/ kultur24.berlin

Im Jahre 2003 verkaufte der Sohn von Clara, Stefan Habermann, das Lokal an Hans-Joachim Sander. Sanders Ehefrau Gisa, einer der Erben der WELLA Kosmetikfirma, wurde kurz zuvor beim Verkauf der Kosmetikfirma an Procter & Gamble mit einem 3-stelligen Millionenbetrag abgefunden. Hans-Joachim und Gisa Sanders kauften daraufhin gleich mehrere Häuser in der August- und Tucholskystrasse, wie z.B. das Gebäude mit Clärchens Ballhaus.

Anekdote nebenbei: Auch der Kunstsammler Thomas Olbricht, der bis vor kurzem noch sein eigenes Privatmuseum „me-collectors-room“ ebenfalls in der Auguststrasse betrieb, profitierte damals von dem WELLA-Verkauf: Er war zu der Zeit Aufsichtsratsvorsitzender von WELLA  und erhielt 165 Millionen Euro Abfindung.
Somit ist auch ein Teil des WELLA Vermögens nach Berlin-Mitte gekommen…

Der neue Besitzer nach der Wende, Hans-Joachim Sander, verpachtete Clärchens Ballhaus ab 2004 an Christian Schulz, der u.a. den Vorgarten zur Strasse als Biergarten ausbaute.

Radieschen mit Ziegenkäse, Clärchen’s Ballhaus 2020 © Holger Jacobs/ kultur24.berlin

Doch Mitte der 2010-Jahre wurde es stiller um Clärchens Ballhaus. Umfangreiche Renovierungen ließen sich nicht mehr aufschieben, die Brandschutzmaßnahmen stammten noch aus dem letzten Jahrhundert. Hans-Joachim Sander entschloss sich das Objekt zu verkaufen und die Stunde von Immobilieninvestor Yoram Roth, der aus einer alten jüdischen Berliner Familie stammt, war gekommen.

Die Geschichte Berlins ist eng mit jüdischer Kultur und Geschichte verbunden.
Vor der Machtergreifung Hitlers war in Berlin besonders das Mode-und Textilgeschäft von jüdischen Familien geprägt. Fast alle großen Warenhäuser, wie das Wertheim, Hermann Tietz, Karstadt, Jandorf und natürlich das KaDeWe (Kaufhaus des Westens, ebenfalls von Abraham Jandorf erbaut) waren im Besitz jüdischer Familien, genauso wie viele Tuchhersteller und Modegeschäfte.
Aber auch im Theater (Max Reinhart) und in der Musik (Mendelssohn) prägten jüdische Künstler das Berliner Kulturleben.

Vor 1933 zählte die jüdische Gemeinde Berlins 160.000 Mitglieder, was einem Drittel der gesamten jüdischen Bevölkerung im Deutschen Reich gleich kam. Nur 9.000 von ihnen haben in Berlin den Holocaust überlebt.

Der legendären Spiegelsaal im 1. Obergeschoss:

Spiegelsaal, Clärchen’s Ballhaus © Holger Jacobs/ kultur24.berlin

Aber das  jüdisches Leben kehrt nach Berlin zurück! Besonders seit dem Fall der Mauer zieht es immer mehr gerade junge Menschen aus der ganzen Welt nach Berlin, auch aus Israel. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts leben wieder um die 16.000 Juden in Berlin, davon ca. 10.000 aus Israel.

Heute findet man jüdische Familien verstärkt in der Gastronomie und Hotellerie. Wie z.B. die Amano Hotel-Kette. Was dabei auffällt: Sie gelten als besonders modern und hip. Wie auch das Restaurant „LAYLA“, über das kultur24 gleich zu seiner Eröffnung 2018 berichtete.

Auch der neue Besitzer von Clärchens Ballhaus, Yoram Roth, entstammt, wie schon erwähnt, einer alten jüdischen Familie aus Berlin. Ein Teil seiner Familie kam durch den Holocaust ums Leben, ein anderer Teil konnte sich nach Palästina flüchten, wie sein Vater David. Dieser kam 1956 wieder zurück, heiratete eine Frau aus Ostberlin und Yoram kam zur Welt.

