DER STURM von Shakespeare im Deutschen Theater
Von Holger Jacobs
04.09.2022
Wertung: 🙂 🙂 🙂 (drei von vier)
Einer der letzten Theaterstücke von Shakespeare in einer neuen Übersetzung
In einer Koproduktion mit den Bregenzer Festspielen, die mit ihren Operninszenierungen auf einer Seebühne im Bodensee weltbekannt sind, fand die Premiere von „DER STURM“ am 23. Juli 2022 im Theater am Kornmarkt statt.
Und jetzt hier die Zweit-Premiere im Deutschen Theater Berlin.
Regisseur Jan Bosse hatte die Idee, den Originaltext von dem 34-jährigen Schriftsteller Jakob Nolte noch einmal ganz neu ins Deutsche übersetzen zu lassen.
Sicher eine interessante Idee. Leider ist die Übersetzung so genau vom Englischen ins Deutsch übertragen, dass dabei ein ziemliches Kauderwelsch entsteht, was mit deutscher Sprache nur noch peripher etwas zu tun hat.
Sätze wie „Wenn Du nicht Deine Leidenschaft für mich gegeben weg“ (gesprochen von Prinz Ferdinand an Herzogtochter Miranda) erinnert das mehr an die Sprache von Meister Yoda in „Star Wars“ als an einen literarischen Text auf der Bühne eines deutschen Theaters. Auch viele Substantive, die hier als deutsche Übersetzung auftauchen, dürften kaum in einem deutschen Duden zu finden sein.
Versteht mich nicht falsch. Ich will nicht knickerig sein und mich auf die gelernte Grammatik durch meinen einstigen Deutschlehrer im Deutsch-Leistungskurs versteifen, aber eine neue Sprache oder auch eine neue Übersetzung muss Sinn machen und überzeugen.
Das tut es hier nicht.
Im Gegenteil. Das Spiel bekommt etwas lächerliches, klamaukartiges, was noch durch die Inszenierung und das Spiel der Darsteller verstärkt wird.
Handlung
Uraufgeführt 1611 in London. Herzog Prospero wurde vor vielen Jahren von seinem Bruder Antonio als Herrscher über die Stadt Mailand vertrieben und lebt seidem im Exil zusammen mit seiner Tochter Miranda auf einer kleinen Insel im Mittelmeer. Dort hat er es durch List und Tücke geschafft, die dort ansässigen Geister Caliban und Ariel für sich zu gewinnen. Als eines Tages die Flotte des Königs Alonso von Neapel zusammen mit seinem Bruder Antonio und dessen Sohn Ferdinand an der Insel vorbeisegeln, lässt er durch den Luftgeist Ariel einen Sturm entfachen, der die Flotte kentern und an der Insel stranden lässt.
Nun ist plötzlich Prospero wieder am Hebel der Macht über seinen alten Widersacher. Doch anders als gedacht, lässt er nicht seine Rache an seinem Bruder aus, sondern sorgt dafür, dass sich seine Tochter Miranda und dessen Sohn Ferdinand verliebt, um eine zukünftige friedliche Bande zwischen den beiden Brüdern zu schnüren.
Kritik
Das Stück beginnt mit einer völlig kahlen Bühne, die sich im Laufe des Abends nur noch mit vielen dicken Seilen füllen wird, die vom Schnürboden der Bühne herunterhängen und von den Darstellern vielfältig benutzt werden (Bühne: Stéphane Lamé).
Ob sie sich darin verstricken oder nicht? Vielleicht. Zumindest strickt Prospero erfolgreich seine Fäden.
Die Kostüme (Kathrin Plath) bleiben im Stil undefiniert. Prospero in lumpenhaften Kleidern im Stil eines Clochards. Königssohn Ferdinand nur mit einem goldenen Lendenschurz bekleidet und Miranda in Plüsch und Federfummel und blonder Langhaarperücke à la Botticelli. Luftgeist Ariel (hier als Frau, gespielt von Lorena Handschin) in schickem Cocktailkleid.
Über die Sprache, bzw. den ins Deutsche neu übersetzten Originaltext von Shakespeare habe ich oben schon geschrieben. Und über den komödienhaften Ansatz der Inszenierung auch.
Eine musikalische Begleitung darf in heutiger Zeit natürlich nicht fehlen. Gitarristin Carolina Bigge spielt Improvisationen. Manchmal gibt es auch richtige Songs, gesungen in Englisch oder Deutsch (die jeweilige Übersetzung erscheint dann über der Bühne auf einer Leuchtschrift).
Wolfram Koch als König Prospero ist wie immer herausragend.
Wer ihn noch aus den Zeiten der Volksbühne unter Frank Castorf kennt weiß um sein komödiantisches Talent.
Unvergessen sein Auftritt in „Pfusch“ von Herbert Fritsch an der Volksbühne Berlin im Jahre 2016:
Auf Wolfram Koch als Prospero passt das Komödiantische am besten. Er weiß genau Witz und Ernsthaftigkeit in der richtigen Mischung zu präsentieren.
Bei Linn Reusse als Miranda passt das weniger. In dramatischen Rollen (siehe „Fräulein Julie“ von 2021 oder als Laura in der „Glasmenagerie“ ) gefällt sie mir besser.
Jeremy Mockridge (Fernsehserie „Lindenstrasse“) als Ferdinand gibt kaum einen vernünftigen Satz von sich und soll wohl mehr hübsch als intelligent wirken (siehe goldener Lendenschurz).
Einzig Lorena Handschin als Ariel und Julia Windischbauer als Caliban scheinen mir neben Wolfram Koch wirklich überzeugend. Wobei Erstere mir besonders gut gefallen hat. Egal ob komisch oder traurig, ernsthaft oder heiter, immer hat Lorena Handschin ihre Rolle fest im Griff und brilliert mit ihrer Ausstrahlung.
Intendant Ulrich Khuon ist bekannt dafür, dass er Klassiker gerne mit „nach“, als „von“ (-Shakespear) tituliert, um ihnen neue Ansätze in der Interpretation zu geben. Hier wurde mal eine extrem original-getreue Version mit „von“ Shakespeare versucht. Ob der Weg gelungen ist, müsst Ihr entscheiden, wenn Ihr es Euch anseht.
„DER STURM“ von William Shakespeare in einer neuen Übersetzung von Jakob Nolte
Premiere war am 1. September 2022 (vorher am 23.07.2022 in Bregenz)
Regie: Jan Bosse, Bühne: Stéphane Lamé, Kostüme: Katrin Plath, Musik: Carolina Bigge, Arno Kraehahn
Mit: Wolfram Koch (Prospero), Linn Reusse (Miranda), Lorena Handschin (Ariel), Julia Windischbauer (Caliban + König Antonio), Jeremy Mockridge (Ferdinand), Tamer Tahan (König Alonso).
Tickets hier
Bilderserie mit 6 Fotos der Produktion:
Author: Holger Jacobs
Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.