Die zweite Corona-Welle – die Gegenmaßnahmen und ihre Folgen

Die zweite Corona-Welle © Jacobs/ kultur24.berlin

Die zweite Corona-Welle – die Gegenmaßnahmen und ihre Folgen

 

Von Holger Jacobs

30.10.2020

English text

Die Gastronomie und die Kulturschaffenden müssen hinter der Offenhaltung von Schulen und Kitas zurückstehen

Kaum, dass die erste Welle mit dem Corona-Virus im März und April diesen Jahres über unser Land rollte, mit 6000 Neuinfizierungen pro Tag, wurde schon über eine zweite Corona-Welle gesprochen. Sie würde uns im Winter erreichen, wenn Kälte und Nässe unser Immunsystem ohnehin schwächen und auch die typischen Krankheiten in der dunklen Jahreszeit uns erreichen würden.

Doch bereits Mitte Oktober 2020 stiegen die Zahlen auf dieselbe Höhe wie im April und heute, am 30. Oktober 2020, zählen wir 18.681 Neuinfizierungen innerhalb eines Tages – das dreifache wie zur schlimmsten Zeit Anfang des Jahres!

Corona-Inzidenz in den verschiedenen Berliner Stadtteilen © berlin.de

Was war passiert?

Als im Juli, im schönsten Sommermonat des Jahres, die Infektionszahlen unter 200 pro Tag sanken, dachten viele, die Corona-Pandemie wäre wohl überstanden und ein Impfstoff stehe kurz vor der Markteinführung.

Doch das Virus war nie verschwunden!
Es schlummerte in vielen Körpern, die keine Symptome zeigten und auch nicht ernsthaft erkrankten.
In den Restaurants gaben Gäste ihren Namen zur Rückverfolgung mit „Lucky Luke“ an und lebenslustige Partygänger feierten die ganze Nacht. In Parks, in Bars, in Kneipen und in Restaurants.

Abstand? Fehlanzeige! Masken? Fehlanzeige! Küsschen rechts und Küsschen links.

Als Gesundheitsminister Spahn vor kurzem erzählte, wie er in ein Berliner Restaurant ging und feststellen musste, dass er der einzige war, der eine Maske trug, traf er mit dieser Geschichte den Nagel auf den Kopf. Da war es dann auch nicht verwunderlich, dass Spahn den Eindruck gewann, die anderen würden ihn wie ein Alien betrachten…

Andere waren dagegen vorbildlich: Theater und Opern- und Konzerthäuser vollbrachten schiere Wunder:
Ganz Stuhlreihen wurden entfernt, Abstands- und Hygienemaßnahmen ausgetüftelt und mit großer Akribie versucht, bei den jeweils wechselnden Buchungszahlen pro Abend (Pärchen, Familien und Alleinstehende) sich jeweils andere Sitzbelegungen auszudenken.
Das führte dazu, dass meines Wissens in keines dieser Häuser bis heute ein plötzlicher Corona-Ausbruch zu verzeichnen gewesen wäre.
Angefangen von den Salzburger Festspielen im August mit über 80.000 Zuschauern innerhalb von drei Wochen, über die Kunstmesse ART WEEK in Berlin mit über 10.000 Besuchern bis zu Opernaufführungen, wie der „WALKÜRE“ über 6 Stunden in der Deutschen Oper Berlin.

An die 1,2 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland in der Kreativbranche.
Vom Beleuchter, über den Messebauer, bist zum Sänger, Schauspieler und Tänzer. Und die meisten von ihnen sind Solo-Selbständige und verdienen keinen Cent, solange sie nicht auftreten.

Ganz zu schweigen von den Gastronomen, Kneipiers, Bar-Besitzern, Kosmetikern und Masseuren, die ihre Miete, Angestellte und Betriebskosten weiter zahlen müssen, obwohl sie nichts mehr verdienen.
Viele von ihnen werden wohl nicht bis zum Jahresende durchhalten und Konkurs anmelden müssen.
Viele Lebensträume werden auf der Stecke bleiben.

In ihrer Pressekonferenz vom Mittwoch, dem 28. Oktober, sagte Angela Merkel, dass sie und die Ministerpräsidenten der 16 Deutschen Bundesländer darüber einig geworden wären, dass alle Industriebetriebe und alle Einzelhandelsgeschäfte offenbleiben müssten, um die Wirtschaft aufrechtzuerhalten.
Und wegen des häuslichen Friedens und der Bildung unserer Kinder willen alle Schulen und Kitas dieses Mal geöffnet bleiben sollten.

Um trotzdem eine signifikante Eindämmung des Virus zu erreichen musste deshalb an anderer Stelle eine massive Einschränkung geschehen: Und das sollte in der Gastronomie, die Hotellerie und in der Kunst sein.

Ist das gerecht?
Eine massive Welle der Empörung schwappte übers Land. Besonders der Kunstschaffenden.
5.000 Mitglieder der Gruppe „ALARMSTUFE ROT verteilten hunderte Container auf der Straße des 17. Juni, mehrere Theaterintendanten verfassten offene Briefe an Politiker und viele Künstler*innen ließen ihrem Unmut auf den sozialen Medien freien Lauf.
Wie gestern die Jazz-Legende Till Brönner, dessen Videobotschaft auf Instagram 2,7 Millionen Mal gelikt wurde.

Till Brönner © Till Brönner/ Instagram

Doch es hilft alles nichts!

Hier die wichtigsten Maßnahmen, die um Mitternacht des 1. November beginnen und bis zum Montag, den 30. November, dauern sollen.