Yoram Roths Familie hat sich in den letzten 50 Jahren ein kleines Immobilienimperium aufgebaut. Sohn Yoram studierte zunächst Fotografie in New York, bis er nach Berlin zurückkam und in die Firma des Vaters einstieg.

Yoram Roths großer Coup war die Investition in das bereits existierende, aber wirtschaftlich angeschlagene FOTOGRAFISKA MUSEUM in Stockholm. Dank Yorams Unterstützung wurde das Museum nicht nur zu einer der weltweit bedeutenden Institutionen im Bereich der Fotografie, sondern es wurden sogar Dependancen in New York und Talinn gegründet. Besonders das Fotografiska Museum New York sticht durch sein Gebäude heraus, welches eine 1894 erbaute Kirche war und vollständig restauriert wurde.
Es befindet sich in Mid-Town, 281 Park Avenue/ 22nd Street.

Kultur24 traf Yoram Roth einen Tag nach Wiedereröffnung von Clärchens Ballhaus im frisch aufbereiteten Vorgarten. 700 Gäste waren am Tag der Eröffnung gekommen, alle natürlich nur mit online-Anmeldung und dem Hinterlassen Ihrer Anschrift – alles konform den Corona-Bestimmungen.

Der neue Hausherr Yoram Roth zeigte sich vom ersten Tag zufrieden. Er wolle im Prinzip alles beim Alten belassen, damit die Stimmung und die Atmosphäre der vergangenen Zeit erhalten bleibt. Zunächst hatte Yoram nur die allernotwendigsten Arbeiten vollzogen, besonders Brandschutz und technische Maßnahmen. Für den Betrieb der Gastronomie hat er sich die Berliner Catering-Firma „Berlin Cuisine“ geholt. Ein erster Test zeigte: Die Wahl war nicht schlecht! Gut geschultes Personal, eine interessante Menü-Karte mit deutschen Spezialitäten zu vernünftigen Preisen und ein paar Schmankerl, wie das köstliche mit Ziegenkäse und Öl angemachte Radieschen. Und natürlich das obligatorische (Kalbs-) Schnitzel.

Auf viele weitere feucht-fröhliche Abende in Clärchens Ballhaus!

Hier findet Ihr die Menükarte:

Menükarte, Clärchen’s Ballhaus © Clärchen’s Ballhaus

 

English text

The reopening of the legendary Clärchen’s Ballhaus

By Holger Jacobs
07/15/2020

(Cover picture: Yoram Roth (left) and Holger Jacobs (right) in the garden of Clärchen’s Ballhaus)

After half a year of uncertainty, the new owner opens the traditional house in an (almost) unchanged exterior.

Hardly anyone in Berlin-Mitte who doesn’t know Clärchen’s Ballhaus.
It is one of the last vestiges of bygone times. It survived the World War I, Nazi terror, World War II and the GDR socialism and was an important starting point after the fall of the wall for everyone who liked to dance, to have fun and wanted to leave everyday life behind in an authentic environment.
In 1895, a house with a ballroom and a mirror room was built at Auguststrasse 24.
Clara and Fritz Bühler founded the “Bühlers Ballhaus” on September 13, 1913.
After the husband’s death, Clara continued to run the house on her own and the term “Clärchens Ballhaus” quickly became established.
After the Second World War, Clärchen was able to continue to operate the dance hall on her own, but the front building on the street had fallen victim to the bombing war. But the Ballhaus was also very popular in the GDR era, and even after reunification the dance enthusiasts stood in front of the door every evening.
The special thing: Not disco music, rap or techno sounded from the speakers, but a live band played foxtrot, waltz and tango.

15 photos of Clärchens Ballhaus:

Clärchen’s Ballhaus © Holger Jacobs/ kultur24.berlin

In 2003, Clara’s son, Stefan Habermann, sold the restaurant to Hans-Joachim Sander. Sander’s wife Gisa, one of the heirs of the WELLA cosmetics company, earned through the sale a three-digit million sum when the cosmetics company was sold to Procter & Gamble. Hans-Joachim and Gisa Sanders then bought several houses on August- and Tucholskystrasse, like the building with Clärchens Ballhaus.
Anecdote by the way: The art collector Thomas Olbricht, who until recently also ran his own private museum „me-collectors-room“ on Auguststrasse, also benefited from the WELLA sale at the time: he was one of the CEOs at the time and received Severance payment of 150 million euros.
Part of WELLA’s assets have thus come to Berlin-Mitte …

The new owner in 2004, Hans-Joachim Sander, leased Clärchens Ballhaus to Christian Schulz, who among other things expanded the front garden to the street as a beer garden.
But in the middle of the 2010 years Clärchen’s Ballhaus was not anymore as hip as before.
Extensive renovations could no longer be postponed, the fire protection measures date back to the last century. Hans-Joachim Sander decided to sell the property and that was the time when real estate investor Yoram Roth, who comes from an old Jewish family from Berlin, saw his chance.

The history of Berlin is closely linked to Jewish culture and history.
Before Hitler’s seizure of power, the fashion and textile business in Berlin was particularly marked by Jewish families. Almost all large department stores such as Wertheim, Hermann Tietz, Karstadt, Jandorf and of course the KaDeWe (Kaufhaus des Westens, also built by Abraham Jandorf) were owned by Jewish families, as were many cloth manufacturers and fashion stores. But also in theater (Max Reinhart) and in music (Mendelssohn) Jewish artists shaped Berlin’s cultural life.
Before 1933, the Jewish community in Berlin had 160,000 members, which was a third of the entire Jewish population in the German Reich. Only 9,000 of them in Berlin survived the Holocaust.

But Jewish life is returning to Berlin!
Especially after the fall of the wall, more and more young people from all over the world are moving to Berlin, including from Israel. Since the beginning of the 21st century, around 16,000 Jews have lived in Berlin again, including around 10,000 from Israel.

Today, Jewish families are increasingly found in the restaurant and in the hotel industry. Such as the AMANO hotel chain.
What is remarkable: They are considered particularly as modern and hip.
Like the „LAYLA“ restaurant, about which kultur24 reported right away when it opened in 2018.

5 photos of the „Spiegelsaal“ of Clärchens Ballhaus:

Spiegelsaal, Clärchen’s Ballhaus © Holger Jacobs/ kultur24.berlin

The new owner of Clärchens Ballhaus, Yoram Roth, also comes from an old Jewish family from Berlin. Part of his family died in the Holocaust, others were able to flee to Palestine, like his father David. He came back to Berlin in 1956, married a woman from East Berlin and Yoram was born.
Yoram Roth’s family has built a large real estate empire over the past 50 years.
Son Yoram initially studied photography in New York before returning to Berlin and joining his father’s company.
Yoram Roth’s big deal was an investment in the already existing but economically troubled FOTOGRAFISKA MUSEUM in Stockholm. Thanks to Yoram’s support, the museum not only became one of the world’s major institutions in the field of photography, but branches were also founded in New York and Talinn. The Fotographiska Museum New York in particular stands out for its building, which was before a church built in 1894 and has been completely restored.It is located in Mid-Town, 281 Park Avenue / 22nd Street.

Kultur24 met Yoram Roth one day after Clärchens Ballhaus reopened in the freshly prepared front yard. 700 guests came on the day of the opening, all of them of course with online registration and leaving their address – all in accordance with the Corona regulations.

The new owner of Clärchen’s Ballhaus, Yoram Roth, was happy. His principle idea was to keep everything the same so that the mood and atmosphere of the past of the house was preserved.
At first, Yoram had only done the most necessary work, especially fire protection and technical measures. He got the Berlin catering company „Berlin Cuisine“ to run the restaurant. A first test showed that the choice was not a bad one! Well-trained staff, an interesting menu card with German specialties at reasonable prices and a few delicacies, such as the delicious radishes made with goat cheese and oil. And of course the obligatory (veal-) „Schnitzel“.
We wish many more happy evenings in Clärchens Ballhaus!

Here you find the menu card:

Menükarte, Clärchen’s Ballhaus © Clärchen’s Ballhaus

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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