Geschlossen bleiben:

  • Restaurants, Kneipen, Bars und Cafés (mit Ausnahme von Kantinen). Nur Außer-Haus-Verkauf ist erlaubt.
  • Alle Theater-, Opern- und Konzerthäuser, Kinos, Museen, Kleinkunstbühnen, Varietés.
  • Private Sportvereine, Saunas, Schwimmbäder und Fitnesscenter. Solo-Sport ist erlaubt, aber kein Mannschaftssport. Die Fussball-Bundesliga darf unter strengen Hygieneregeln weiter spielen, aber ohne Zuschauer.
  • Weihnachtsmärkte

Offen bleiben:

  • Alle Geschäfte, Warenhäuser, Verbrauchermärkte und Frisöre. Allerdings nur mit bis zu 1 Person pro 10 qm.
  • Apotheken und Physiotherapie Praxen.
  • Zum Glück dürfen dieses Mal Galerien weiter geöffnet bleiben.
    Sie sind somit die einzigen Kulturstätten, die dem Publikum noch bleiben. Und die Bibliotheken.

Treffen dürfen sich:

  • Maximal 10 Mitglieder von maximal 2 Familien.

Wollen wir alle hoffen, dass bis Ende Oktober die Infektionen wieder heruntergegangen sind!

 

English text

 

The second corona wave – the countermeasures and their consequences

By Holger Jacobs


10/30/2020

Gastronomy and cultural workers have to back down towards keeping schools and kindergarden open

As soon as the first wave of the corona virus rolled over our country in March and April of this year, with 6000 new infections per day, a second corona wave was already discussed.
It would reach us in winter, when the cold and wet would weaken our immune system anyway and the typical diseases would also reach us in the dark season.
But in mid-October 2020 the numbers rose to the same level as in April and today, on October 30, 2020, we count 18,681 new infections within one day – three times as much as at the worst time at the beginning of the year.

What happened?
When the number of infections fell below 200 per day in July, the most beautiful summer month of the year, many thought that the corona pandemic was over and that a vaccine was about to be launched.
But the virus never went away!
It slumbered in many (mostly young) bodies that showed no symptoms and did not become seriously ill.
In the restaurants, guests gave their names as „Lucky Luke“ for tracing and fun-loving party-goers celebrated all night.
In parks, bars, pubs and restaurants.
Distance? No way! Masks? No way! Kiss on the right and kiss on the left.

Corona-Inzidenz in den verschiedenen Berlin Stadtteilen © berlin.de

When Health Minister Spahn recently told how he went to a Berlin restaurant and found that he was the only one wearing a mask, he hit the nail on the head with this story. So it wasn’t surprising that the others saw Spahn like an alien …

Others were exemplary:
Theaters and opera and concert halls realized sheer miracles:
Entire rows of chairs were removed, spacing and hygiene measures worked out and meticulously tried to think of different seating arrangements for the changing number of bookings per evening (couples, families and singles).
As a result, as far as I know, there has been no sudden corona outbreak in any of these houses to this day.
Starting with the Salzburg Festival in August with over 80,000 spectators within three weeks, to the ART WEEK art fair in Berlin with over 10,000 visitors to opera performances such as „WALKÜRE“ over 6 hours in the Deutsche Oper Berlin.

Around 1.2 million people work in the creative sector in Germany.
From lighting technician to fair workers to singers, actors and dancers. And most of them are solo self-employed and don’t make a penny as long as they don’t perform.
Not to mention the restaurateurs, pubs, bar owners, beauticians and masseurs who continue to pay their rent, employees and operating costs even though they no longer earn anything.
Many of them are unlikely to hold out until the end of this year and file for bankruptcy.
Many lifelong dreams will be left behind.

In her press conference on Wednesday, October 28th, Ms. Merkel said that she and the prime ministers of the 16 German federal states had agreed that because of the economy, all industrial companies and all retail stores should remain open.
And because of peaceful households and the education of our children, all schools and kindergarden should also remain open this time.

In order to still achieve a significant containment of the virus, a massive restriction had to be made elsewhere:
In gastronomy, in the hotel industry and in art.

Is that fair?
A massive wave of indignation swept across the country. Especially the artists.
5,000 members of the group “ALARMSTUFE ROT“ distributed hundreds of containers on the Straße des 17. Juni,. Several theater directors wrote an open letter to the politicians and many artists let their anger run free on social media.
Like yesterday the jazz trumpeter Till Brönner, whose video message was liked 2.7 million times on Instagram.

Till Brenner © Till Brenner/ Instagram

But none of it helps!

Here are the most important measures that start at midnight, November 1st, and should last until Monday, November 30th.

Stay closed:
– Restaurants, pubs, bars and cafes (canteens can remain open). Only to-go sales
– All theaters, opera and concert halls, cinemas, museums, cabarets, variety theaters.
– Private sports clubs, saunas, swimming pools, fitness centers. Solo sports are allowed, but not team sports. Only the Bundesliga is allowed to play under strict hygiene rules.
– Christmas markets

Stay open:
– All shops, department stores and hypermarkets. However, only with up to 1 person per 10 square meters.
– Pharmacies, hairdressers and physiotherapists.
– Fortunately, galleries are allowed to stay open this time. They are therefore the only cultural sites that remain open to the public. And the libraries.

Allowed to meet:
A maximum of 10 persons from a maximum of 2 families

Let’s all hope that by then the infections will have gone down again!

Author: Holger Jacobs

Founder & Editorial Director of kultur24.berlin ug.
Founder & Editorial Director of kultur24 TV on Youtube.
Former correspondent for fashion in Paris.
Photographer, writer and filmmaker.

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